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Ohne Approbation kein Lohn - alles für "lau"?-

 

Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich Sommer diesen Jahres (2023) mit einem kuriosen Fall zu beschäftigen. Der Kläger war als angestellter Arzt in einem Krankenhaus beschäftigt. Bereits im März wurde jedoch dessen Approbation wegen Zweifeln an seiner gesundheitlichen Eignung für den Arztberuf durch das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit des Landes Brandenburg ruhend gestellt, was bedeutete, dass er ab diesem Zeitpunkt theoretisch seiner Tätigkeit als Arzt nicht mehr nachkommen durfte. Das Krankenhaus blieb jedoch über das Ruhen der Approbation in Unkenntnis, weshalb der Kläger noch nach März 2023 an „sage und schreibe“ 1.053 Operationen als Arzt beteiligt war.

Erst Ende Februar 2022 informierte der Kläger dann das Krankenhaus über das angeordnete Ruhen der Approbation, was jedoch zur Folge hatte, dass das Krankenhaus dem Kläger für den Monat 2022 keine Vergütung mehr zahlte. Deshalb verklagte der Arzt das Krankenhaus auf Lohnzahlung. Dies beeindruckte das Krankenhaus jedoch wenig und ging seinerseits in die Offensive und forderte von dem Kläger die in den letzten sechs Monaten gezahlte Lohnvergütung komplett zurück!

Tatsächlich ließ das Arbeitsgericht Berlin dann aber den Kläger im Regen stehen, obwohl im Volksmund oft die Meinung vorherrscht, dass die Gerichte eher den Arbeitnehmer als den Arbeitgeber schützen.

Ein Gehalt für den Monat März 2022 sollte dem Kläger danach nicht zustehen und das Gehalt der letzten sechs Monate sollte er auch zurückzahlen. Rechtlich sei der Fall nämlich so zu bewerten, dass die Arbeitsleistungen des Arztes als faktisch nicht erbracht zu sehen wären und ihm von daher auch keine Lohnvergütung zugestanden hätte.

 

Fazit:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlins wirkt auf den ersten Blick befremdlich. Auch wenn der Arzt sämtliche Leistungen ordnungsgemäß erbracht hatte, ihm Behandlungsfehler usw. nicht vorzuwerfen waren und dem Arbeitgeber diese Leistungen zugutekamen, da er sie gegenüber den Patienten bzw. den Krankenversicherungen abrechnen konnte, geht der Arzt leer aus.

Tatsächlich reiht sich das Arbeitsgericht mit dieser Rechtsprechung aber in die bereits aus anderen Bereichen bekannte Rechtsmeinung anderer Obergerichte ein. Danach kann eine Leistung, für welche eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, nur als vertraglich geschuldete Arbeitsleistung angesehen werden, wenn diese Erlaubnis auch tatsächlich vorliegt. Ansonsten schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Dienste nichts.

Noch ist die Sache nicht rechtskräftig. Der Kläger kann noch Berufung einlegen. Es bleibt von daher weiter spannend. Denn zumindest dürfte fraglich sein, ob die Lösung des Arbeitsgerichts tatsächlich interessengerecht ist oder nicht doch eine Übervorteilung des Krankenhauses darstellt.

 

Steffen Eckhard

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Strafrecht

Alkoholsucht und die Approbation

Don’t Drink and Drive

Der Verwaltungsgerichtshof München hat mit Urteil vom 02.03.2020 über das Ruhen der Approbation eines Arztes entschieden, bei dem ein Alkoholabhängigkeitssyndrom diagnostiziert worden war. Der 1956 geborene Arzt hatte sich gegen das Ruhen seiner Approbation zur Wehr gesetzt - zum Einen, weil ein Ruhen im Hinblick auf sein Alter faktisch einen Entzug der Approbation bedeute; zum anderen, weil seine Abhängigkeit seiner Ansicht nach nicht nachgewiesen war.

Der Arzt wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit einer BAK von 2,27 Promille und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort per Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt. Die zuständige Stelle hatte ihn daraufhin angewiesen, sich einer psychiatrisch-neurologischen Überprüfung zu unterziehen. Nachdem hierbei ein schädlicher Gebrauch von Alkohol festgestellt wurde, wurde eine Haarprobe entnommen, die eine Ethylglucuronid-Konzentration von mehr als 100 pg/Milligramm aufwies.

Das Ruhen der Approbation kann nach § 6 I Nr. 2 BÄO (Bundesärzteordnung) angeordnet werden, wenn nachträglich die Voraussetzungen für ihre Erteilung entfallen sind. Eine Voraussetzung für die Erteilung ist u.a. nach § 4 I 1 Nr. 3 BÄO, dass der Arzt in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs geeignet ist. Der Verwaltungsgerichtshof stellte klar, dass eine Alkoholsucht die Annahme begründe, dass der Arzt zumindest zeitweise zur Ausübung seines Berufs nicht mehr geeignet ist. Dabei beträgt der Grenzwert für das Vorliegen eines exzessiven und regelmäßigen Alkoholgebrauchs nach der aktuellen Leitlinie der Medizinischen Fachgesellschaften eine Ethylglucuronid-Konzentration von mehr als 30 pg/Milligramm in einer Haarprobe.

Im Hinblick auf den mit einer Alkoholsucht einhergehenden zwanghaften und hohen Genuss von Alkohol besteht die Besorgnis, dass der Arzt auch seine Tätigkeit unter Einfluss von Alkohol ausüben könnte und damit die Gesundheit seiner Patienten potentiell erheblich gefährdet. Aus diesem Grund gab der Verwaltungsgerichtshof nach einer Abwägung der beruflichen Interessen des Arztes mit dem öffentlichen Gesundheitsinteresse dem letzteren den Vorrang. Hinzu kam, dass bei einem suchttypischen Krankheitsbild in der Regel keine rasche Verhaltensänderung zu erwarten sei.

Fazit: Aufgrund der herausgehobenen Stellung des Arztes ist sein Privatleben nicht vollständig von seinem beruflichen Leben zu trennen. Auch ein regelmäßiger und hoher Genuss von Alkohol in der Freizeit, zumal in Verbindung mit Straftaten wie Trunkenheit im Verkehr, kann daher Auswirkungen auf die Approbation haben.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Werbung für digitale medizinische Konsultation durch Ärzte in der Schweiz

Long time, no see

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Urteil vom 9.7.2020 (Az. 6 U 5180/19) über die Werbung für eine Gesundheits-App entschieden und diese Werbung untersagt. In der Werbung wurde deutschen Patienten angeboten, über ihr Smartphone von schweizerischen Ärzten für nicht näher konkretisierte Behandlungssituationen Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erhalten.

Das OLG München stützte seine Untersagung auf § 9 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Dieser lautet (verkürzt):

„Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten(…), die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen (…) beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“

Eine Fernbehandlung ist, kurz gesagt, ein Vorgehen, bei dem eine Diagnose gestellt oder ein Behandlungsvorschlag erteilt wird, ohne den Patienten persönlich gesehen und untersucht zu haben - der Kontakt mit den Patienten erfolgt also über (Video-)Telefonie, Brief oder über andere Medien. Die Werbung für solche Fernbehandlungen war bisher vollkommen untersagt.

Der Grund hierfür war, dass keine Werbung für Behandlungen erfolgen sollte, die nutzlos oder schädlich sein können. Der Gesetzgeber hält Behandlungsformen ohne persönlichen Patientenkontakt für grundsätzlich bedenklich.

Mit dem neu eingefügten § 9 S. 2 HWG wurde das Werbeverbot für bestimmte Fernbehandlungen aber nun aufgehoben - darauf stützte sich der App-Anbieter. Diese Aufhebung betrifft aber nur bestimmte Fälle, in denen es unter Wahrung der ärztlichen Sorgfalt vertretbar ist, den Patienten nicht persönlich zu sehen. Eine Ausnahme bleibt diese Möglichkeit weiterhin, der Kontakt stellt den „Goldstandard“ dar.

Der App-Anbieter aber warb für seine App mit den Slogans „alternativ zum traditionellen Arztbesuch“ bzw. „digitaler Arztbesuch per App“. Auch „Alles per App“ und „Bleib einfach im Bett, wenn Du zum Arzt gehst“ waren Werbesprüche. Aus diesen Aussagen war zu entnehmen, dass die Videokonsultation nicht nur nach genauer Abwägung des Einzelfalls ausnahmsweise erfolgen sollte, sondern die generelle Behandlungsmethode darstellte. Der App-Anbieter behauptete dazu, in 90 % der Fälle, in denen ein Patient seinen Arzt aufsucht, sei der persönliche Kontakt unnötig. Diese Aussage aber verwarf das OLG schon mit dem Hinweis auf die fachlichen Standards bei einer Basisuntersuchung mit Funktionsprüfungen, die notwendigerweise Patientenkontakt erfordern.

Während also bereits die generelle Werbung für die App vom OLG kritisiert wurde, stellte es nochmal gesondert die Werbung für Krankschreibungen per App heraus. Hier betonte das OLG, dass vor Krankschreibungen nach allgemeinen fachlichen Standards ein Patientenkontakt notwendig ist - das gilt in besonderem Maße, wenn die Patienten dem Arzt persönlich unbekannt sind, wie es bei der App regelmäßig der Fall sein wird.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Schmerzensgeld wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht

Schweigen spart Geld

Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte das Urteil des Landgerichts Wiesbaden zum Schmerzensgeldanspruch einer Patientin wegen einer Schweigepflichtverletzung ihres Arztes.

Die Patientin hatte sich Botox spritzen lassen. Da sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden war, hatte sie die Rechnung nicht bezahlt. Der Arzt behauptete, er habe Zahlungserinnerungen und Mahnungen per SMS an die Patientin geschickt, dies konnte er aber nicht beweisen.

Anschließend schickte er eine dritte Mahnung, sowie die Androhung einer Anzeige bei der Polizei per Fax an den Arbeitsplatz der Patientin. Der Arzt behauptete, er hätte die Privatadresse der Patientin nicht gehabt.

Nur Ärzte dürfen Botox spritzen

Als erstes stellte die Kammer nochmals das Offensichtliche klar: Nur Ärzte dürfen Botox injizieren, denn nur Ärzte dürfen die Heilkunde ausüben. Unter den Begriff der Heilkunde fallen dabei alle Behandlungen, die medizinische Fachkenntnisse erfordern und bei denen bei typisierender Betrachtungsweise gesundheitliche Schädigungen auftreten können. Das ist bei Botox der Fall.

Denn nicht nur wird Botox injiziert, es besteht auch das Risiko von Gesichtslähmungen.

Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht begründet Schmerzensgeldanspruch

Weiter entschied die Kammer, dass der Patientin ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.200 € zusteht. Die Mahnung für die Botoxhandlung wurde an das Faxgerät ihres Arbeitgebers gesandt, auf das auch andere Kollegen Zugriff hatten. Dabei hat auch mindestens eine Arbeitskollegin von der Botoxbehandlung erfahren, sowie davon, dass die Rechnung bisher trotz angeblich mehrfacher Aufforderungen nicht bezahlt wurde. Da der Arzt die vorherigen Mahnungen nicht nachweisen konnte, stand neben der Schweigepflichtverletzung auch eine unwahre Tatsachenbehauptung über die Zahlungsmoral der Patientin im Raum.

Dabei war die Zusendung der Rechnung an die Arbeitsstelle der Patientin auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass keine Privatanschrift bekannt war. Ein Straftatbestand wie die Schweigepflichtverletzung kann nicht aus Gründen der Bequemlichkeit umgangen werden.

Stattdessen hätte der behandelnde Arzt eine Auskunft beim Einwohnermeldeamt einholen können. Dafür wäre es dann auch nicht erforderlich gewesen, mitzuteilen, dass überhaupt und erst recht nicht, in welcher Form behandelt wurde.

Den verhältnismäßig hohen Schmerzensgeldbetrag begründete die Kammer damit, dass eine Schweigepflichtsverletzung einen gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Patientin darstellt. Zusätzlich wurde auch noch die unwahre Behauptung über die Zahlungsmoral aufgestellt. Zudem wurde zum Nachteil des Arztes berücksichtigt, dass offensichtlich keine Einsicht in die Verwirklichung des Straftatbestands vorlag.

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Unzulässige Erfolgsversprechen in der Werbung

Was ist schon perfekt?

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied im Februar 2020 im Eilverfahren über die Werbung für das „Invisalign“-Zahnschienen-System. „Invisalign“ wurde in Deutschland u.a. damit beworben, dass es zu „perfekten Zähnen“ und einem „auf Fotos deutlich schöner(em) Lächeln“ führe. Diese Werbeaussagen wurden vom Oberlandesgericht als unzulässige Erfolgsversprechen qualifiziert.

Das Oberlandesgericht stellte zunächst klar, dass es sich bei Zahnspangen nicht, wie von der Antragsgegnerin ursprünglich vorgetragen, um Kosmetikprodukte, sondern um Medizinprodukte handelt. Medizinprodukte sind Gegenstände, die der Veränderung des anatomischen Aufbaus zu dienen bestimmt sind, ohne ein Arzneimittel zu sein. Auf Medizinprodukte und somit auch Zahnspangen findet das Heilmittelwerbegesetz Anwendung.

Das Heilmittelwerbegesetz enthält strenge Regelungen, zu deren wichtigsten gehört, dass durch die Werbung keine Irreführung erfolgen darf. Irreführend ist eine Werbung v.a. dann, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Der dahinter stehende Gedanke ist, dass es in der Medizin wegen der individuellen Disposition eines jeden Patienten und damit korrespondierenden variierenden Erscheinungsformen von Krankheiten stets zu einem Therapieversagen kommen kann. Eine Erfolgsgarantie kann daher nicht gegeben werden.

Die Frage, ob ein sicherer Erfolg versprochen wird, wird dabei aus der Perspektive des Werbeadressaten beantwortet. Dabei ist besonders in der Werbung von Ärzten und Zahnärzten zu beachten, dass der durchschnittliche Verbraucher weniger geneigt ist, Werbung als „reklamehafte Übertreibung“ oder als „Superlativ“ zu verstehen. Denn Ärzten wird ein besonderes Vertrauen entgegengebracht und damit einhergehend eine gewisse Objektivität und Zurückhaltung bei ihrer Werbung erwartet. Der Verbraucher nimmt die Angaben von Ärzten im Zweifel ernst.

Es ist also nach diesem Maßstab bei den vom Oberlandesgericht zu prüfenden Werbeaussagen zu fragen, ob eine Irreführung vorliegt. Eine Irreführung kann nur dann vorliegen, wenn die Werbung zumindest in Teilen objektivierbar ist. Je mehr subjektive Wertungen in die Werbung einspielen, desto weniger ist von einer Irreführung auszugehen.

In der angesprochenen Werbung werden „perfekte Zähne“ und ein „deutlich schöneres Lächeln“ versprochen. Zwar ist die Frage, was perfekte Zähne und ein schönes Lächeln sind, nicht vollständig objektivierbar. In dem Kontext der Werbung für eine Zahnschiene gegen Zahnfehlstellungen allerdings zielt die Werbung ersichtlich auf die Korrektur dieser Fehlstellungen, was auch fotografisch dargestellt wird. Daher zieht auch der Verbraucher den Rückschluss, dass Fehlstellungen sämtlich durch die Zahnschiene beseitigt werden. Das Versprechen perfekter Zähne und eines schönen Lächelns ist somit ein unzulässiges Heilversprechen.

Fazit:

Die (zahn-)ärztlichen Werbung erfordert Fingerspitzengefühl. Woanders mögen marktschreierische Versprechen ein probates Mittel zur Kundenakquise und Markteroberung sein - der (Zahn-)Arzt aber muss sich stets an seinem Heilauftrag und der damit einhergehenden Vertrauensposition messen lassen. Es gilt somit, ganz werbeuntypisch, Zurückhaltung zu wahren.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Approbationswiderruf wegen Steuerhinterziehung

Steuern hinterzogen - Approbation entzogen.

Das Oberverwaltungsgericht NRW entschied mit Beschluss vom 3.2.2020 über den Widerruf einer Approbation wegen Steuerhinterziehung.

Der Kläger war wegen vollendeter Steuerhinterziehung in Höhe von ca. 155.000 €, sowie einer versuchten Steuerhinterziehung verurteilt worden. Daraufhin hatte die Ärztekammer seine Approbation entzogen.

Die entsprechende Rechtsgrundlage hierfür findet sich in der Bundesärzteordnung (BÄO). Danach ist die Approbationserteilung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft - eine davon ist, dass der Arzt „sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO). Mit dieser Voraussetzung ist dabei nicht nur die Erteilung, sondern auch der Bestand der Approbation verbunden. Erweist ein Arzt sich im Laufe seines Berufslebens als unwürdig oder unzuverlässig, so muss die zuständige Ärztekammer die Approbation widerrufen.

Die Begriffe „unwürdig“ und „unzuverlässig“ sind sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe. Dies bedeutet, dass sie sich dem Leser des Gesetzestextes nicht aus sich heraus unmittelbar erschließen, sondern durch Interpretation mit Leben gefüllt werden müssen.

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass ein Arzt unwürdig ist, wenn er aufgrund seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar ist. Dabei wird allerdings nicht nur auf das Verhalten im beruflichen Umfeld oder gar direkt im Arzt- Patienten-Verhältnis abgestellt. Bei entsprechender Schwere kann auch eine Pflichtverletzung, die nicht berufsspezifisch ist, das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft entsprechend erschüttern. Das ist insbesondere, aber nicht ausschließlich der Fall, wenn ein Arzt eine von der Allgemeinheit missbilligte und ehrenrührige Straftat begangen hat.

Vorliegend hatte der Arzt über einen langen Zeitraum und in beträchtlicher Höhe Steuern hinterzogen. Steuerhinterziehung hat nicht nur einen zumindest mittelbare Bezug zu der ärztlichen Tätigkeit, sondern ist auch noch in besonderem Maße für die Allgemeinheit schädlich. Die Vorinstanz führte dazu bereits aus, dass das Bild eines Arztes, der um jeden Preis nach Gewinn strebt, nicht mit dem Bild des helfenden Arztes, der seinen Beruf gewissenhaft und nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt, vereinbar ist. Der Arzt hatte sich somit als unwürdig erwiesen.

Fazit:

Der Approbationsentzug ist ein Damoklesschwert, das nicht nur über dem beruflichen, sondern über allem Handeln des Arztes hängt. Dabei ist der Widerruf der Approbation zwar keine strafrechtliche, sondern eine berufsrechtliche Folge - sie wiegt aber oftmals schwerer als andere Sanktionen. Verfehlungen im steuerrechtlichen Bereich können somit auch Konsequenzen für die berufliche Zukunft haben.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Kopftuch

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschied im Dezember 2019 über die abgelehnte Bewerbung einer Muslima. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob bei der Ablehnung der Bewerbung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen wurde.

Was ist im AGG geregelt?

Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder, falls schon geschehen, zu beseitigen und zu entschädigen.

Welche Folgen hat ein Verstoß?

Verstößt der Arbeitgeber gegen die Benachteiligungsverbote, kann der betroffene Arbeitnehmer eine Entschädigung verlangen - das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die gegen das AGG verstoßen, gar nicht erst eingestellt wurde. Die Ablehnung eines Arbeitnehmers muss dabei aber nicht ausschließlich auf einem der o.g. Gründe beruhen. Ein Verstoß gegen das AGG liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer ohnehin nicht eingestellt worden wäre.

Wichtig im Zusammenhang mit dem AGG ist eine Verlagerung der Beweislast auf den Arbeitgeber. Da in Bewerbungssituationen der Arbeitnehmer in der Regel allein und ohne Aufzeichnungsmöglichkeit vor dem Arbeitgeber erscheint oder gar nicht erst Einblick in die Auswahlprozesse erhält, liegt die Verantwortung für die Beweisführung beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss nur Indizien für eine Benachteiligung vortragen. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass kein Verstoß gegen das AGG vorliegt.

Zurück zum Urteil:

Eine Steuerberatung suchte eine Auszubildende als Kauffrau für Büromanagement. Auf diese Anzeige bewarb sich eine muslimische Bewerberin, die auf ihrem Foto ein Kopftuch trug. Zur Zeit der Bewerbung war die Bewerberin alleinerziehend, ihr Studium hatte sie abgebrochen.

Die Steuerberater lehnten ihre Bewerbung ab und gaben ihr den „gut gemeinten“ Tipp, auf den „Kopfschmuck“ bei künftigen Bewerbungen zu verzichten. Im Prozess verteidigten sich die Steuerberater mit dem Vorbringen, es habe sich nur um einen väterlichen Rat gehandelt. Wegen ihres Lebenslaufs hätte die Bewerberin ohnehin nicht eingestellt werden sollen. Sie führten weiter aus, dass die meisten Arbeitgeber ein Kopftuch nicht gerne sehen würden und die geringen Chancen durch ein Kopftuch noch weiter herabgesetzt würden. Gegen das Tragen eines Kopftuchs hätten die Arbeitgeber direkt nach Einstellung vor dem Arbeitsgericht klagen müssen.

Die Erklärungen zu diesem Ratschlag überzeugten das LAG allerdings nicht davon, dass hier keine Diskriminierung vorgelegen hätte. Dem scheinbar freundschaftlichen Rat lag erkennbar eine ablehnende innere Einstellung zum „Kopfschmuck" zugrunde - unabhängig davon, ob eine weitere Bewerberin ohnehin besser qualifiziert gewesen wäre. Die Steuerberater müssen daher eine Entschädigung iHv 1500 € zahlen.

Fazit:

Verstöße gegen das AGG können teuer werden - bis zu drei Monatsgehälter, ohne dass der Geschädigte je eingestellt war. Neben einer diskriminierungsfreien Einstellungspraxis sollte daher auch auf die interne und externe Kommunikation geachtet werden. Flapsige Sprüche und ungebetene Ratschläge sind im Einstellungsprozess nicht vorbehaltlos zu empfehlen.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Werbung für zahnärztlichen Notdienst

Nothilfe, aber richtig!

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschied mit Urteil vom 6.3.2020 über die Unterlassungsklage der Zahnärzte kammer Nordrhein gegen eine zahnärztliche Praxisgemeinschaft.

Die beklagte Praxis ist Organisatorin eines zahnärztlichen Notdienstes. Für diesen Notdienst, der an allen Wochentagen, samstags, sonntags und feiertags von 7 - 22 Uhr angeboten wird, warb die Beklagte auf einer eigens eingerichteten Homepage. Auf dieser Homepage wurde mehrmals in großer Schrift und farblich unterlegt auf den Notdienst hingewiesen, dazu wurden nur die Zeiten und eine Telefonnummer angegeben. Ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um den Notdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung oder der Zahnärztekammer Nordrhein handele, folgte erst weniger sichtbar am Ende der Seite. Die Internetseite, auf der für den Notdienst geworben wurde, ließ die organisierende Praxis nicht erkennen.

Die Zahnärztekammer brachte gegen diese Art des Notdienstes vor, es handele sich um eine irreführende Werbung, da der Eindruck entstehen könnte, es handele sich bei dem Angebot um den öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst. Zudem verstoße das Angebot gegen das Feiertagsgesetz NRW, da die Beklagte keine behördliche Genehmigung für die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen habe.

Patienten werden getäuscht!

Das OLG Köln gab der Klägerin in zweiter Instanz nun in Teilen Recht. Ob eine Werbung irreführend im Sinne des Gesetzes gegen des unlauteren Wettbewerb (UWG) ist, richtet sich nach dem Verkehrskreis, an den sich die Werbung richtet. Irreführend ist die Werbung dann, wenn sie diesen Verkehrskreis zu täuschen geeignet ist. Eine Täuschung kann daher auch dann vorliegen, wenn die Angaben eigentlich richtig sind, bei dem konkreten Adressaten aber dennoch eine Fehlvorstellung hervorrufen.

Nach der Ansicht des OLG Köln ist der Adressatenkreis einer Werbung für den zahnärztlichen Notdienst der unter Schmerzen leidende Patient oder ein Dritter auf der Suche nach einem Zahnarztnotdienst. Für diesen Verkehrskreis entsteht nach dem Aufbau der Website der Eindruck, der Notdienst werde öffentlich-rechtlich organisiert. Dabei lässt die Internetadresse diesen Eindruck nicht entfallen, denn die Beklagte kann sich nicht darauf verlassen, dass der Patient auf diese achtet. Auch der Hinweis auf der Seite, dass es sich um einen privatrechtlich organisierten Notdienst handelt, ist im Vergleich zu den Werbebannern zu klein, um die Fehlvorstellung sicher entfallen zu lassen.

Sind private Notdienste generell verboten?

Dem OLG war es aber nichtsdestotrotz wichtig, herauszustellen, dass ein privat organisierter Notdienst nicht grundsätzlich zu unterlassen ist. Auch der Hinweis auf den Notdienst ist aus wirtschaftlichen Gründen notwendig und zulässig. Allein die konkrete Form der Werbung und die dadurch erfolgte Irreführung war hier anzuprangern.

Das Angebot eines zahnärztlichen Notdienstes an Sonn- und Feiertagen hält das OLG Köln ebenfalls für erlaubt und sieht darin keinen Verstoß gegen das Feiertagsgesetz NRW. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Behandlung aufgrund eines Notfalls erfolgt und etwa der Linderung von akuten Schmerzen dient. Für diese Fälle, die der Abwendung eines erheblichen Schadens der Gesundheit dienen, sieht das Feiertagsgesetz eine Ausnahme vor.

Fazit: Der Betrieb eines privatzahnärztlichen Notdienstes in Konkurrenz zu dem öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst ist erlaubt und standesrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht liegt nur dann vor, wenn für den Patienten nicht hinreichend klar erkennbar ist, wer den Notdienst anbietet.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Anzahl der Vorbereitungsassistenten in einem MVZ

Einer für alle?

Am 12.02.2020 entschied das Bundessozialgericht (BSG) über die mögliche Anzahl an Vorbereitungsassistenten in einem MVZ. Wir hatten an dieser Stelle bereits über die Entscheidung des Sozialgerichts Marburg in ähnlicher Sache berichtet.

Die KZV lehnt die Anstellung eines weiteren Vorbereitungsassistenten ab

Geklagt hatte der Leiter eines MVZ mit mehreren angestellten Zahnärzten gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein. Er hatte bei der KZV beantragt, die Anstellung eines Vorbereitungsassistenten zu genehmigen. Dieser Antrag wurde nur deswegen abgelehnt, weil in dem MVZ bereits ein anderer Vorbereitungsassistent beschäftigt war.

Nur so viele Vorbereitungsassistenten wie Vertragszahnärzte?

Das Sozialgericht Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen. Das Gericht begründete dies damit, dass sechs Monate der zweijährigen Vorbereitungszeit bei einem Vertragszahnarzt abgeleistet werden müssen. Dadurch sollen die Vorbereitungsassistenten auf die Tätigkeit als frei praktizierende Vertragszahnärzte vorbereitet werden. Eine Ausbildung durch die angestellten Zahnärzte eines MVZ sei dabei nicht gleichwertig.

So viele Vorbereitungsassistenten wie Versorgungsaufträge!

Das Bundessozialgericht entschied nun anders. Das BSG verweist auf § 32 Abs. 2 S. 1 iVm § 3 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV). In diesen Vorschriften sei nicht geregelt, dass pro Vertragszahnarzt nur ein Vorbereitungsassistent beschäftigt werden dürfe. Das gelte zwar für einen in Einzelpraxis tätigen Vertragszahnarzt: Hier bleibt es dabei, dass nicht mehr als ein Vorbereitungsassistent zeitgleich genehmigt wird.

Bei Berufsausübungsgemeinschaften, Vertragszahnärzten mit angestellten Zahnärzten oder MVZ aber macht das BSG die Anzahl an möglichen Vorbereitungsassistenten davon abhängig, wie viele Versorgungsaufträge erfüllt werden. Dabei ist allein die Anzahl der Versorgungsaufträge entscheidend, nicht, ob diese Versorgungsaufträge durch Vertragszahnärzte oder angestellte Zahnärzte erfüllt werden.

Fazit:

Die Anzahl an möglichen Vorbereitungsassistenten in einer Praxis hängt nach dem Urteil des BSG nicht davon ab, wie viele Vertragszahnärzte es gibt, sondern wie viele Versorgungsaufträge.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fragen und Antworten zum Arbeitsrecht und Covid19

Arbeitsverbot wegen Husten?

Das (mittlerweile nicht mehr so) neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 mischt momentan alle Lebensbereiche auf. Für Arbeitgeber stellen sich dabei auch einige arbeitsrechtliche Fragen. Im Folgenden werden die drängendsten Fragen überblicksartig beantwortet. Die Beantwortung dieser Fragen dient der ersten Einschätzung der Rechtslage. Für den individuellen Einzelfall setzen Sie sich gerne für eine umfassende Beratung mit uns in Verbindung!

Mitarbeiter hustet - ab nach Hause?

Einfach liegt der Fall, wenn ein Mitarbeiter Symptome einer Covid19-Erkrankung zeigt und sich auch krank fühlt. Hier gelten die normalen Regeln für den Krankheitsfall und der Mitarbeiter bekommt eine Entgeltfortzahlung. Wenn der Mitarbeiter aber trotz leichter Symptome grundsätzlich arbeitsfähig und arbeitsbereit ist, kann der Arbeitgeber ihn nach Hause schicken. Er befindet sich dann aber im Annahmeverzug und muss weiterhin den Lohn zahlen! Der Mitarbeiter ist in diesem Fall auch nicht verpflichtet, die Arbeitszeit nachzuholen.

Krankschreibung - Wieso, weshalb, warum?

Wird ein Mitarbeiter, der Symptome einer Covid19-Erkrankung zeigt, krankgeschrieben, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber ihn zu der Art seiner Erkrankung befragen darf. Normalerweise sind Fragen nach der konkreten Erkrankung tabu, um das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu schützen. Im Fall des Coronavirus aber nimmt das Arbeitsministerium eine Ausnahme an: der Arbeitgeber hat auch anderen Mitarbeitern gegenüber eine Schutzpflicht. Um dieser nachzukommen, muss er wissen, ob es einen Corona-Fall in seiner Praxis gibt. Der erkrankte Mitarbeiter muss daher seiner Treuepflicht nachkommen und den Arbeitgeber informieren. Da die Covid19-Erkrankung zudem nach dem Infektionsschutzgesetz auch der behördlichen Meldepflicht unterfällt, kann auch die Behörde den Arbeitgeber informieren, damit dieser Schutzmaßnahmen einleiten kann.

Angst vor Ansteckung - müssen die Mitarbeiter kommen?

Die Angst vor Corona geht natürlich nicht nur durch die Medien, sondern betrifft auch die Arbeitnehmer. Allein aus der diffusen Angst vor Ansteckung ergibt sich aber nicht das Recht der Arbeit fern zu bleiben! Der Arbeitgeber hat ein Weisungsrecht und seine Mitarbeiter müssen daher auch zur Arbeit erscheinen, wenn dadurch keine erheblichen Gesundheitsgefährdungen eintreten. Etwas anderes kann aber gelten, wenn ein Mitarbeiter z.B. eine Vorerkrankung hat: Dann ist es ihm unter Umständen nicht zumutbar, bei der Arbeit zu erscheinen. In diesem Fall hat er aber auch keinen Anspruch auf sein Arbeitsentgelt, wenn Home Office nicht möglich ist (§ 275 Abs. 3 BGB).

Keine Schule, keine Kita!

Die Kinderbetreuung ist für viele Arbeitnehmer durch Schul- und Kitaschließungen schwer zu organisieren. Es muss in erster Linie versucht werden, die Kinderbetreuung anderweitig sicher zu stellen. Das Arbeitsministerium stellt klar, dass nicht auf die Betreuung durch Risikogruppen, vor allem also Großeltern, zurückgegriffen werden muss. Wenn keine Fremdbetreuung möglich ist, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht. Sein Gehalt wird in diesem Fall aber nur für eine kurze Zeit weitergezahlt, § 616 BGB. Die Zeitspanne beträgt nach der Rechtsprechung ca. 5 Tage. Danach erhält er kein Arbeitsentgelt mehr. Auf der Website des Arbeitsministeriums kann in bestimmten Fällen eine Entschädigung für den Verdienstausfall wegen der Kinderbetreuung durch den Arbeitgeber beantragt werden (https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen- Corona/entschaedigungsanspruch.html).

Kurzarbeit - Einfach anordnen?

Gibt es nicht mehr genug Arbeit für alle, muss der Arbeitgeber ggf. Kurzarbeit anmelden. Das kann er allerdings nicht einseitig bestimmen, sondern er muss mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit treffen.

Stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, kann er nicht deswegen gekündigt werden, denn sonst liefe das Zustimmungserfordernis leer, § 612a BGB. Wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter aber nicht mehr der vertraglichen Vereinbarung entsprechend weiterbeschäftigen kann, darf er eine Änderungskündigung oder eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Außerordentliche Kündigung wegen Fehlverhaltens in der Freizeit

Freizeit bleibt Freizeit

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) entschied mit Urteil vom 21.03.2019 über die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers.

Der Kläger ist Maschinenschlosser. Im Mallorca-Urlaub befand er sich mit einer Gruppe junger Männer in einer Disko. Mitglieder der Gruppe schwenkten während eines Konzertes eine Reichskriegsflagge. Im Rahmen der breiten Berichterstattung über den Vorfall wurde der Kläger namentlich und unter Angabe seines Arbeitgebers genannt. Zudem wurde im weiteren Verlauf der Aufklärung bekannt, dass er sich auch in der Vergangenheit auf Facebook bereits fremdenfeindlich geäußert, sowie den Holocaust geleugnet hatte.

Der Arbeitgeber sprach daraufhin die außerordentliche Kündigung aus. Sein Ruf hätte durch die Berichterstattung im Zusammenhang mit diesem Vorfall Schaden genommen. Auch Kollegen hätten sich beschwert und sich geweigert, mit dem Kläger weiterhin zusammen zu arbeiten.

Das LAG erklärte diese Kündigung für unwirksam.

Ein Arbeitnehmer muss die Interessen des Arbeitgebers auch außerhalb der Arbeitszeit wahren. Dabei richtet sich der Umfang dieser Pflicht nach seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seinen eigenen Interessen und den Interessen des Arbeitgebers.

Ein Verhalten ist vor allem dann eine Pflichtverletzung, wenn es betriebliche Auswirkungen hat. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer Betriebsmittel oder betriebliche Einrichtungen verwendet hat oder der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer Ermittlungen ausgesetzt werden.

Im abgeurteilten Fall lagen konkrete betriebliche Auswirkungen aber nicht vor. Als Maschinenschlosser hatte der Kläger weder eine repräsentative Position für den Arbeitgeber, noch brachte er seinen Arbeitgeber mit dem Vorfall selbst in Verbindung. Die Nennung seines Arbeitsgebers in der Presse war für ihn weder ohne Weiteres vorauszusehen, noch beabsichtigt.

Außerdem hat der Kläger seine politische Gesinnung bisher im Betrieb nicht aktiv vertreten. Zwar tat er seine Meinung auf einem öffentlichen Facebook-Account kund. Dies hat allerdings, sofern seine Kollegen davon bereits erfahren haben, noch nicht zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geführt. Zudem lässt sich anhand des Facebook-Accounts keine Verbindung zu seinem Arbeitgeber herstellen. Der Kläger hat auch nicht erkennbar gezielt ausländische Kollegen verunglimpft oder zu provozieren versucht.

Zu guter Letzt verneinte das LAG auch die Voraussetzungen einer Druckkündigung. Diese liegt vor, wenn ein Dritter vom Arbeitgeber unter Androhung von schweren (wirtschaftlichen) Nachteilen die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert. In einem solchen Fall darf der Arbeitgeber dem Druck nicht einfach nachgeben. Er muss erst ernsthaft versuchen, eine andere zumutbare Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Fazit: Kein Arbeitgeber muss es hinnehmen, von seinen Arbeitnehmern während deren Freizeitgestaltung verunglimpft zu werden. Andererseits kann aber nicht jede Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers auch eine Kündigung rechtfertigen. Sprechen Sie in Zweifelsfällen mit Ihrem Anwalt!

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Kommentarfilterung durch Yelp

Die Bewertung der Bewertungen

Mit Urteil vom 14.1.2020 setzte der Bundesgerichtshof (BGH) einen neuen Akzent in den komplexen Fragestellungen rund um Bewertungsportale.

Geklagt hatte eine Fitnessstudiobetreiberin, deren Studio bei dem Bewertungsportal „Yelp“ eine schlechte Gesamtbewertung erhalten hatte. Die Klägerin begehrte Unterlassung der schlechten Bewertung und Schadensersatz wegen des Einnahmenausfalls durch die erlittene Reputationseinbuße. Klagegrund in diesem Zusammenhang war nicht nur die Zensur als solche, sondern vielmehr deren Zusammensetzung.

Yelp zeigt auf der Seite des Bewerteten zuoberst eine Gesamtnote in Form von Sternen an. Die Spannbreite an Sternen reicht von 1 zu 5. Streitgegenstand war hierbei, dass sich die Gesamtbewertung nicht aus allen abgegebenen Bewertungen zusammensetzt. Neben der Gesamtbewertung steht die Anzahl der Bewertungen, die in die Gesamtnote einfließen. Diese ausschlaggebenden Bewertungen filtert Yelp anhand eines Algorithmus, dessen genaue FunkSonsweise als GeschäYsgeheimnis während des Verfahrens nicht offengelegt wurde.

Einer Stellungnahme von Yelp zufolge basiert der Algorithmus vor allem auf der „Qualität, Vertrauenswürdigkeit und bisheriger AkSvität der User“. Ziel der Filterung ist es, manipulierte Bewertungen zu blocken und nur für andere User hilfreiche auf den ersten Blick anzuzeigen. Dies birgt allerdings auch Probleme, wenn man psychologische Aspekte bei Bewertungshandlungen betrachtet – unzufriedene Kunden oder Patienten neigen zu ausführlicher Bewertung, während zufriedene ihrer Begeisterung oftmals nur durch die Vergabe von 5 Sternen Ausdruck verleihen.

Das Oberlandesgericht München hatte in dem Verfahren bereits zu Gunsten der Klägerin entschieden: Es sah keine ausreichenden sachlichen Gründe für die durch Yelp vorgenommen Filterung. Außerdem widerspreche es nach Ansicht des OLG dem Wesen einer Gesamtbewertung, nur einige, ausgewählte Bewertungen in diese einfließen zu lassen.

Das sah der BGH aber nun anders: Er entschied, dass Yelp durch die Filterung keine unwahren Tatsachen über das Geschäft der Klägerin verbreiten würde, die einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen würden. Eine Kontrolle der Bewertungen zur Verhinderung von manipulierten und falschen Einträgen sei angemessen und unterfalle der Berufs- und Meinungsfreiheit von Yelp. Der BGH geht in seiner Entscheidung von einem unvoreingenommenen und verständigen Nutzer aus. Ein solcher Nutzer sei fähig zu erkennen, dass in die Gesamtbewertung nicht alle, sondern nur die ausgewählten Kommentare einfließen. Auch sei es grundsätzlich möglich, auch die „nicht empfohlenen“ Kommentare auf der Seite einzusehen.

Die Fitnessstudiobetreiberin habe dagegen kein überwiegendes Interesse an einer positiven Gesamtbewertung. Vielmehr müssten Unternehmer Kritik und eine öffentliche Erörterung dieser Kritik hinnehmen.

Fazit: Nach den letzten, tendenziell eher unternehmerfreundlichen Entscheidungen (vgl. Jameda) hat der BGH sich nun auf die Seite der Bewertungsplattform Yelp gestellt. Eine generelle Aussage über Bewertungsplattformen lässt sich aus dem Urteil dennoch nicht herleiten. Die Beurteilung der Algorithmen und der Darstellung durch die Bewertungsplattformen erfolgt stets anhand des konkreten Einzelfalls.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Überstundenausgleich trotz Freistellung

Frei ohne Ende?

In einem Urteil vom 20.11.2019 beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage, ob durch eine Freistellung Überstunden abgegolten werden.

Das Problem ist altbekannt: Eine Kündigung kann zu einer Verschlechterung des Betriebsklimas, des Verhältnisses der Mitarbeiter untereinander und auch zu Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Patienten führen.

Um Reibereien zu vermeiden, entscheiden sich daher viele Arbeitgeber, gekündigte Mitarbeiter bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses freizustellen. Eine Freistellung liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer sein Arbeitslohn weiterhin gezahlt wird, er jedoch nicht mehr arbeiten muss. Im Grundsatz ist eine Freistellung nur dann möglich, wenn das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt, auch weiterhin beschäftigt zu werden.

Es gibt zwei Arten der Freistellung: die unwiderrufliche und die widerrufliche. Bei der widerruflichen Freistellung muss der Arbeitnehmer jederzeit damit rechnen, wieder arbeiten zu müssen. Er kann mithin nicht frei über seine Zeit verfügen, etwa sich weit von seinem Arbeitsort entfernen oder langfristige Planungen treffen. Aus diesem Grund können nur mit der unwiderruflichen Freistellung restliche Urlaubsansprüche abgegolten werden; denn nur in diesem Fall kann der Arbeitnehmer die gewonnene Zeit auch wirklich für seinen Urlaub nutzen.

In dem Fall, den das BAG zu entscheiden hatte, hatte eine Arbeitnehmerin mit ihrem Arbeitgeber einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Dieser Vergleich beinhaltete unter anderem, dass Urlaubsansprüche durch die bezahlte Freistellung in Natur gewährt wurden. Die Arbeitnehmerin aber verklagte ihren Arbeitgeber nach der erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Abgeltung von Überstunden in Geld.

Die erste Instanz gab der Arbeitnehmerin Recht: sie sprach ihr die Auszahlung der Überstunden zu, denn der Vergleich sei nur über die restliche Arbeitszeit, nicht aber über alle übrigen bestehenden Ansprüche der Arbeitnehmerin abgeschlossen worden. Die zweite Instanz hingegen erklärte den scheinbar unvollständigen Vergleich damit, dass nur die Urlaubsansprüche in einem Vergleich geregelt werden müssten. Denn der Urlaub darf nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer gewährt werden, während Überstunden vom Arbeitgeber einseitig angeordnet und auch wieder abgebaut werden können.

Das BAG gab nun letztlich der Arbeitnehmerin recht. Ein Vergleich muss hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, dass auch Überstunden abgegolten werden sollen. Die Einigung auf eine Freistellung allein genügt diesem Zweck nicht, der Arbeitgeber muss auch die Zielsetzung der Freistellung erkennen können. Die Abgeltung von Überstunden muss in den Vergleich einfließen.

Fazit: Der Abschluss von Vergleichen über das Schicksal gegenseitiger Ansprüche nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfordert besondere Sorgfalt. Ansonsten kann es schnell teuer werden. Konsultieren Sie daher unbedingt einen Fachanwalt.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

DSGVO

Ein Leck im Datenschutz

Mitte September löste eine Recherche des Bayerischen Rundfunks eine neue Diskussion über die Patientensicherheit in der Arztpraxis aus. Im Rahmen der Recherche fand der BR raus, dass rund

13.000 Datensätze deutscher Patienten ungesichert und für jedermann im Netz zugänglich waren. Die Datensätze bestanden vor allem aus den Ergebnissen von Brustkrebs-Screenings und Röntgenaufnahmen. Dabei waren die hochauflösenden Bilder in fast allen Fällen mit Namen und Geburtsdatum der Patienten, Untersuchungstermin und behandelndem Arzt versehen.

Welche Folgen hat das Datenleck für die Patienten?

Mittlerweile sind die Datensätze aus dem Netz genommen. Die Folgen für die betroffenen Patienten sind aber enorm. Bei Gesundheitsdaten handelt es sich um personenbezogene Daten (9 Abs. 1 DSGVO), die wegen ihrer Sensibilität einer durch das Datenschutzrecht besonders geschützten Kategorie unterfallen. Durch die Veröffentlichung der Daten können den Patienten Schwierigkeiten beim Abschluss von Krankenversicherungen oder Lebensversicherungen drohen. Auch besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber die Daten gesichtet haben und daraus Schlüsse ziehen.

Wie sind die Datensätze überhaupt ins Netz geraten?

Die Bilder wurden mit MRT- und CT-Geräten angefertigt, die die erstellten Bilder direkt an einen Server weiterleiten, auf dem die Bilder archiviert werden. Die Weitergabe der Bilder an den Patienten erfolgt auf CDs. Bei diesem Ablauf gibt es verschiedenste Stellen, an denen die Datensicherheit theoretisch gefährdet ist. In einem Fall wurde auf die Bilder zugegriffen, als sie auf einen Webserver hochgeladen wurden, um die CD herzustellen. In einem anderen Fall wurden die Daten auf einem ungesicherten Rechner gespeichert. Auch einige Server der älteren MRT- und

CT-Geräte waren nicht ausreichend gesichert und konnten gehackt werden.

Welche Konsequenzen für die Datensicherheit müssen gezogen werden?

Die Relevanz des Datenschutzes für Arztpraxen kann nicht oft genug betont werden. Besonders die Verwendung webbasierter Anwendungen und elektronischer Geräte ist fehleranfällig. Daher sollte jede Praxis ihre IT-Infrastruktur kritisch hinterfragen: Welche Geräte und Anwendungen werden genutzt? Welche Übertragungswege von Daten gibt es? Auf welchem Sicherheitsstand befindet sich die IT? Sind Passwörter vorhanden und sicher? Auf welche Verschlüsselungstechnik wird zurückgegriffen? sind nur einige der Fragestellungen.

Mangelnde Fach- und Sachkenntnis ist kein Rechtfertigungsgrund für eine ungenügende Datensicherheit. Bei Bedarf muss auf externe IT-Dienstleister und Datenschutzbeauftragte zurückgegriffen werden. Auch im eigenen Interesse: bei Datenschutzvorfällen drohen nicht nur Bußgelder durch die Aufsichtsbehörden, sondern gegebenenfalls auch Schadensersatzforderungen der betroffenen Patienten. Konsequnterweise sollte jede Praxis sich im Datenschutz durch mit dem Datenschutz vertrauten Personen schulen lassen.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Datenschutz

Benennung eines Datenschutzbeauftragten erst ab 20 Mitarbeitern

Ein neuer Gesetzesentwurf soll kleinere Betriebe im Umgang mit dem Datenschutz entlasten.

Bisher galt:

Jeder Betrieb, in dem mehr als 10 Personen mit personenbezogenen Daten umgehen, muss einen Datenschutzbeauftragten haben. Für (Zahn-)Arztpraxen war diese Schwelle schnell erreicht, denn jedes Untersuchungsergebnis oder auch die Patientenakte enthält personenbezogenen Daten.

Somit geht jeder Mitarbeiter, der etwa mit der Patientenakte arbeitet, mit personenbezogenen Daten um. Dabei ist zu beachten, dass nach Köpfen gezählt wird - eine Aushilfe wird somit ebenso in die Anzahl der Personen gerechnet wie der Praxisinhaber.

Ein Datenschutzbeauftragter soll die Einhaltung des Datenschutzrechts sicherstellen. Dafür überwacht er weisungsunabhängig die Datenverarbeitungsprozesse und berät die Mitarbeiter in Fragen des Datenschutzes. Auch Externe können die Stelle des Datenschutzbeauftragten ausfüllen. Bei einer Verletzung der Pflicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten drohen empfindliche Bußgelder. Dabei muss die zuständige Datenschutzbehörde auch Meldungen von z.B. (ehemaligen) Mitarbeitern oder Patienten nachgehen.

Nach dem neuen Gesetzesentwurf, der bald in Kraft tritt, ist ein Datenschutzbeauftragter nun erst ab 20 datenverarbeitenden Mitarbeitern zu benennen. Mit dem neuen Gesetzesentwurf entspannt sich somit die Lage für viele Praxen.

Aber: Auch wenn Ihre Praxis keinen Datenschutzbeauftragten mehr benötigen sollte - ein sensibler und verantwortungsbewusster Umgang mit Patientendaten gehört zum Qualitätsmanagement einer jeden guten Praxis - und das sollte unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter gelten!

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Externe Datenschutzbeauftragte

Praxismietvertrag

Der Feind im eigenen Haus

Das Kammergericht Berlin konkretisierte in einem Beschluss aus dem November 2018 die BGH- Rechtsprechung zu Konkurrenzschutz im Mietrecht.

Oberflächlich betrachtet betraf dieser Fall niedergelassene Ärzte nicht, dem Beschluss lag nämlich die Beschwerde eines Friseurs zugrunde. Allerdings sind die Erwägungen des Kammergerichts auf niedergelassene Ärzte übertragbar.

Zum Sachverhalt:

Ein Friseur betrieb in gemieteten Räumen sein Geschäft. Dann erfuhr er, dass sein Vermieter in demselben Haus Räumlichkeiten vermietet hatte, in denen ein weiterer Friseursalon eröffnen sollte. Gegen diese Vermietung wehrte er sich.

Sowohl der BGH, als auch das Kammergericht sind sich einig, dass ein Gewerbemietvertrag immer auch Schutz vor Konkurrenz enthält - und zwar unabhängig davon, ob dieser Schutz ausdrücklich vereinbart wurde. Schließt ein Vermieter einen Mietvertrag für Räume ab, in denen ein Gewerbe betrieben werden soll, so muss er auch die Nutzungsmöglichkeit dieser Räumlichkeiten sicherstellen. Die Nutzung wird aber eingeschränkt, sofern der Vermieter in demselbem Haus oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken an einen Konkurrenten vermietet.

Selbstverständlich ist der Vermieter nicht dafür verantwortlich, jeden unliebsamen Wettbewerb von dem Mieter fernzuhalten. Konkurrenz, die er verhindern muss, entsteht aber dann, wenn es eine erhebliche Überschneidung zwischen den Hauptleistungen des Mieters und denen des Neumieters gibt und sich beide an dieselben Verbraucherkreise richten. Die Hauptleistung ist dabei diejenige, die den Stil des betriebenen Geschäfts prägt.

Die Folgen eines solchen Verstoßes gegen den Mietvertrag sind zum Einen ein Minderungsrecht des Mieters: die Verletzung des Konkurrenzschutzes schränkt den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache ein und ist somit ein Mangel, der zur Mietminderung berechtigt. Zum Anderen hat der Mieter aber auch ein Recht auf Unterlassung des Abschlusses eines solchen Mietvertrags bzw. auf Verhinderung der Geschäftsaufnahme des Konkurrenten durch den Vermieter.

Fazit: Auch wenn der Ausgangsfall einen Friseursalon betrifft, sind die Erwägungen auf Arztpraxen übertragbar. Ein Verstoß gegen den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz könnte vorliegen, wenn der Vermieter in demselbem Haus an eine Praxis mit gleichem fachlichen Schwerpunkt vermietet. Anders könnte es aussehen, wenn ein Kieferchirurg neben einem Zahnarzt seine Praxis eröffnet. Auch das Nebeneinander von reinen Privatpraxen neben Praxen mit Kassenpatienten ist kein eindeutiger Fall. Bei solchen Grenzfällen wenden Sie sich gerne an Ihren Anwalt.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Mitverschulden eines Patienten bei Arzthaftung

Ab zum Arzt - aber wann?

Das OLG Brandenburg entschied am 28.2.2019 über den Fall einer Patientin, die an Darmkrebs verstorben war. Ihre Erben klagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Arzt, der ihre Erkrankung nicht entdeckt hatte.

Die Patientin stellte sich im August und Oktober 2007 bei dem beklagten Arzt, einem Facharzt, wegen spritzender Blutungen aus dem Anus vor. Der Beklagte diagnostizierte Hämorrhoiden und eine Analfissur. Er veranlasste keine Koloskopie und keine Rektoskopie.

Im Mai 2008 wurde bei der Patientin Darmkrebs diagnostiziert, der bereits in die Leber metastasiert hatte. Die behandelnden Ärzte notierten, sie habe seit „ca. 6 Monaten an Diarrhöen (ca. 6 - 7 mal täglich) mit hellroten Blutauflagerungen sowie ausgeprägtem Meteorismus“ gelitten. Zudem leide sie an „zunehmender Müdigkeit und Schlappheit seit ca. 6 Monaten“.

Grobe Behandlungsfehler führen zur Beweislastumkehr

Die Erben der Patientin verklagten daraufhin den Arzt. Sie warfen ihm vor, er hätte die Krebserkrankung früher erkennen müssen und somit einen Behandlungsfehler begangen. Das OLG schloss sich dieser Ansicht an, es sah einen Befunderhebungsfehler. Ein solch grober Behandlungsfehler hat eine Beweislastumkehr zur Folge, so dass der Arzt beweisen muss, dass das Fortschreiten des Tumors, die Metastasierung und letztendlich auch der Tod der Patientin nicht auf seinem Fehler beruhen.

Mitverschulden des Patienten? Zurückhaltung!

Der Arzt hielt entgegen, dass die Patientin sich ihm wegen ihrer Beschwerden erneut hätte vorstellen müssen. Dann hätte er eine weitergehende Untersuchung durchführen und den Tumor früher entdecken können.

Ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung führt dazu, dass der Schadensersatzanspruch um den eigenen Verschuldensbeitrag gekürzt wird. Ein solches Mitverschulden kann auch Patienten gegenüber ihrem Arzt treffen, wenn sie die Sorgfalt außer Acht gelassen haben, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Aussage der Patientin zu Dauer und Häufigkeit ihrer Beschwerden nicht vorbehaltlos geglaubt werden dürfe, da die Laieneinschätzung medizinischer Befunde normalerweise nicht der tatsächlichen Faktenlage entspräche. Zwar ist es die Patientenaufgabe, den Arzt bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufzusuchen. Die Patientin hatte allerdings bereits eine abschließende Diagnose für ihre Beschwerden erhalten. Sie hatte somit nicht einen ärztlichen Rat missachtet, sondern vielmehr auf ihn vertraut und daher angenommen, dass keine ernsthafte Erkrankung vorlag.

Fazit

Einen Patienten, der entgegen ärztlichem Rat handelt, und bei dem sich daraufhin die Beschwerden verschlimmern, trifft ein Mitverschulden. Anders sieht es aus, wenn bereits eine Diagnose getroffen wurde - diese aber falsch war. Der Maßstab für ein Mitverschulden ist dann hoch und von allerhand Einzelfallfragen abhängig. In diesem Fall kam bei der Patientin eine Multimorbidität hinzu, so dass Symptome nicht eindeutig einem Krankheitsbild zugeordnet werden konnten.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Verfall von Urlaub nur nach Aufforderung zur Inanspruchnahme

Ab in den Urlaub!

Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) verurteilte einen Arbeitgeber zur Abgeltung von nichtgenommenen Urlaubstagen seines Arbeitnehmers der letzten drei Jahre. Es bestätigte damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshof und betonte die Verantwortung des Arbeitgebers für die rechtzeitige Inanspruchnahme von Urlaubstagen.

Aufforderung zum Urlaub

Viele Arbeitsverträge sehen vor, dass der nicht genommene Urlaub des Vorjahres zu einem bestimmten Stichtag verfällt. Das LAG aber urteilte nun, dass der Verfall nicht automatisch durch eine solche arbeitsvertragliche Regelung eintritt.

Das Bundesurlaubsgesetz gesteht dem Arbeitgeber das Recht zu, den Zeitraum des Urlaubs, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers, festzulegen. Damit aber trägt der Arbeitgeber auch die „Initiativlast“, also die Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Urlaub tatsächlich genommen wird. Der Arbeitgeber kommt dieser Pflicht nur dann nach, wenn er eindeutig und transparent den Arbeitnehmer dazu auffordert, seinen Urlaub zu nehmen. Eine solche Aufforderung muss, falls erforderlich, förmlich erfolgen und den Hinweis enthalten, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht genommen wird. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass er dieser Pflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Überraschend ist: Diese Anforderungen an den Arbeitgeber sind nicht auf den Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern betreffn auch den Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.

Kürzung der Arbeitszeit statt Urlaub?

Das LAG entschied in demselben Urteil auch über eine arbeitsvertragliche Regelung, die dem Arbeitgeber statt Jahresurlaub eine wöchentliche verkürzte Arbeitszeit gewähren sollte. Der Mitarbeiter bekam im konkreten Fall 30h bezahlt, arbeitete aber nur 27,5 h. Eine solche Regelung kann aber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht ersetzen, denn sie ist für den Arbeitnehmer nachteilig. Das Bundesurlaubsgesetz selbst berechnet den Urlaubsanspruch nur in (Werk-)Tagen, daher kann Urlaub grundsätzlich nicht auf Stundenbasis gewährt werden. Zudem muss der Urlaub auch in der Regel zusammenhängend gewährt werden. Eine wöchentliche verkürzte Arbeitszeit entspricht diesem Anspruch nicht - auch dann nicht, wenn somit regelmäßig ein voller Arbeitstag freigenommen wird. Der Urlaub soll nach dem Gesetz der Wiederherstellung und Auffrischung der Arbeitskraft dienen; diese Wirkung kann aber nicht durch einen freien Tag pro Woche eintreten, sondern bedarf mehrerer Urlaubstage am Stück.

Fazit

Stumm und still zu hoffen, dass der Arbeitgeber nicht daran denkt, seinen Jahresurlaub zu nehmen - das kann teuer werden. Aus diesem Grund sind die Arbeitnehmer regelmäßig darauf zu prüfen, wie viele Urlaubstage sie noch offen haben - und dann aufzufordern, den Urlaub auch zu nehmen!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Schockschäden nach ärztlichem Behandlungsfehler

Schmerzensgeld für Angehörige

Mit einem neuen Urteil vom 21.5.2019 ebnete der BGH den Weg für Angehörige von Patienten, selbst Schmerzensgeld für die Folgen von Behandlungsfehlern zu erhalten.

Geklagt hatte die Ehefrau eines Patienten, bei dessen Behandlung ein Fehler unterlief. In der Folge dieses Fehlers erlitt der Patient nach einer Koloskopie mit Polypektomie eine Peritonitis und schwebte in einem akut lebensbedrohlichen Zustand, den er aber überstand.

Die Ehefrau des Patienten erlitt wegen der belastenden Situation massive psychische Beeinträchtigungen in Form eines depressiven Syndroms mit ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden und Angstzuständen. Wegen dieser Folgen, die sich auf den Behandlungsfehler zurückführen ließen, verklagte die Ehefrau die behandelnden Ärzte auf Schmerzensgeld aufgrund sogenannten „Schockschadens“.

Schmerzensgeld für psychische Störungen

Tatsächlich ist es möglich, für psychische Störungen Schmerzensgeld zu verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Störungen ohne die Verletzungshandlung nicht aufgetreten wären. Zudem müssen sie pathologisch fassbar sein und somit einen wirklichen Krankheitswert erreichen. Ein Angehöriger kann nicht allein deswegen Schmerzensgeld verlangen, weil er Angst, Trauer oder andere vergleichbare und erfahrungsgemäß auftretende Erschütterungsgefühle empfand. Ein „Schockschaden“ ist erst dann überhaupt ersatzfähig, wenn er über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgeht, denen Angehörige in belastenden Situationen in der Regel und in vergleichbarer Lage ausgesetzt sind.

Schockschaden nach ärztlicher Behandlung

Bisher wurden Schockschäden nur bei „Unfallereignissen“, etwa im Straßenverkehr, angenommen. In seinem Urteil stellt der BGH aber klar, dass es keinen Grund gibt, Angehörige von durch ärztliche Behandlung geschädigten Patienten schlechter zu stellen.

Fazit

Bei sehr komplikationsreichen Eingriffen kann ein Arzt unter Umständen auch mit Schmerzensgeldforderungen von Angehörigen konfrontiert werden. Das gilt allerdings nur unter restriktiven Bedingungen: Die psychische Belastung des Angehörigen muss außergewöhnlich stark sein und auf der Behandlung und ihren Folgen beruhen. Die Behandlung muss fehlerhaft erfolgt sein, denn nur dann bewegt sich das Komplikationsrisiko nicht im Rahmen des „allgemeinen Lebensrisikos“. Der auslösende Behandlungsfehler ist nicht nur eine "Bagatelle" und die psychische Reaktion steht nicht in einem groben Missverhältnis zum Anlass. Als letztes muss die Person, die den Schockschaden geltend macht, dem durch die Behandlung Betroffnen auch persönlich nahestehen.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kein Schmerzensgeld wegen alter OPG-Aufnahmen

Ich habe kein aktuelles Bild für Dich!

Das Landgericht Essen urteilte am 5.4.2019 über Ansprüche aus behaupteter fehlerhafter Behandlung eines Zahnarztpatienten.

Der Patient begab sich im Februar 2015 zu seinem Zahnarzt, da er an Schmerzen litt. Bei der Behandlung zeigte sich, dass der Zahn 38 kariös war; er wurde daher extrahiert. Bildgebende Aufnahmen wurden vorher nicht angefertigt, da dem Zahnarzt bereits selbst angefertigte OPG- Aufnahmen aus den Jahren 2007, 2011 und 2013 vorlagen.

Nach der Extraktion stellte sich der Patient in sehr kurzen Abständen weiterhin zur Wundrevision, zur Einlegung von CHKM-Streifen und zur Antibiotika-Gabe vor. Dennoch bildete sich etwa einen Monat nach der Extraktion eine tischtennisballgroße Schwellung am Hals des Patienten, die in einer langwierigen Operation entfernt werden musste.

Der Kläger verlangt Schmerzensgeld vom Zahnarzt, unter anderem da vor der Extraktion keine neue OPG-Aufnahme gefertigt und keine ausführliche Sicherheitsaufklärung durchgeführt wurde, durch die der Kläger für sich entwickelnde Entzündungsprozesse hätte sensibilisiert werden können.

Ältere Aufnahmen sind ausreichend, wenn sie aussagekräftig sind.

Das Gericht aber urteilte zugunsten des Zahnarztes. Der Weisheitszahn stand in der Zahnreihe und es bestanden auch keine anderen Risikofaktoren. Der Zahn war auffällig und kariös, er erklärte das Schmerzbild - und durfte daher einfach entfernt werden; die Hinzuziehung eines MKG-Chirurgen war bei einem solch einfach gelagerten Fall nicht erforderlich. Wegen der unkomplizierten Ausgangslage, waren keine neuen OPG-Aufnahmen notwendig. Die alten Aufnahmen waren ausreichend aussagekräftig, um die Lage zu beurteilen.

Konkrete Handlungsanweisungen sind bei einfachen Eingriffen nicht notwendig.

Zudem urteilte das Gericht, dass eine explizite Sicherungsaufklärung nicht bei jedem Eingriff notwendig sei. Bei einer nicht risikobehafteten Extraktion und wenn keine Vorerkrankungen wie Entzündungen im Kopf-Hals-Bereich vorliegen, müssen dem Patienten nicht gesonderte konkrete Handlungsanweisungen gegeben werden. Es reicht, dass dem Patienten ein allgemeines Bild von der Schwere und der Richtung des konkreten Risikospektrums vermittelt wird. Der Patient wird regelmäßig zur Kontrolle einbestellt und in diesem Rahmen kann der behandelnde Zahnarzt gegebenenfalls eingreifen und nachjustieren. Vollkommen ungewöhnliche Krankheitsverläufe müssen vom Zahnarzt daher nicht einkalkuliert werden.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Zur Abgrenzung zwischen Zahnarzt und Zahntechniker

Sitzt, passt, wackelt und hat Luft

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main äußerte sich in seinem Urteil vom 18.1.2019 zu der Abgrenzung zwischen der Tätigkeit eines Zahnarztes und der eines Zahntechnikers.

Geklagt hatte ein Patient nicht etwa gegen seinen Zahnarzt, sondern gegen den Zahntechniker, der die Prothese hergestellt hatte. Von diesem Zahntechniker begehrte er Schadensersatz für dase Beschleifen der Prothese.

Im Zusammenhang mit der Schadensersatzforderung prüfte das Gericht, ob der Zahntechniker gegen das Zahnheilkundegesetz (ZHG) verstoßen hat, indem er Tätigkeiten eines Zahnarztes übernahm, ohne eine Approbation oder Erlaubnis besessen zu haben oder aus anderen Gründen zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt zu sein.

Nach dem ZHG ist die Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige und auf der zahnärztlichen Wissenschaft basierende Feststellung und Behandlung von Krankheiten im Zahn-, Mund und Kieferraum. Diese Definition der Zahnheilkunde soll Patienten schützen, indem die Zahnheilkunde nur von dazu berechtigten und vor allem auch befähigten Personen ausgeübt werden kann.

Nach dem ZHG gilt grundsätzlich der Arztvorbehalt, das heißt, der Behandelnde ist prinzipiell zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Allerdings fällt auch nicht jede Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Heilung von Zahnkrankheiten steht, unter die Erfordernisse des ZHG. Für die Einordnung ist zu beachten, ob die Tätigkeit direkt am Körper des Patienten vorgenommen wird oder ob sie mit der unmittelbaren Absicht der Diagnose oder Behandlung erfolgt. Dabei muss auch das Gefahrenpotential beachtet werden - je potentiell gefährlicher eine Maßnahme für den Patienten ist, desto strengere Maßstäbe werden angelegt und desto eher muss die Tätigkeit von einem Zahnarzt ausgeführt werden.

Bei der Eingliederung von Zahnersatz und damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen müssen also die Risiken der ausgeführten Tätigkeit kritisch betrachtet werden. Eine Ausübung der Zahnheilkunde liegt nach dem OLG Frankfurt dann vor, wenn zahnmedizinische Kenntnisse erforderlich sind und gesundheitliche Schädigungen durch die Art oder Methode der Behandlung, die Tätigkeit selbst oder auch nur die Behandlungsaufnahme verursacht werden können.

Keine Zahnheilkunde liegt nach dem OLG dagegen vor, wenn Behandlungsapparturen aufgrund eines Abdrucks oder Kiefermodells hergestellt oder eingeschliffen werden, wenn Gebiss- und Zahnbefunde gefertigt oder wenn Behandlungvorschläge unterbreitet werden. Sogar eine Sichtkontrolle des Prothesensitzes durch den Zahntechniker soll keine Tätigkeit der Zahnheilkunde sein, da hieraus kein hohes Gefährdungspotential erwachse.

Fazit: In der Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker sind die jeweiligen Aufgabenbereiche sauber abzugrenzen, um eine Haftung zu vermeiden. Der Behandlungsvertrag wird nur zwischen Patient und Zahnarzt geschlossen - überschreitet ein Zahntechniker im Rahmen der Behandlung und mit Duldung des Zahnarztes seine Kompetenzen, so kann daraus auch eine Haftung des Zahnarztes erwachsen.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin 

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Bedenkzeit bei der Einwilligung

„Ja“ heißt nicht immer „Ja“.

Das Landgericht Köln entschied am 18.1.2019 über die Anforderungen an eine gültige Einwilligung. Bei einer Patientin wurde eine Oberschenkelhalsfraktur diagnostiziert, die operativ versorgt werden sollte. Die Klägerin wurde daher präoperativ über den Eingriff aufgeklärt und unterzeichnete den Einwilligungsbogen. Dabei aber äußerte sie Zweifel an der Indikation, der Notwendigkeit der Operation und der Qualifikation der Ärzte. Die Klägerin empfand sich im Nachhinein als zur Operation gedrängt und hätte eine konservative Behandlung bevorzugt. Auf Grund dessen verlangte sie von den Ärzten Schmerzensgeld. Das Landgericht gab ihr Recht.

Es wird nicht gerne gehört und ist dennoch wahr, dass jeder ärztliche Eingriff eine Körperverletzung ist; wird bei einem Eingriff mit Skalpellen, Scheren o.ä. gearbeitet, handelt es sich sogar um eine gefährliche Körperverletzung. Abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz kann für eine Körperverletzung auch Schadensersatz und Schmerzensgeld gefordert werden. Daher ist die Einwilligung des Patienten in die ärztliche Behandlung von höchster Relevanz, da so die Körperverletzung gerechtfertigt wird. Die Einwilligung muss dabei selbstbestimmt erfolgen - der Patient soll die empfohlene Behandlung verstehen und sich eine eigene Meinung bilden.

Das Landgericht urteilte, eine wirksame Einwilligung erfordere eine so rechtzeitige Aufklärung, dass der Patient „wohlüberlegen“ kann. Bei einem operativen Eingriff soll die Aufklärung einen Tag vorher erfolgen. Das ist zwar bei dringenden Eingriffen nicht durchführbar - im Rahmen des medizinisch Vertretbaren hat die Aufklärung aber so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient überlegen und eventuell weitere Informationen einholen kann.

Wenn ein Patient unmittelbar nach der Aufklärung den Einwilligungsbogen unterschreibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er richtig überlegen konnte. Patienten müssen den in der Regel unbekannten und schwer verständlichen Sachverhalt erst einmal einordnen. Aus diesem Grund gilt eine Unterschrift ohne Bedenkzeit nur „unter Vorbehalt“. Der Patient darf im Anschluss Informationen einholen, die Vor- und Nachteile des Eingriffs abwägen und sich gegebenenfalls anders entscheiden.

Es liegt dabei nicht am Patienten, den Arzt davon in Kenntnis zu setzen, dass er sich anders entschieden hat! Dem Patienten ist es nicht zuzumuten, dem Arzt damit indirekt den Vorwurf zu machen, dass dieser ihn „überrumpelt“ habe. Zudem wird der Patient auch befürchten, Umstände zu machen, da der Arzt sich bereits zeitlich und organisatorisch auf den Eingriff eingestellt hat.

Daher muss der Arzt sich vergewissern, dass der Patient den Eingriff noch immer will. Das gilt allerdings nur für den Fall, dass die Einwilligung unmittelbar nach der Aufklärung erfolgte - hatte der Patient bereits Bedenkzeit und entscheidet sich dann wieder um, muss er selbst den Arzt über die Änderung informieren. Denn nur im ersteren Fall liegt die Verantwortung für den Meinungswechsel beim Arzt, der dem Patienten Bedenkzeit hätte geben sollen.

Der Arzt kann sich auch nicht darauf stützen, dass die Ablehnung eines Eingriffs widersinnig oder schädlich wäre und daher vernünftigerweise nur eine Entscheidung für den Patienten in Frage komme. Denn Patienten dürfen auch medizinisch unvernünftige Entscheidungen treffen.

Fazit: Wenn einem Patienten zwischen Aufklärung und Einwilligung keine Bedenkzeit eingeräumt wird, so kann der Behandler sich nicht darauf verlassen, dass die Einwilligung wirksam ist. Er muss sich vor dem Eingriff nochmals versichern, dass der Patient nach wie vor einverstanden ist. Sonst drohen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Datenschutzrecht

Videoüberwachung in der Praxis

Das Bundesverwaltungsgericht urteilte am 27.3.2019 zur Videoüberwachung in der (Zahn-)Arztpraxis.

Geklagt hatte eine Zahnärztin. Ihre Praxis ist durch die offene Eingangstür frei zugänglich, der Empfangstresen ist nicht besetzt. Darum ließ sie den Eingangsbereich der Praxis, die Flure und das Wartezimmer mit einem sogenannten Kamera-Monitor-System überwachen. Diese Kamera überträgt Bilder in Echtzeit auf Monitore in den Behandlungsraum, eine Speicherung der Bilder erfolgt dabei nicht.

Diese Überwachung befand der Landesdatenschutzbeauftragte als nicht datenschutzkonform. Er verlangte von der Zahnärztin eine solche Ausrichtung der Kameras, dass der für die Öffentlichkeit frei zugängliche Bereich nicht mehr aufgenommen wird. Dagegen klagte die Zahnärztin.

Anzumerken ist zu diesem Verfahren, dass das BVerwG noch nicht die heißdiskutierte Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anwandte, da die Entscheidung der Zahnärztin, Kameras einzusetzen, vor dem Inkrafttreten der DSGVO fiel. Allerdings sind die Uberlegungen des BVerwG auch auf die DSGVO ohne Weiteres übertragbar .

Das BVerwG entschied den Fall nämlich aufgrund einer Interessenabwägung . Eine Kameraüberwachung ist ein Eingriff in die Datenschutzrechte der Patienten und Praxisbesucher. Ein solcher Eingriff ist daher nur erlaubt, wenn die Zahnärztin ein „schutzwürdiges Interesse" an der Überwachung hat - also ein Interesse, das von der Rechtsordnung anerkannt ist und auch tatsächlich vorliegt.

Um ein solches Interesse nachzuweisen, müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden. Die Zahnärztin verwies pauschal auf den Schutz vor Straftaten, die Überwachung bzw. Nachsorge behandelter Patienten im Wartezimmer und höhere Kosten ohne eine Videoüberwachung .

Solch ein pauschaler Vortrag ist aber nicht ausreichend! Das BVerwG sah die Behauptungen nicht belegt und daher auch kein Bedürfnis zur Übe rwachung. Zur Untermauerung ihrer Entscheidung hätte die Ärztin eventuell vortragen können, dass in ihrer Praxis bereits Straftaten begangen wurden und sie daher erhöhter Vorsichtsmaßnahmen bedürfe oder dass eine Besetzung des Empfangstresens aus wirtschaftlichen oder tatsächlichen Gründen (vorübergehend) unmöglich sei. Mit diesen Gründen hätte sich das BVerwG dann explizit auseinandersetzen können, um das Interesse der Ärztin gegen das Interesse des Patienten, nicht beobachtet zu werden, abzuwägen.

Fazit: Eine Videoüberwachung des Empfangsbereichs könnte eine kostengünstige und einfache Möglichkeit zur Erhöhung der Praxissicherheit sein. Sie darf aber nicht unüberlegt gewählt werden - es müssen konkrete Bedürfnisse vorliegen. Auch Patienten sind sensibilisiert für Datenschutz­ Verstöße. Sprechen Sie daher unbedingt mit Ihrem Anwalt.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fehlende Gleichwertigkeit des außerhalb der EU erworbenen Ausbildungsnachweises

Keine Approbation trotz Medizinstudiums

Am 17.09.2018 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Trier über die Klage eines ukrainischen Arztes, dem in Deutschland die Approbation nicht erteilt wurde.

Der Kläger studierte in der Ukraine Medizin und arbeitete bis 2013 als ukrainischer „Facharzt für Pädiatrie“, „Facharzt für Allgemeinmedizin und Grundversorgung“ und „Facharzt für Innere Medizin“. Seit 2014 ist er als Assistenzarzt für Innere Medizin in einem deutschen Krankenhaus beschäftigt. 2015 dann begehrte er seine Approbation als Arzt in Deutschland. Die Ärztekammer lehnte dies aber ab, da die ukrainische Ausbildung nicht gleichwertig zu der deutschen sei.

Auch das VG Trier ist der Ansicht, dass die Ausbildung in der Ukraine den Arzt nicht zu einer deutschen Approbation berechtigt. In § 3 Absatz 3 Satz 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) ist geregelt, dass Ärzte aus Drittstaaten nur dann eine Approbation erhalten, wenn der Ausbildungsstand im Drittstaat dem in Deutschland entspricht. Die für die Ausbildung wesentlichen Fächer müssen im Ausland in ähnlicher Intensität vermittelt worden sein.

Zum Nachweis muss der ausländische Arzt Unterlagen vorlegen, aus denen sich ergibt, welcher Stoff in seiner Ausbildung vorkam. Der ukrainische Arzt hatte nur ein Curriculum vorgelegt, das den konkreten Lehrinhalt nicht erkennen ließ. Das Gericht konnte daher nicht nachprüfen, ob wesentliche Fächer wie Biochemie auch Teil der Ausbildung in der Ukraine waren. Dabei ergibt sich zum Einen aus der Approbationsordnung, welche Fächer wesentlich für die ärztliche Ausbildung sind. Zum anderen zeigt sich die Wesentlichkeit daran, ob das Fehlen eines Fachs ernsthafte Gefahren für die Patientengesundheit befürchten ließe, weil eine allgemeinmedizinische Versorgung und das Verständnis von Krankheiten ohne es nicht möglich wären.

Zudem wies der Arzt nicht nach, dass er Querschnittsbereiche belegt hatte. Diesen Bereichen kommt eine wesentliche Bedeutung zu, da sie auch aktuelle medizinische Herausforderungen,

z.B. Altersmedizin und die demographische Entwicklung, und spezifisch deutsche Anforderungen,

z.B. das öffentliche Gesundheitswesen, widerspiegeln.

Der Kläger hat auch nicht durch seine berufliche Tätigkeit Kenntnisse erlangt, die ihm in der Ukraine nicht vermittelt wurden. Eine Tätigkeit in Deutschland über eine gewisse Zeitspanne allein reicht dafür nicht aus. Fächer, in denen noch kein Wissen besteht, müssen auch tatsächlich vermittelt werden - nachgewiesen durch Bescheinigungen und Zeugnisse, die z.B. im Rahmen der Assistenzarzttätigkeit erteilt werden. Aus rein kursorischen Bescheinigungen kann nicht geschlossen werden, dass der ukrainische Arzt auch wirklich seine Defizite ausgleichen konnte.

Im Ergebnis stellt das VG fest, dass die Arztausbildung in der Ukraine eben nicht gleichwertig zu der in Deutschland ist. Vor allem bei EU-Mitgliedsstaaten reicht bei wesentlichen Unterschieden eine Prüfung in den betreffenden Fächern. Das ist bei der Ukraine anders - hier muss eine Prüfung abgelegt werden, die sich auf den vollständigen Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Werbung mit GOÄ-Preisen

Festpreis nach GOÄ

Das Landgericht Düsseldorf beschäftigte sich in seinem Urteil vom 12.12.2018 mit der Werbung eines Arztes mit Festpreisen.

Der Arzt hatte auf seiner Homepage für Unterspritzungen geworben, die nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) abgerechnet werden. Dabei listete der Arzt auf seiner Website verschiedene Informationen zu dem Eingriff auf, etwa „Eingriffsauer: 20 min“. Als letzten Punkt schrieb er „Kosten nach GOÄ: - 395 €“. Wegen dieser Angaben wurde er von einem Verein gegen unlauteren Wettbewerb verklagt, der hierin einen Verstoß gegen § 5 GOÄ sah.

§ 5 GOÄ legt die Bemessung von Gebühren für ärztlichen Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis fest. Danach wird eine Gebühr nach dem 1,0 bis 3,5- fachen des Gebührensatzes bemessen. Den konkreten Steigerungsfaktor muss der Arzt in jedem Fall nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und den Umständen der Behandlung individuell bestimmen. Die Angabe eines Festpreises für GOÄ-Leistungen ist daher nicht möglich, da die Bepreisung der Leistung erst nach dem ersten Patientenkontakt erfolgen kann.

Der beklagte Arzt sah allerdings keinen Verstoß gegen das Verbot der Angabe von Festpreisen. Indem er schrieb „Kosten nach GOÄ: - 395 €“, sei erkennbar, dass es sich hierbei nur um eine ungefähre Preisangabe handle. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass bei den angebotenen Leistungen der Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad in der Regel ähnlich sei, so dass die Preise ohnehin nicht stark variieren würden.

Das Gericht folgte dieser Auffassung nicht. Es sah in der Preisangabe einen Festpreis, der die individuelle Behandlungssituation nicht ausreichend berücksichtigte. Auch wenn bei Unterspritzungen ein „Durchschnittspatient“ häufiger vorzufinden sei, dürfe sich daran nicht die Preisfindung für die ärztliche Behandlung orientieren. Der Arzt kann nicht einfach eine Preisangabe machen, sondern muss sich erst den Patienten anschauen, um dessen Besonderheiten einbeziehen zu können.

Ein Patient, der die Website zur Information nutzt, wird aus dem Zusammenspiel von konkreter Behandlungsdauer und konkretem Preis schließen, dass es sich um einen Routineeingriff zu einem Festpreis handelt. Das Gericht verglich diese Art der Werbung für eine ärztliche Behandlung mit der Preisangabe für eine Maniküre. Dem Verbraucher ohne Kenntnis der GOÄ erschließe sich nicht, warum diese Preisangabe keinen Festpreis darstellen sollte. Außerdem sah das Gericht in den Angaben des Arztes, dass die Patienten in der Regel den gleichen Aufwand benötigten, das Eingeständnis, dass der Arzt tatsächlich keine individuellen Preise festlege, sondern stets nach Festpreis abrechne. Auch das „-„ Zeichen sei nicht als „ungefähr“-Zeichen erkennbar, sondern, wenn überhaupt, als Zeichen der Rundung des Preises auf einen vollen Betrag.

Die Werbung beeinträchtig außerdem andere ärztliche Mitbewerber. Der Verbraucher erkennt durch diese Art der Werbung nämlich nicht, dass die Abrechnung ärztlicher Behandlungen nach GOÄ immer nach Ermessen erfolgen muss. Andere Ärzten, die korrekterweise keine Fixpreisangaben machen, werden somit im Wettbewerb benachteiligt.

Fazit: Das Verbot der Festpreisangabe für Leistungen, die nach GOÄ oder GOZ abgerechnet werden, darf nicht dadurch umgangen werden, dass die Gebühren mit durchschnittlichem Steigerungsfaktor angegeben werden. Der durchschnittliche Verbraucher kennt sich nicht mit den Abrechnungsmodalitäten für (zahn-)ärztliche Behandlungen aus!

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht zur Kündigung wegen Wiederheirat

Bis dass der Tod Euch scheidet … ?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) beendete mit Urteil vom 20.02.2019 (vorerst) einen langjährigen Rechtsstreit.

Parteien waren ein katholisches Krankenhaus und ein dort ehemals beschäftigter katholischer Chefarzt. Der zwischen Krankenhaus und Arzt geschlossene Arbeitsvertrag bezog auch die

„Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (GrO) ein. Durch diese GrO wird der Arbeitnehmer verpflichtet, sich bei seiner Arbeitstätigkeit, und auch bei seiner allgemeinen Lebensgestaltung an der Glaubenslehre der katholischen Kirche auszurichten.

Der Chefarzt aber ließ sich scheiden und heiratete in zweiter Ehe standesamtlich. Da die Ehe ein Sakrament und unverbrüchlich ist, ist eine Eheschließung nach Scheidung in der katholischen Kirche verpönt. Das Krankenhaus sah in der Wiederheirat die Verletzung der GrO und einer Loyalitätspflicht des Arztes und kündigte ihn ordentlich.

Der Fall ging durch alle Instanzen und war auch schon beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das BVerfG hielt an dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht fest und verwies den Fall an das BAG zurück, dass den Rechtsstreit in diesem Sinne entscheiden sollte. Das BAG aber hielt die Klärung der Frage, wie weit das Recht der Kirchen zur Regelung ihrer eigenen Arbeitsverhältnisse geht, für so wichtig, dass es die Vorgaben des BVerfG zunächst beiseite schob und den Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorlegte. Eine solche Vorlage dient vor allem der unionsweiten ähnlichen Regelung von bestimmten Fragestellungen.

Der EuGH entschied sodann konträr zum BVerfG, dass die Kirchen zwar loyales Verhalten von ihren Arbeitnehmern fordern können. Das allerdings nur so weit, wie es die Ausübung des konkreten Berufs erfordert.

Diese Argumentation übernahm das BAG. Und es entschied, dass die erneute Heirat eines Arztes keine Auswirkungen auf seine medizinische Eignung hat und der Arztberuf keine Anforderungen an das Ehelebens eines Arztes stellt. Zudem sah das BAG eine Diskriminierung des katholischen Chefarztes wegen seiner Religion, da bei nicht-katholischen Mitarbeitern in gleicher Stellung eine Wiederheirat nicht arbeitsrechtlich geahndet wurde. Eine Diskriminierung wegen der Religion aber ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten.

Die Kirche darf im Ergebnis nicht all ihre Grundregeln auch Arbeitsverhältnissen zugrundelegen, sondern muss zwischen ihrem Selbstverständnis und dem Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens abwägen. Zwar haben die Kirchen bereits im Jahr 2015 ihre GrO so liberalisiert, dass etwa Ehebruch oder die Eintragung einer Lebenspartnerschaft nicht mehr zwangsläufig zur Kündigung führen - dennoch bleiben sie auch weiterhin arbeitsrechtliche Verfehlungen. Diese Regelung dürfte nach der EuGH-Rechtsprechung demnächst schwerer durchsetzbar sein, da die Gerichte fortan stärker prüfen dürften.

Und warum ist der Rechtsstreit bisher nur vorläufig beendet? Weil die Kirche theoretisch nochmals das BVerfG anrufen könnte - und dann könnte es spannend werden! Denn auch wenn das BVerfG eigentlich um ein Kooperationsverhältnis zum EuGH bemüht ist: In die Suppe spucken lässt es sich nur ungern.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Verzugspauschale für Arbeitnehmer

Neuentscheidung zur Verzugspauschale

Bereits im Januar 2017 berichteten wir über eine Entscheidung des LAG (Landesarbeitsgericht) Köln zur Zahlung von Verzugspauschalen in Höhe von 40,00 € bei verspäteter Zahlung des Arbeitslohns. Das LAG war der Ansicht, dass die Pauschale dazu diene, die Zahlungsmoral der Arbeitgeber zu verbessern. Es entschied somit, dass ein Arbeitnehmer der seinen Lohn erst nach dem vereinbarten Zeitpunkt erhält, einen Anspruch auf die Zahlung der Pauschale habe.

Dem stellte sich das BAG (Bundesarbeitsgericht) mit seinem Revisionsurteil am 25.09.2018 entgegen. Es urteilte, dass Arbeitnehmer bei verspäteter Lohnzahlung keinen Anspruch auf die Pauschale von 40,00 € haben.

Die Verzugspauschale ist in § 288 Abs. 5 BGB geregelt. Eine Anspruch auf diese Pauschale hat derjenige (Gläubiger), der eine Entgeltforderung gegen einen anderen (Schuldner) hat und dem die Forderung nicht zur vereinbarten Zeit beglichen wurde. Die Pauschale soll die Kosten abdecken, die bei der Beitreibung des geschuldeten Betrags entstehen könnten. Sie dient mehreren gleichrangigen Zielen: Zum einen stellt die Pauschalierung eine Vereinfachung für den Gläubiger dar, dem es auf diese Weise erspart wird, die tatsächliche Höhe seines Schadens aufwändig nachzuweisen. Zum anderen soll sie einen zusätzlichen Anreiz für den Schuldner schaffn, seine Schulden in der Zukunft rechtzeitig zu zahlen. Als positiven Nebeneffkt beschleunigt die Pauschale auch den Ablauf des Verfahrens bei Gericht.

All diese Zwecke lassen sich eigentlich auch auf Arbeitsverhältnisse übertragen. Allerdings gibt es für das arbeitsgerichtliche Verfahren eine Sondervorschrift in § 12a Abs. 1 S. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Diese Vorschrift besagt, dass im Arbeitsgerichtsverfahren jede Partei selbst die Kosten trägt, die bei der Rechtsverfolgung entstanden sind, also z.B. die Kosten für einen Rechtsanwalt.

Dem liegen die folgenden Überlegungen zugrunde:

Der Arbeitnehmer soll nicht mit dem Risiko belastet werden, die Kosten seines Arbeitgebers tragen zu müssen. Da der Arbeitnehmer in der Regel dem Arbeitgeber gegenüber wirtschaftlich unterlegen sein wird, könnte er durch diese Kosten von Klagen abgehalten werden. Für den Arbeitnehmer sollen die Kosten eines Verfahrens daher überschaubar gehalten werden. Allerdings muss diese Regelung aus Gründen der Gerechtigkeit dann auch für den Arbeitgeber gelten, der ebenfalls nicht die Kosten des Arbeitnehmers übernehmen muss.

Somit ist die Verzugspauschale, die eben diese Beitreibungskosten abdecken soll, auf Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar. Da § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG in seiner Grundtendenz den Arbeitnehmer schützt, entschied das BAG, dass es auch hinzunehmen sei, wenn in diesem Fall einmal der Arbeitnehmer durch die Vorschrift benachteiligt würde.

Fazit: Eine verspätete Lohnzahlung sollte selbstverständlich nicht die Regel sein. Kommt es aber doch einmal vor, dass der Lohn zu spät gezahlt wurde, so hat der Arbeitnehmer nach dem Urteil des BAG keinen Anspruch mehr auf die Verzugspauschale in Höhe von 40,00 €.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen

Turn the radio on!

Darf ich in meinem Wartezimmer Musik abspielen? Hierzu entschied der BGH (Bundesgerichtshof) im Jahr 2015 basierend auf einem Urteil des EuGH (Europäischer Gerichtshof).

In einem Fall, der stellvertretend für viele Zahnarztpraxen stand, klagte die GEMA gegen einen Zahnarzt mit eigener Praxis. Der Zahnarzt spielte in seinem Wartezimmer Radiomusik ab. Dazu hatte er ursprünglich mit der GEMA einen Lizenzvertrag geschlossen, der ihn zur Nutzung von deren Repertoire berechtigte. Nach einer Entscheidung des EuGH aber kündigte er diesen Lizenzvertrag, da er keinen Grund mehr für die Zahlung von Lizenzgebühren sah. Die GEMA nahm diese Kündigung nicht hin und verlangte auch weiterhin die Lizenzgebühren. Der BGH bestätigte jedoch in seinem Urteil die Bedeutung des EuGH-Urteils in Deutschland.

Wiedergabe zu Erwerbszwecken

Eine Lizenz muss für die öffentliche Wiedergabe von Musik gezahlt werden. Das ergibt sich aus dem Anspruch der Künstler und Produzenten auf eine angemessene Vergütung und ist im Urhebergesetz (UrhG) geregelt. Die Rechtsprechung vor dem besagten Urteil des EuGH ging davon aus, dass die Beschallung von Wartezimmern eine solche öffentliche Wiedergabe darstelle.

Warum zählt die Ansicht des EuGH?

Die Rechte der Urheber und Künstler wurden in der EU durch eine Richtlinie geregelt. Das dient dazu, dass Künstler auch länderübergreifend ihre Rechte durchsetzen können. Die europäische Richtlinie wurde zwar im deutschen Urhebergesetz umgesetzt - dennoch setzt bei Streitigkeiten über den Regelungsbereich der Richtlinie die Rechtsprechung des EuGH unionsweit Maßstäbe. Nur so kann die einheitliche Anwendung der Richtlinie gesichert werden.

Wiedergabe von Musik in der Zahnarztpraxis

Eine Zahlungspflicht bei der Wiedergabe von Musik wird an verschiedene Merkmale geknüpft, die einander beeinflussen. Für den Fall der Zahnarztpraxen stellte der EuGH aber fest, dass letztendlich kein Merkmal in Gänze vorlag:

Musik wird öffentlich wiedergegeben, wenn sie mehrere Personen der Öffentlichkeit hören sollen. Personen gehören zur Öffentlichkeit, sobald sie den Abspielenden nicht persönlich kennen - eine Wiedergabe beim Dinner unter Freunden ist somit nicht-öffentlich. Eine Arzt-Patienten-Beziehung aber begründet noch keine persönliche Verbundenheit, so dass auch Patienten in genügender Anzahl die

„Öffentlichkeit“ darstellen könnten. Der EuGH aber stellte fest, dass es sich bei der Anzahl von Patienten im Wartezimmer in der Regel nicht um so viele Personen handelt, dass man von einer

„Öffentlichkeit“ sprechen könnte. Die Anzahl der Wartenden ist meist begrenzt und durch einen stetigen Wechsel gekennzeichnet.

Ein weiteres Merkmal ist, dass der Praxisinhaber der Öffentlichkeit Zugang zu Musik verschaffen möchte. Zwar spielt der Arzt eine Radiosendung, um seinen Patienten die Wartezeit zu verkürzen. Die Patienten nehmen die Radiosendung aber nur „nebenbei“ wahr - eine solche beiläufige und umfokussierte Aufnahme aber löst nach Ansicht des EuGH noch nicht unbedingt eine Lizenzpflicht aus.

Als letztes muss nach dem EuGH die Wiedergabe der Radiosendung auch einem Erwerbszweck dienen. Schon die vorigen Merkmale betrachtete der EuGH kritisch - hier aber wies er eine Lizenzpflicht von (Zahn)Ärzten vollständig zurück. Ein Arzt könne nicht erwarten, dass wegen einer Radiosendung in seinem Wartezimmer mehr Patienten zu ihm kämen oder diese sogar bereit wären höhere Preise für Wuschbehandlungen zu zahlen.

Fazit: Ein (Zahn-)Arzt muss nicht für das Abspielen von Musik in seinem Wartezimmer zahlen und auch keinen Ärger mit der GEMA befürchten! Anders sieht es allerdings aus, wenn etwa Musik auf der Homepage verwendet wird.

 

Joachim K.Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

MVZ im Wohngebiet

Ruhe bitte!

Das OVG Magdeburg entschied mit Beschluss vom 10.10.2018 über die Erweiterung eines Medizinischen Versorgungszentrums der Augenheilkunde (MVZ).

Das MVZ verfügt über mehrere Praxisräume, ein Laserzentrum und Räume zur Linsenanpassung. Es beschäftigt mehrere Fachärzte und Ärzte in Weiterbildung. Pro Tag werden 100 - 150 Patienten rein ambulant behandelt. Das MVZ beantragte eine Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung seiner Praxis.

Der Gebietserhaltungsanspruch

Die Genehmigung wurde erteilt - allerdings wehrten sich dagegen die Nachbarn vor Gericht. Dazu hatten sie auch ein Recht. Das Baurecht unterteilt eine Stadt in Gebiete mit unterschiedlichen Prägungen. Ist ein Stadtgebiet durch eine bestimmte Art von Bebauung so stark charakterisiert, dass es eine eindeutige Prägung hat, so dürfen auch die Anwohner dieses Gebiets die Erhaltung dieser besonderen Prägung gerichtlich geltend machen (Gebietserhaltungsanspruch). Die Nachbarn des MVZ brachten daher vor Gericht vor, dass durch den Aus- und Umbau die Nachbarschaft ihre Prägung als Wohngebiet verliere.

Der Charakter eines Gebiets

Dem stimmte das Gericht zu. Um die Prägung eines Gebiets zu bestimmen, gibt es keine schematische Methode. Vielmehr wird in jedem Einzelfall die Umgebung des Bauprojekts, hier also des MVZ, betrachtet. Auf diese Weise wird bestimmt, ob es eine einheitliche Bebauung und Nutzung der Umgebung gibt. Das Gericht bestimmte als Umgebung des MVZ vor allem den Bereich, in dem sich der gesteigerte An- und Abverkehr der Patienten auswirken würde. Es stellte dabei fest, dass das MVZ sich in einem Wohngebiet befindet. Dabei wird bei der Charakterisierung eines Gebiets nur die wesentliche Bebauung einbezogen. Nicht jede Bebauung wirkt sich aus - etwa weil sie zu unbedeutend ist oder vollständig aus dem Rahmen fällt. Aus diesem Grund änderte auch das bereits bestehende MVZ nicht die Einordnung als Wohngebiet.

Was darf man im Wohngebiet?

Nachdem das OVG somit das Gebiet rund um das MVZ als Wohngebiet identifiziert hatte, war der nächste Schritt die Baugenehmigung des MVZ aufzuheben. Ein Wohngebiet dient vorwiegend dem Wohnen, so dass die Wohnnutzung vorherrschend sein muss. In einem Wohngebiet dürfen daher andere Nutzungen nur zugelassen werden, wenn sie mit der Wohnnutzung oder der Versorgung der Bevölkerung vereinbar sind. Ein MVZ in der angestrebten Größe und mit dem damit einhergehenden Verkehr ist nicht mit der Wohnruhe zu vereinbaren. Auch kann nicht von der vorwiegenden medizinischen Versorgung der Nachbarschaft ausgegangen werden, wenn an einem Tag 100 - 150 Patienten behandelt werden.

Zwar dürfen Arztpraxen grundsätzlich auch in Wohngebieten angesiedelt sein - allerdings muss sich ihre Größe auf „Räume" eines Hauses beschränken, d.h. auf Teile eines Gebäudes, die einer Wohneinheit  entsprechen. Ansonsten geht der Charakter eines Wohngebäudes verloren. Das MVZ überschreitet diese Größe.

Das MVZ verwies als Gegenargument auf Krankenhäuser, die ebenfalls in Wohngebieten gebaut werden dürfen. Hier allerdings stellte das OVG fest, dass Krankenhauspatienten die in Wohngebieten vorhandene Ruhe benötigen und durch den längeren Verbleib weniger Verkehr anfällt. Zudem kämen Krankenhäuser nur singulär vor, während Arztpraxen häufiger sind.

Fazit: Bei der Gründung eines MVZ sind viele Dinge zu beachten - der Standort gehört dazu. Bitte sprechen Sie rechtzeitig mit Ihrem Anwalt.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Die Approbation eines kranken Arztes

Krank, aber stabil

Das Verwaltungsgericht (VG) München entschied über die Approbation eines psychisch kranken Arztes. Dieser sei, sofern die Stabilität seines psychischen Zustands durch Medikation und Behandlung sichergestellt wird, gesundheitlich für den Arztberuf geeignet.

Die Approbation des Arztes wurde zunächst widerrufen, da ein Gutachten prognostizierte, dass der Arzt aufgrund seiner Erkrankung dauerhaft für den ärztlichen Beruf ungeeignet sei.

Nachträglich wurde das Gutachten dahingehend verändert, dass eine Wiederherstellung der Fähigkeit zur ärztlichen Tätigkeit denkbar sei. Als Folge wurde der Widerruf der Approbation aufgehoben und stattdessen das Ruhen der Approbation angeordnet.

Der Arzt klagte somit gegen das „Ruhen“ und legte ein Gutachten vor, das erwies, dass er weiterhin an einer schizoaffktiven Störung litt. Diese Störung sei aber durch kontinuierliche Medikation so gut im Griff, dass ein Rezidiv unwahrscheinlich sei. Zwar ist eine erneute Krankheitsphase nicht auszuschließen, diese sei aber mit entsprechender Medikation zu bewältigen, sofern regelmäßige psychiatrische Kontrolluntersuchungen stattfinden. Der Arzt war somit der Ansicht, dass er wieder für den Arztberuf geeignet sei.

Die zuständige Behörde sah dies anders. Der Arzt sei nicht uneingeschränkt zur Berufsausübung fähig. Dies gefährde das Patientenwohl. Eine Approbation unter Auflagen sei nicht möglich.

Widerruf oder Ruhen der Approbation

Das Schicksal der Approbation richtet sich nach der Bundesärzteordnung. Die Approbation kann widerrufen werden, wenn der Arzt sich nach ihrer Erteilung als unzuverlässig oder unwürdig für die Ausübung des Arztberufes erweist. Unter „Unzuverlässigkeit“ fallen auch Erkrankungen, die so schwerwiegend und von Dauer sind, dass ein Ruhen der Approbation nicht ausreicht.

Das Ruhen der Approbation wird angeordnet, wenn noch unklar ist, ob ein Arzt unwürdig oder ungeeignet zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist oder wenn diese Unwürdigkeit oder Ungeeignetheit vorübergehender Natur sein könnte. Die Bundesärzteordnung sieht vor, dass eine Krankheit des Arztes Auswirkungen auf seine Approbation haben kann, da der Arzt neben seiner fachlichen Kompetenz auch psychisch und physisch in der Lage sein muss, die ärztlichen Aufgaben zu erfüllen, ohne das Patientenwohl zu gefährden.

Im vorliegenden Fall ordnete die zuständige Behörde nur das Ruhen der Approbation an. Das „Ruhen“ muss bei Nachweis der Gesundung rückgängig gemacht werden.

Reicht „Gesundheit unter bestimmten Voraussetzungen“?

Im vorliegenden Fall ist der Arzt nicht geheilt. Seine psychische Stabilität ist nur bei regelmäßiger Einnahme von Medikamenten und bei Fortführung der ambulanten psychiatrischen Betreuung sichergestellt.

Dies genügte dem VG aber. Das Ruhen der Approbation durfte nicht weiterhin auf die psychische Erkrankung gestützt werden. Das VG verglich die stabile Lage des psychisch Kranken mit jeder anderen chronischen Erkrankung, die nur bei Beibehaltung einer speziellen Therapie die Wahrnehmung der ärztlichen Aufgaben erlaubt. Da sich der Arzt seit nunmehr fünfeinhalb Jahren in Remission befindet und es keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung gibt, sah das VG das Patientenwohl nicht in Gefahr. Der Arzt ist durch die Therapie selbst fähig, Warnzeichen für eine Verschlechterung seines Zustandes zu erkennen und in diesem Fall rechtzeitig gegenzusteuern.

Fazit: Krankheiten eines Arztes können sich auf die Approbation auswirken. Allerdings bedeuten selbst chronische Krankheiten nicht, dass die Approbation verloren ist. Bitte bewahren Sie Ruhe und sprechen Sie mit Ihrem Anwalt.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Die Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten in einem MVZ

Einer ist genug?

Das Sozialgericht Marburg (SG) entschied mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 31.01.2018, dass in einem MVZ auch mehrere Vorbereitungsassistenten angestellt werden dürfen.

Geklagt hatte eine GmbH mit fünf angestellten Zahnärzten, da sie neben einem bereits genehmigten Vorbereitungsassistenten einen weiteren anstellten wollte. Dieser Antrag wurde von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) abgelehnt, da nur dem ärztlichen Leiter eines MVZ ein Vorbereitungsassistent zuerkannt werde. Als Grund gab die KZV an, dass nur der Leiter mit sämtlichen vertragszahnärztlichen Belangen betraut sei und daher auch nur er Ausbildungsinhalte wie Abrechnung, Prüfverfahren und die Kommunikation mit der KZV vermitteln könne.

Die GmbH dagegen erklärte, auch ihre angestellten Zahnärzte seien fachlich zur Ausbildung fähig. Da auch in Berufsausübungsgemeinschaften, in denen ebenfalls oftmals gemeinschaftlich abgerechnet werde, jeder Vertragszahnarzt einen Vorbereitungsassistenten beschäftigen könne, müsse dies auch für MVZ gelten.

Gesetzlich geregelt ist, dass die Beschäftigung von Vorbereitungsassistenten einer vorherigen Zustimmung durch die KZV bedarf. Zu der Anzahl von Vorbereitungsassistenten in einem MVZ aber gibt es noch keine eindeutige gesetzliche Regelung.

Wandel in der Berufsausübung des Zahnarztes

Ziel der Ausbildung von Vorbereitungsassistenten war traditionell, dass der Zahnarzt die vertragszahnärztlichen Leistungen in eigener Tätigkeit in der Praxis eines niedergelassenen Vertragszahnarztes kennenlernt, ehe er selbst als Vertragszahnarzt in eigener Praxis zugelassen werden kann. Mittlerweile nehmen MVZ allerdings neben Vertragszahnärzten gleichberechtigt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Der Zahnarztberuf kann auch in Form einer Angestelltentätigkeit ausgeübt werden. Heute besteht daher keine zwingende Verknüpfung zwischen Selbständigkeit und Vorbereitungsassistenz mehr.

Das SG führte darum aus, dass die Vorbereitungszeit nicht mehr ausschließlich dazu diene, den Zahnarzt auf eine Tätigkeit in freier Niederlassung vorzubereiten. In erster Linie sollen die zahnmedizinischen Kenntnisse vertieft werden und die Tätigkeit unter den Bedingungen des Vertragszahnarztrechts erlernt werden, da Zahnärzte vor Aufnahme einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit nicht wie Ärzte eine obligatorische Weiterbildung absolvieren müssen.

Wissensvermittlung auch durch den angestellten Zahnarzt möglich

Dass der angestellte Zahnarzt seine Leistungen nicht selbst bei der KZV abrechnet und er auch nicht das wirtschaftliche Risiko der Praxis trägt, bedeutet daher nicht, dass er zur Ausbildung von Vorbereitungsassistenten nicht in der Lage wäre. Fachlich ist der angestellte Arzt ebenso geeignet wie der zugelassene Arzt und er ist ebenso wie dieser als KZV-Mitglied an deren Abrechnungsbestimmungen und Vorgaben gebunden.

Das SG sah somit keinen Grund, weshalb ein angestellter Zahnarzt nicht in der Lage sein sollte, einem Vorbereitungsassistenten die spezifisch vertragszahnärztlichen Belange im Rahmen der Vorbereitungszeit nahezubringen. Da dem zahnärztlichen Leiter im Innenverhältnis die zahnärztliche Weisungsbefugnis obliegt, muss er zwar die Ausbildung überwachen - er muss den Vorbereitungsassistenten aber nicht zwingend selbst ausbilden.

Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen, weil die Sache grundsätzlichen Charakter hat und die Entscheidung im Widerspruch zu einem Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf (S 2 KA 76/17 ER) steht.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Anforderungen an ein Arbeitszeugnis

Tackern, bitte.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschied am 9.11.2017 über die Form eines Arbeitszeugnisses.

Ein Arbeitnehmer klagte gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber. Die Parteien hatten sich in einem Vergleich geeinigt, dass der Arbeitnehmer ein Endzeugnis mit einer guten Bewertung von Leistung und Verhalten erhalten solle. Der Kläger aber war mit dem erhaltenen Zeugnis unzufrieden. Ein Kritikpunkt war der Zustand des Zeugnisses, das geknickt und geheftet war. Ein geknicktes und geheftetes Zeugnisse könne er nicht für Bewerbungen verwenden, da so in der Arbeitssprache Missachtung ausgedrückt werde. Außerdem bemängelte der Kläger das Fehlen der Dankes- und Bedauernsformel im Schlusssatz des Zeugnisses („Wir bedauern dies sehr“, „weiterhin viel Erfolg“). Der Arbeitgeber hatte lediglich „alles Gute“ gewünscht. Auch das Fehlen dieser Formeln zeige, dass der Arbeitgeber entgegen der Vereinbarung bewusst kein gutes Zeugnis erteilen wollte.

Das LAG folgte dieser Auffassung nicht. Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch seines Arbeitnehmers, wenn das von ihm erteilte Zeugnis den gesetzlichen Anforderungen in § 109 Gewerbeordnung (GewO) entspricht. Das Zeugnis muss mindestens Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Auf Verlangen muss es sich zudem auf Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers erstrecken (qualifiziertes Zeugnis). Die Zeugnissprache muss klar und verständlich, ohne versteckte Formulierungen, sein.

Knick und Heftung haben keine geheime Bedeutung

Das LAG sah in Knick und Heftung des Zeugnisses keine solche versteckte Formulierung. Ein Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass ihm sein Arbeitszeugnis in einem DIN A4 Umschlag gesendet wird. Der Arbeitgeber darf das Zeugnis sogar zweimal falten, damit er einen Geschäftsumschlag üblicher Größe nutzen kann. Es muss nur beachtet werden, dass bei der Anfertigung von Kopien nachher die Falzstellen nicht zu sehen sind.

Arbeitgeber dürfen das Zeugnis auch heften. Auf die subjektiven Vorstellungen des Klägers zu der Bedeutung von "tackern" kommt es nicht an. Es ist kein Geheimzeichen, ein Zeugnis zu tackern. Denn für die Deutung eines solchen Zeichens kommt es auf den objektiven Empfänger und nicht auf vereinzelt im Internet geäußerte Ansichten an. Es gibt keine Hinweise, dass Arbeitgeber in der Regel ein geheftetes Zeugnis so verstehen, dass der Zeugnisaussteller mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen ist.

Der Arbeitgeber formuliert das Zeugnis

Als letztes stellte das LAG fest, dass der Arbeitnehmer kein Recht auf inhaltliche Änderungen am Zeugnistext habe. Der Arbeitgeber muss das Zeugnis insgesamt wohlwollend und verständnisvoll verfassen, wie er es aber konkret gestaltet ist seine Sache. Das Zeugnis darf nur keine falschen oder unverständlichen Aussagen enthalten. Insbesondere auf die "Dankes- und Bedauernsformel“ hat der Arbeitnehmer aber keinen Anspruch. Ein solcher Schlusssatz drückt persönliche Empfindungen des Arbeitgebers aus. Der Arbeitnehmer kann daher nur ein Zeugnis ohne Schlusssatz verlangen, er kann aber nicht den Schlusssatz ergänzen oder umformulieren.

Fazit: Arbeitszeugnisse können eine heikle Angelegenheit sein. Allerdings sind die Anforderungen an Arbeitgeber nicht zu überspannen - tackern und knicken ist auch weiterhin grundsätzlich in Ordnung.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Der Approbationswiderruf und das Strafverfahren

Nicht verurteilt und doch unwürdig!

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW entschied am 3.8.2018 über die Approbation eines Arztes.

Der Arzt hatte gegen den Widerruf seiner Approbation geklagt. Gegen ihn liefen verschiedene Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung seiner Patientinnen und seiner Mitarbeiterinnen, die allerdings sämtlich eingestellt wurden. Da er somit keine strafrechtlichen Folgen zu erwarten hatte, begehrte er auch den „verwaltungsgerichtlichen Freispruch“.

Der Widerruf der Approbation kann erfolgen, wenn nachträglich die Voraussetzungen zur ihrer Erteilung wegfallen. Ein Arzt muss sich als würdig und zuverlässig erweisen, den ärztlichen Beruf auszuüben. Er soll sowohl mit Blick auf die Gesundheit des einzelnen Menschen als auch der Volksgesundheit handeln.

Daher erweist sich ein Arzt als unwürdig, wenn er ein Fehlverhalten zeigt, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit des Arztes nicht mehr zu vereinbaren ist - ein Verhalten also, das dazu führen kann, dass das Vertrauen in die ärztliche Tätigkeit erschüttert wird. Aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung, dass der Arzt nicht nur bei der konkreten Behandlung sorgfältig auftritt, sondern auch sonst seinen Beruf einwandfrei ausübt. Der Arzt soll Leiden lindern und sie nicht auslösen - daher handelt in besonderem Maße unwürdig, wer die Würde und die seelische und körperliche Integrität von Menschen missachtet.

Das OVG füllte diese hehren, aber floskelhaften Beschreibungen mit Leben: Im zu beurteilenden Fall waren die Ermittlungen gegen den Arzt aus verschiedenen Gründen eingestellt worden - weil das Verhalten zwar moralisch höchst verwerflich, aber (damals) nicht strafbewehrt war, weil keine ausreichenden Beweise vorlagen oder durch Scham erst gar keine Anzeige erstattet wurde. Im Ergebnis konnte somit kein Strafurteil gefällt werden, ein Freispruch von den Vorwürfen erfolgte aber nicht.

Im Verwaltungsverfahren gilt nicht der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Denn der Approbationswiderruf erfolgt nicht als Strafe, sondern dient der präventiven Abwehr von Gefahren durch einen unwürdigen Arzt. Das Ansehen der Ärzteschaft und das Vertrauen der Patienten in die iIntegrität der, durch den Staat dazu ermächtigten, diesen Beruf ausübenden Personen soll geschützt werden. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte müssen sich bei ihren Entscheidungen auch nicht an die staatsanwaltschaftlichen und strafgerichtlichen Ermittlungen halten, sondern können den Sachverhalt frei ermitteln und bewerten. Dabei kamen sie hier zu dem Ergebnis, dass, unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz des ärztlichen Verhaltens, der Arzt die mit dem Arztberuf verbundene besondere Vertrauensstellung ausnutzte, um sexuell übergriffig zu werden.

Fazit: Natürlich handelt es sich bei sexuellen Übergriffen um eine extreme Verletzung der ärztlichen Berufsbildes. Bei anderen (moralischen) Verfehlungen gilt jedoch ebenso der Grundsatz, dass die Approbation auch dann entzogen werden kann, wenn das Verhalten nicht die strafrechtlich relevante Schwelle überschreitet. Obwohl der Entzug der Approbation keine „Straffunktion“ hat, wiegt er für den Betroffenen unter Umständen schwerer als strafrechtliche Konsequenzen. Bei entsprechendem Anlass sollte daher rechtzeitig anwaltlicher Rat eingeholt werden.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Informationspflicht über Arztbriefe

Besser zu oft, als gar nicht

Der BGH entschied am 26.8.2018 über die Informationspflicht von (Zahn-)Ärzten über Arztbriefe. Die Beklagte war in diesem Fall die Hausärztin des Patienten. Sie hatte ihren Patienten wegen Schmerzen im Bein Mitte 2008 zur Behandlung an eine neurochirurgische Ambulanz überwiesen. Bei dem Patienten wurde ein maligner Nervenscheidentumor festgestellt, was der Ärztin in einem (nur an ihre Praxis gerichteten) Arztbrief Anfang 2009 mitgeteilt wurde - verbunden mit der Bitte, den Patienten in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen. Erst Mitte 2010 sah die Ärztin ihren Patienten aus anderem Grund wieder und erst dann erfuhr der Patient auch von dem Arztbrief.

Der Patient klagte daraufhin gegen die Ärztin, da er in der Nicht-Information einen groben Behandlungsfehler sah. Die Ärztin wiederum ging davon aus, dass der Patient in der Zwischenzeit anderweitig informiert worden sei - zumal sie seine weitere Behandlung nach der Überweisung an den Facharzt nicht mehr begleitet hatte.

Der BGH entschied, dass die unterlassene Information tatsächlich einen groben Behandlungsfehler darstellte. Die Ärztin hätte, da der Arztbrief nur an sie adressiert war, sicherstellen müssen, dass der Patient informiert würde. Dies sei umso wichtiger, da der Arztbrief einen bedrohlichen und behandlungsbedürftigen Befund erhielt. Ohne die Information über die Befunde war der Patient nicht in der Lage, die medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen.

Der BGH erkannte zwar, dass die Ärztin nicht weiter in die Behandlung eingebunden war und somit Verantwortung auf die nun behandelnden Ärzte übergegangen war. Dennoch sah er eine nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht aus dem Behandlungsvertrag, den Informationsfluss zum Patienten aufrecht zu erhalten. Diese erlösche nur, wenn sicher sei, dass der Patient auf andere Art informiert wurde. Hier aber enthielt der Arztbrief sogar eine Handlungsaufforderung („Wir bitten, den Patienten ... vorzustellen“).

Dabei wog besonders schwer, dass die Ärztin die langjährige Hausärztin des Patienten war und somit annehmen konnte, dass der Patient sie bei seiner Behandlung im Krankenhaus als Empfängerin der Arztbriefe angeben würde.

Von besonderer Relevanz ist auch eine weitere Feststellung aus dem Urteil: Ärzte sind verpflichtet, ihre Bedenken gegen Diagnose oder Therapie anderer Ärzte dem Patienten mitzuteilen. Kein Arzt dürfe „sehenden Auges“ die (vermuteten) Fehler anderer Ärzte hinnehmen. Dies erfordert selbstverständlich eine gehörige Menge an Fingerspitzengefühl, um den Eindruck zu vermeiden, man wolle „Kollegenschelte“ betreiben.

Fazit: Der Inhalt von Arztbriefen, die (Zahn-)Ärzte erhalten, ist dem Patienten unmittelbar mitzuteilen - sofern sich nicht eindeutig ergibt, dass der Patient bereits Kenntnis hat. Die Informationspflicht wiegt umso schwerer, wenn dringende Befunde enthalten sind. Aber der BGH geht sogar weiter und verlangt auch, dass (Zahn-)Ärzte einschreiten, wenn sie Fehler von Kollegen erkennen oder auch nur vermuten.

 

Jochim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Rücknahme einer Abmahnung

Samstagsarbeit - Freiwilligkeit oder Dienstpflicht?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschied in einem Urteil vom 8.2.2018 über die Abmahnung einer Zahnarzthelferin.

Ein Zahnarzt hatte seine Angestellte abgemahnt, da diese unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen war. Der verpasste Arbeitstag war ein Samstag. Die Zahnarzthelferin wehrte sich gegen diese Abmahnung mit der Begründung, dass sie zu der Samstagsarbeit arbeitsvertraglich nicht verpflichtet sei.

Tatsächlich umfasste die Arbeitszeit der Klägerin zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch keine Samstage. Arbeitsvertraglich war aber vereinbart: „Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach den praxisüblichen Sprechstundenzeiten.“ Zudem beinhaltete der Arbeitsvertrag ein Recht des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitszeiteinteilung. Die Klägerin behauptet aber, die Arbeit an Samstagen sei freiwillig. Dies zeige sich dadurch, dass es für diese Tage einen Zuschlagbonus und eine Zeitgutschrift gibt. Außerdem wurden die Arbeitszeiten an Samstagen zuerst auf freiwilliger Basis über eine Liste durch die Angestellten selbst eingeteilt. Daher fühlte sich die Angestellte zu Unrecht abgemahnt.

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer dann ein Recht auf Rücknahme der Abmahnung, wenn diese unrichtig erteilt wurde. Das ist dann der Fall, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachen enthält, das Verhalten des Arbeitnehmers falsch rechtlich bewertet oder nicht verhältnismäßig ist. Außerdem kann die Löschung beantragt werden, wenn der Arbeitgeber kein Interesse mehr an der Eintragung in der Personalakte hat.

Das LAG war aber in diesem Fall der Meinung, dass der Zahnarzt die Abmahnung zu Recht erteilt hatte. Auch wenn bei Abschluss des Arbeitsvertrags noch keine Samstagsarbeit vorgesehen war, hat der Arbeitgeber auch nachträglich das Recht, die Samstagsarbeit einzuführen. Es ist normaler Lauf der Dinge, dass sich aus unterschiedlichsten Gründen die Arbeitszeiten in einem Betrieb ändern können. Wenn der Arbeitgeber festlegt, dass Angestellte einmal im Monat auch samstags arbeiten müssen, ist das Teil seines Weisungsrechts (§ 106 S. 1 Gewerbeordnung). An dieser Bewertung ändert sich auch dadurch nichts, dass der Arbeitgeber seinen Angestellten entgegenkommt, indem er die „unbequemen“ Zeiten zusätzlich belohnt oder die Verteilung zunächst auf freiwilliger Basis zu regeln versucht. Trotzdem hat der Arbeitgeber bei Bedarf das letzte Wort und kann, wenn sich kein Freiwilliger für die Arbeit findet, die Dienste zuteilen.

Fazit: Will ein Arbeitnehmer vermeiden, dass der Arbeitgeber seine Arbeitszeiten festlegt, muss er eine individualvertragliche Vereinbarung treffen. Dann darf die Arbeitszeit nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber, sondern nur noch einvernehmlich geändert werden. Fehlt aber eine solche Vereinbarung und gibt es nur Klauseln wie „praxisübliche Sprechstundenzeiten“ kann der Arbeitgeber (in den Grenzen des Zumutbaren und Erforderlichen) auch die Arbeit an Tagen, die bei Arbeitsbeginn nicht bereits vorgesehen waren, zuteilen.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

 

Irreführende Werbung im Heilwesen 

Wirksamkeit umstritten 

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main sprach am 21.06.2018 ein Urteil zu medizinischen Werbeaussagen. Ein Verband hatte gegen einen Facharzt für Orthopädie geklagt. 
Dieser warb auf seiner Internetseite für die Anwendung der Osteopathie, Säuglingsosteopathie und der Craniosakralen Osteopathie bei bestimmten, detailliert aufgelisteten Krankheiten. Der Verband behauptete, für diese Behandlungsmethoden fehle der Wirksamkeitsnachweis, sodass mit ihnen nicht geworben werden dürfe. 

Die Zulässigkeit ärztlicher Werbung wird nach dem HWG (Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens) und dem UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) bewertet. Es ist nicht erlaubt, mit der Wirkung medizinischer Behandlungen zu werben, wenn sie diese Wirkung wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge nicht haben. 

Wer muss beweisen, dass die Werbung richtig ist? 

Zunächst muss derjenige, der behauptet, die Werbeaussage sei falsch, beweisen, dass die Behandlungsmethode wissenschaftlich nicht ausreichend gesichert ist. Wenn es allerdings bereits Anhaltspunkte gibt, dass die Behandlung zumindest umstritten ist, ohne dass hierauf hingewiesen wird, trägt der Werbende die Beweislast. Das gilt auch, wenn die vom Werbenden vorgelegten Belege seine Werbeaussage und damit sein „Heilversprechen“ nicht untermauern oder nicht den Anforderungen an eine wissenschaftliche Studie genügen. 

Wie wird bewiesen, dass die Werbung richtig ist? 

Das OLG stellte an wissenschaftliche Belege bestimmte Anforderungen - vornehmlich, dass die Ausführung und Auswertung nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicherForschung erfolgen. In der Regel werden randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien mit adäquater statistischer Auswertung durchgeführt. Außerdem müssen die Studienergebnisse veröffentlicht worden sein. 

Im konkreten Fall konnte der Verband für die Fälle der Osteopathie und der Säuglingsosteopathie nicht zeigen, dass deren Wirksamkeit wissenschaftlich umstritten ist. Die vorgelegten Unterlagen waren entweder selbst nicht wissenschaftlich (z.B. von Wikipedia) oder nicht differenziert genug (z.B. Artikel zur generellen Unwirksamkeit der manuellen Medizin). Aus einigen Quellen ergab sich sogar, dass (Säuglings-)Osteopathie bei gewissen Erkrankungsbildern zuverlässig wirken könnte. 
Allerdings konnte der Verband im Fall der Craniosakralen Osteopathie nachweisen, dass es für sie fast keine wissenschaftlichen Grundlagen gibt und die Wirkweise daher spekulativ bleibt. Somit war der Arzt am Zug, die Wirksamkeit bei den von ihm beworbenen Krankheitsbildern zu belegen - diesen Beweis blieb er aber schuldig. 

Reicht jeder Hinweis, dass die Wirksamkeit nicht erwiesen ist?

Dass der Arzt nicht mit der Wirksamkeit der Craniosakralen Osteopathie werben darf, änderte sich auch nicht durch einen Hinweis auf seiner Homepage, dass es sich bei der Craniosakralen Osteopathie um eine neuartige Behandlungsmethode handele. Für den Wirksamkeitsnachweis fehle es daher nach den „Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin“ noch an Studien - das ist irreführend, schließlich gibt es die Osteopathie seit dem 19. Jahrhundert. Ebenso irreführend ist der Verweis auf die evidenzbasierten Medizin, da sie für den Patienten nicht nachvollziehbar relativiert wurde. Das widerspricht dem Grundsatz, dass gesundheitsbezogene Werbung eindeutig und klar formuliert sein muss. 

Fazit: Besonders bei Werbung im Heilwesen muss der Webende Vorsicht walten lassen. Geworben werden darf nur mit Methoden, deren Wirksamkeit auch nachweisbar ist - und zwar durch wissenschaftliche Studien. Die wissenschaftlichen Belege müssen bereits zum Zeitpunkt der Werbung vorliegen! 

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Medizinrecht

Behandlungsabbruch

Kein Geld für unbrauchbare Teilleistungen

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 13.09.2018 über den Honoraranspruch eines Implantologen entschieden. Dieser hatte einer Patientin acht Implantate eingesetzt. Die Patientin brach die Behandlung aufgrund erheblicher Beschwerden vorzeitig ab; der Zahnarzt begehrte daraufhin die Zahlung der von ihm bereits erbrachten Teilleistungen.

Ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag stellt rechtlich einen „Dienstvertrag über höhere Dienste“ dar. Bei einem solchen Dienstvertrag schuldet der Zahnarzt keinen konkreten Erfolg, da der Behandlungserfolg, zumindest in Teilen, auch von der seelischen und körperlichen Konstitution und der Mitwirkung des Patienten abhängt. Allerdings muss die Behandlung den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft und den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung zu maximieren.

Wird die Behandlung vorzeitig abgebrochen, also bevor der Erfolg überhaupt hätte eintreten können, ist die wirtschaftliche Verwertbarkeit der bereits erbrachten Teilleistungen zu prüfen, um die Frage nach dem Honoraranspruch zu beantworten. Damit eine Teilleistung als wirtschaftlich unverwertbar gilt, ist es nicht ausreichend, dass die Leistung objektiv nutzlos ist, sie aber dennoch genutzt wird. Ebenso wenig ist allerdings von Unverwertbarkeit auszugehen, wenn der Patient die Leistung nicht weiter nutzt, obwohl sie objektiv nicht wertlos ist. Entscheidend ist daher die Frage, ob der Nachbehandler auf den Teilleistungen des Vorbehandlers im weiteren Behandlungsverlauf aufbauen kann und sie damit dem Patienten Zeit und Geld ersparen.

In der vom BGH entschiedenen Konstellation war dies nicht der Fall. Die eingesetzten Implantate waren allesamt unter Missachtung des zahnärztlichen Standards eingesetzt worden. Die Arbeiten wiesen somit gravierende Behandlungsfehler auf. Bei der Nachbehandlung konnten die Implantate nicht nur nicht weiter verwendet werden, sondern stellten auch ein großes Hindernis für eine zumutbare weitere Behandlung dar. Es gab für die Patientin wegen der Vorarbeiten des Zahnarztes keine zumutbare Behandlungsvariante mehr - bei Beibehaltung der unveränderbar fehlpositionierten Implantate drohte ein erhöhtes Verlustrisiko wegen der Periimplantitis-Gefahr, bei einer Entfernung hingegen erhöhte sich das Risiko eines neuen erheblichen Knochendefekts.

Fazit: Natürlich macht jeder Fehler. Bei einer groben Missachtung der Regeln der zahnärztlichen Kunst schadet man allerdings nicht nur dem Patienten und dem eigenen Ruf, sondern auch dem Geldbeutel. Für Teilleistungen, die lediglich „Verschlimmbesserungen“ der Ausgangsposition darstellen, gibt es kein Geld! Bei Fragen zu Honoraransprüchen oder der rechtlichen Bewertung von Behandlungsfehlern wenden Sie sich gerne an Ihren Anwalt.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Die ärztliche Schweigepflicht bei Verdacht auf Kindesmisshandlung

Reden ist manchmal Gold

Das Kammergericht Berlin äußerte sich mit Urteil aus dem Jahr 2013 zu dem Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht bei Verdacht auf Kindesmisshandlung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Thematik wird anhand dieses Urteils erläutert, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit die ärztliche Schweigepflicht gebrochen werden darf.

Kläger waren die Eltern eines Kindes, das in ärztlicher Behandlung war. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten bei dem Kind durch ein „Schütteltrauma“ ausgelöste Verletzungen. Die Eltern verhielten sich zunächst kooperativ, lehnten aber nach Hinweis durch die Ärzte auf ihren Verdacht weitere Gespräche ab. Aus diesem Grund wandten sich die Ärzte an das Jugendamt und das Landeskriminalamt. Den Eltern wurde daraufhin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für das Kind einstweilig entzogen, das Kind wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Letztlich wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Eltern aber wieder eingestellt und alle  Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls wieder rückgängig gemacht.

Die Eltern des Kindes begehrten nun vor Gericht Schmerzensgeld und Schadensersatz von den Ärzten. Diese hätten ihre Schweigepflicht verletzt, obwohl sie keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung gehabt hätten.

Das Kammergericht machte in seinem Urteil einige grundsätzliche Ausführungen zu dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Es stellte klar, dass Ärzten nicht die Aufgabe zukomme, mögliche Straftaten auszuermitteln. Vielmehr dürften sie ihre Schweigepflicht auch brechen, wenn eine Misshandlung nicht erwiesen sei, aber die Lage (ex - ante - Sicht) einen ernstzunehmenden Verdacht auf Misshandlung begründe. Solch ein Verdacht kann vor allem darauf beruhen, dass die festgestellten Verletzungen typischerweise durch Kindesmisshandlungen hervorgerufen werden.

Es müssen aber nicht andere Geschehensabläufe vollkommen ausschlossen sein - deren Ermittlung und Überprüfung ist letztlich die Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Polizei. Der Arzt muss einzig überprüfen, ob die Verletzungen bei lebensnaher Betrachtung auch durch die Unfalldarstellung der Eltern nachvollziehbar erklärt werden können und ob diese Unfalldarstellung ein „typischer Spielunfall“ ist.

Zudem liegt gerade bei schwerwiegenderen Verletzungen immer der Verdacht der Wiederholungsgefahr nahe, so dass Handlungsbedarf gegeben ist.

Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass der falsche Verdacht auf Kindesmisshandlung für die Eltern schwerwiegende und nachhaltige Folgen bis hin zu einem Trauma haben kann - vor allem die oben genannten Maßnahmen zum Kindesschutz. Dennoch stellte das Gericht klar, dass das Wohl des Kindes Vorrang vor den Befindlichkeiten der Eltern hat.

Vom Gericht besonders positiv hervorgehoben, wurde auch der Umgang der Ärzte mit den Eltern - es wurden sowohl in den Anzeigen als auch in den persönlichen Gesprächen Vorverurteilungen vermieden. In den Anzeigen selbst wurden lediglich die Diagnosen geschildert. Eine Kindesmisshandlung durch die Eltern wurde nicht als gegeben dargestellt, sondern die Schlussfolgerungen den Ermittlungsbehörden überlassen.

Fazit: „Der Heilauftrag umfasst nicht nur das Erkennen und die Behandlung von Erkrankungen, sondern auch die Vermeidung von künftigen Gesundheitsgefährdungen“, so sprach das Gericht. Und so sollte auch die Maxime für Ärzte lauten, wenn sie verdächtige Anzeichen sehen. Solange dabei bedacht und mit der notwendigen Zurückhaltung gehandelt wird, darf und sollte die Schweigepflicht zum Schutz des Kindes gebrochen werden.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Ärztliches Fernbehandlungsverbot

Komm mal lieber näher!

 

Das Sozialgericht München äußerte sich mit Beschluss vom 17.07.2017 zu einem ärztlichen Triage-Service.

 

Geklagt hatte die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) gegen eine Firma, die Dienstleistungen im Gesundheitswesen erbringt. Bei dieser Firma konnten sich Patienten aus einer bestimmten Region bei akuten gesundheitlichen Problemen telefonischen Rat einholen. Die telefonische Beratung wurde von der Firma rund um die Uhr kostenlos angeboten. Ziel der Behandlung war die Ermittlung des sinnvollsten Behandlungswegs.

 

Die KVB sah in diesem Geschäftsmodell eine rechtswidrige Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit. Das Angebot gilt nämlich sowohl für privat, als auch für gesetzlich krankenversicherte Patienten. So sah die KVB u.a. die Gefahr, dass durch die Beratung Patienten davon abgehalten werden könnten, in den sprechstundenfreien Zeiten den Bereitschaftsdienst zu nutzen und somit dem diensthabenden Arzt Einkünfte entzogen würden.

 

Die Gesundheitsfirma hingegen behauptet, sie würde den Bereitschaftsdienst entlasten, da dieser der Anzahl hilfesuchender Patienten nicht mehr gerecht werden könnte und somit die Versorgung gefährdet sei. Eine Therapie oder Diagnose werde aber nicht vorgenommen, sondern es erfolge nur eine Dringlichkeits-Einschätzung. Die weitere Entscheidung treffe der Patient eigenverantwortlich. Daher liege keine ärztliche Behandlung selbst, sondern nur die Vorbereitung einer späteren Behandlung vor.

 

Das Sozialgericht schlug sich auf Seiten der KVB. Die Kassenärztlichen (Bundes-)Vereinigungen haben die Aufgabe, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Hierunter fällt auch die Gewährleistung des Notdienstes. Diese Aufgaben wurden exklusiv den Vereinigungen zugewiesen. Bei dem Triage-Verfahren werden medizinische Hilfeleistungen priorisiert. Durch die Ratschläge der Firma werden Patienten daher ggf. davon abgehalten, den Ärztlichen Bereitschaftsdienst aufzusuchen und stattdessen auf die Selbstmedikation verwiesen - durch diese Lenkungswirkung entziehe die Firma der KVB potentielle Patienten.

 

Zudem stufte das Sozialgericht das Angebot der Firma als verbotene Fernbehandlung iSd § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern ein. Der Begriff „Behandlung“ in dieser Vorschrift muss nämlich weit  ausgelegt werden, so dass auch eine individualisierte Beratung eine Behandlung darstelle. Die Gesundheitsfirma bewertet den gesundheitlichen Zustand des Patienten anhand eines Fragenkatalogs und gibt auf Grundlage von dessen Antworten eine Handlungsempfehlung. Dieser Empfehlung liegt letztendlich nach dem Ausschlussprinzip auch immer eine Verdachts- bzw. Negativdiagnose zugrunde. Daher komme es bei einer solchen Beratung auch nicht mehr darauf an, ob zusätzlich ein konkreter Therapievorschlag erfolgt. Auch soll das Fernbehandlungsverbot die Patienten vor konkreten Gesundheitsgefährdungen schützen - solche Gefährdungssituationen können aber entstehen, wenn ein Patient aufgrund eines telefonischen Ratschlags auf den Arztbesuch verzichtet.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Aufklärungsverschulden

Vier auf einen Streich

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden äußerte sich mit Beschluss vom 16.10.2017 zu dem Anspruch eines Patienten auf Schmerzensgeld wegen gleichzeitiger Extraktion von vier Weisheitszähnen, in deren Folge der Patient starke Schmerzen erlitt.

 

Das Besondere:

Vor der Extraktion brüstete sich der Zahnarzt damit, der einzige Zahnarzt in der Umgebung zu sein, der zu der gleichzeitigen Entfernung aller Weisheitszähne befähigt sei. Aus dieser Aussage schloss das OLG, dass der Patient das Risiko des Eingriffs habe bemerken müssen. Das Angeben mit einer unriskanten Leistung, die jeder erbringen kann, sei denklogisch ausgeschlossen, da man sich mit so einer Leistung nicht profilieren könne.

 

Das OLG stellte auch keinen Aufklärungsfehler des Zahnarztes fest. Der Patient trug vor, er sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Weisheitszähne auch nacheinander hätten entfernt werden können. Der Patient könnte sich aber nur dann auf einen Aufklärungsfehler berufen, wenn er bei der Aufklärung über die Möglichkeit der mehrzeitigen Extraktionen in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre.

 

Der Arzt darf im Grundsatz die Entscheidung über die richtige Therapie treffen und muss nur über Ansätze aufklären, die auch echte Alternativen darstellen. Bei dem Kläger hatten alle Weisheitszähne schon zum Teil massive Probleme verursacht. Aus einem Sachverständigengutachten ergab sich, dass das Entzündungsrisiko durch die gleichzeitige Entfernung der Weisheitszähne nicht gesteigert wurde. Da dem Patienten über kurz oder lang ohnehin alle Weisheitszähne hätten gezogen werden müssen und er bei einem Zuwarten auch weitere Entzündungen zu befürchten hätte, erachtete das OLG es als unwahrscheinlich, dass der Patient diese schwerwiegenderen Komplikationen in Kauf genommen hätte.

 

Das Gericht schloss daher, dass der Patient auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die Alternative der mehrzeitigen Extraktion die gleichzeitige Extraktion gewählt hätte. Zudem wäre auch bei einer mehrzeitigen Extraktion der Schaden in Form der Schmerzen aufgetreten. Die Verhinderung der Schmerzen wäre nur durch einen Verzicht auf den gesamten Eingriff möglich gewesen. Das aber stand nie im Raum.

 

Fazit: Aufklärungsmängel sind nur relevant, wenn der erlittene Schaden durch eine ordnungsgemäße Aufklärung hätte verhindert worden können

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht.

Kein Beschäftigungszwang

Wunsch des Arbeitnehmers nach Aufstockung der Arbeitszeit

 

Mit Urteil vom 18.7.2017 äußerte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu der Pflicht des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer in einer Vollzeitstelle zu beschäftigen.

 

Eine Arbeitnehmerin klagte gegen ihren Arbeitgeber auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit und begehrte die Feststellung, dass ihr Arbeitgeber dazu verpflichtet sei, sie in Vollzeit zu beschäftigen. Sie arbeitete in einer Halbtagsstelle und beantragte die Beschäftigung in einer Vollzeitstelle. Kurz nach diesem Antrag stellte der Arbeitgeber neue Beschäftigte in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über die freien Stellen zu informieren. Die Klägerin wäre fachlich und persönlich für die Stellen geeignet gewesen.

 

Das BAG entschied nun, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Vollzeitbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber hat. Dies ergibt sich aus § 9 TzBfG (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge) - dort sind die Voraussetzungen für die Verlängerung der Arbeitszeit geregelt: 

Der Arbeitnehmer muss seinen Wunsch auf Verlängerung der Arbeitszeit anzeigen und der Arbeitgeber muss einen freien Arbeitsplatz haben. Dies war vorliegend nicht (mehr) der Fall, da der Arbeitgeber der Klägerin die Stellen bereits anderweitig besetzt hatte. Es ist ihm daher unmöglich geworden, eine Vollzeitstelle anzubieten.

Der Arbeitgeber hätte aber vor Besetzung der für die Klägerin geeigneten Stellen, diese informieren und sie auch bevorzugt berücksichtigen müssen. Auch das ergibt sich aus § 9 TzBfG. Da der Arbeitgeber das hier nicht getan hat, ist er der Arbeitnehmerin zum Schadensersatz verpflichtet. 

 

Die Arbeitnehmerin war der Auffassung, als Schadenersatz müsse ihr der Arbeitgeber die begehrte Aufstockung ihrer Arbeitszeit gewähren, also die Zustimmung zur Vertragsänderung erteilen.

 

Das BAG hatte allerdings eine andere Auffassung als die Klägerin, wie der Schadensersatz aussehen müsste. In keinem Fall hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Aufstockung selbst. Die Begründung oder Änderung des Arbeitsvertrags kann nicht im Rahmen des Schadensersatzes herbeigeführt werden (vgl. § 15 Abs. 6 AGG). Dies begründete das BAG mit der Privatautonomie des Arbeitgebers, selbst seine Arbeitnehmer auszuwählen, aber auch mit dem Schutz des zwischenzeitlich eingestellten Konkurrenten. Da die Arbeitnehmerin keinen Schadenersatz in Geld verlangte (wegen Verdiensteinbuße), wies das BAG die Klage letztendlich zurück.

 

Fazit: Ein Arbeitnehmer, dessen Wunsch auf Verlängerung der Arbeitszeit vom Arbeitgeber wissentlich vereitelt wurde, hat keinen Anspruch auf die Vollzeit-Stelle. Der Arbeitgeber kann nicht gerichtlich gezwungen werden, die Arbeitszeit zu verlängern - er muss allerdings die finanziellen Nachteile des Arbeitnehmers ausgleichen, sofern der Arbeitnehmer dies  -rechtzeitig- geltend macht.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Aufklärungsbögen

Wer liest schon den Beipackzettel?

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main äußerte sich mit Urteil vom 20.02.2018 zu der Vergleichbarkeit von Aufklärungsbögen und Beipackzetteln.

 

Ein Patient verlangte von dem Krankenhaus, in dem ihm eine neue Knie-Prothese eingesetzt wurde, Schmerzensgeld wegen fehlerhafter Aufklärung. Der Patient war anhand eines Aufklärungsbogens mit zusätzlicher Erläuterung durch den behandelnden Arzt aufgeklärt worden.

 

Der Aufklärung des Patienten vor Heileingriffen kommt eine wichtige Rolle zu. Denn sie ist die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in den Eingriff. Ziel der Aufklärung muss sein, dass der Patient eine allgemeine Vorstellung von den mit dem Eingriff verbundenen Gefahren erhält und somit „im Großen und Ganzen“ weiß, worauf er sich einlässt. Es müssen aber nicht alle denkbaren Risiken aufgezählt werden.

 

Der Patient bemängelte nun im konkreten Fall, dass der Aufklärungsbogen die Gefahr der Lockerung der Knie-Prothese mit „gelegentlich“ umschrieb. Tatsächlich beträgt das allgemeine Risiko der Lockerung etwa 8,71 %. Diese prozentuale Wahrscheinlichkeit entspricht zwar dem Wortsinn von „gelegentlich“, allerdings ist das Wort in Beipackzetteln mit einer anderen Häufigkeitsdefinition belegt. Diese Beipackzetteldefinitionen werden von dem Medical Dictionary for Regulatory Activities (einer Sammlung medizinischer Begriffe, die in regulatorischen Verfahren im Zusammenhang mit der Arzneimittelzulassung verwendet werden) anders definiert. Laut dieser Definition bedeutet gelegentlich, dass das Risiko bei 0,1 - 1 % der Behandelten auftrete. Der Patient behauptete, er habe sich an diesem Begriffsverständnis orientiert und sei daher von einem weit geringeren Risiko als dem tatsächlich bestehenden ausgegangen und habe sich auch nur wegen des vermeintlich geringen Risikos dem Eingriff unterzogen.

 

Das OLG aber vollzog die Behauptung des Klägers nicht nach. Es zweifelte an, dass ein durchschnittlicher Patient die Beipackzettel und die darin enthaltenen Nebenwirkungen so aufmerksam lese, dass die darin verwendeten Häufigkeitsdefinitionen seinen Sprachgebrauch entscheidend prägten. Dazu komme, dass für die Genehmigung von Arzneimitteln Risiken in einem Umfang erfasst werden, der nicht mit der Risikobewertung durch den Arzt vor einem Heileingriff zu vergleichen ist. Bei der ärztlichen Aufklärung kommt es ohnehin weniger auf Risikostatistiken, sondern vielmehr auf die Risiken und ihre Schwere im konkreten Einzelfall an.

 

Fazit: Gegen die Verwendung von standardisierten Häufigkeitsangaben in Aufklärungsbögen spricht zunächst nichts - sofern der aufklärende Arzt im Aufklärungsgespräch dem Patienten die Risiken des Eingriffs so verständlich macht, dass dieser eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs hat.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Zum Begriffsverständnis der „Praxisklinik“

Neues aus der Klinik - Pt. 2

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm änderte mit Urteil vom 27.02.2018 das Urteil des Landgericht (LG) Essen zum Begriffsverständnis einer „Praxisklinik“ ab.

 

Über das Urteil des LG Essen wurde bereits an dieser Stelle berichtet. Geklagt hat dort wie auch hier ein Verband gegen einen Zahnarzt. Der Zahnarzt bewarb seine Praxis mit der Bezeichnung „Praxisklinik“. Der Verband sah darin einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht, da diese Bezeichnung irreführend sei. Der Zahnarzt hat in seiner Praxis nämlich nicht die Möglichkeit Patienten aufzunehmen, so dass keine stationäre Behandlung möglich ist. Diese Möglichkeit aber würden Verbraucher wegen der Bezeichnung als „Klinik“ voraussetzen. Der Zahnarzt hielt dieser Auffassung entgegen, dass der „Klinik“-Teil der Bezeichnung durch das vorangesetzte „Praxis“ revidiert würde. Durch die Wortkomposition erkenne der Verbraucher, dass es sich bei der Praxis um eine rein ambulante Einrichtung handele, in der auch operative Eingriffe durchgeführt werden. Dieser Ansicht schloss sich das LG Essen in seinem Urteil im Wesentlichen an: das LG verglich das Nomenkompositum „Praxisklinik“ mit „Tagesklinik“. In beiden Fällen erschlösse sich dem Patienten, dass in einer solchen Praxis im Gegensatz zur „gewöhnlichen Praxis“ auch kompliziertere Operationen durchgeführt werden können - allerdings im ambulanten Tagesbetrieb und nicht im Rahmen einer stationären Aufnahme. Das LG Essen sah daher in der Werbung des Zahnarztes keine Wettbewerbsverzerrung.

 

Das OLG Hamm allerdings vertritt in seinem Urteil eine andere Auffassung. Es stützte sich bei seiner Beurteilung auf die Auffassung eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers. Auch das OLG legte das Wort „Praxisklinik“ grammatisch aus. Es erklärte, bei einem zusammengesetzten Wort sei der zweite Wortteil ausschlaggebend für die Bedeutung des Kompositums. Der Wortteil „Klinik“ sei demnach bestimmend für das Verständnis des Verbrauchers. Eine Klinik aber werde vom Verbraucher mit „Krankenhaus“ gleichgesetzt, so dass nicht nur der operative Eingriff, sondern auch die Möglichkeit einer stationären Behandlung erwartet würde. Zwar könne der Verbraucher durch Voranstellung des Wortes „Praxis“ davon ausgehen, dass es sich nicht um eine Klinik im eigentlichen Sinne handele, sondern der Schwerpunkt in der ambulanten Versorgung liegt. Allerdings wäre für den Verbraucher bei der Wahl einer Praxisklinik im Vergleich zu einer normalen Praxis der ausschlaggebende Punkt, dass er, sollte es im Einzelfall zu Komplikationen kommen, die Möglichkeit einer vorübergehenden stationären Versorgung erwartet. Besonders diese Möglichkeit macht die Praxisklinik zu einer erwägenswerten Alternative zur Zahnklinik. In der Praxis des Beklagten allerdings war es nicht möglich, auch nur kurzfristig, stationär versorgt zu werden. Aus diesem Grund sei die Bezeichnung der Praxis als „Praxisklinik“ ein Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften.

 

Fazit: Bevor mit Begriffen wie „Praxisklinik“, „Tagesklinik“ oder gar „Zahnklinik“ geworben wird, sollten Sie sich in jedem Fall durch ihren Anwalt beraten lassen. Die Abgrenzung der Begriffe ist kompliziert und der Teufel liegt hier im Detail. 

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Wegfall der Beweislastumkehr bei Missachtung ärztlicher Anweisungen

Wer nicht hören will …

… profitiert nicht von der Beweislastumkehr. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm äußerte sich in seinem Urteil vom 2.2.2018 zum Wegfall der Beweislastumkehr bei sturen Patienten.

 

Die Klägerin macht als Ehefrau eines verstorbenen Patienten Ansprüche gegen ein Krankenhaus geltend. Ihr Mann war aufgrund von Thoraxbeschwerden bei seinem Hausarzt vorstellig geworden und wurde von diesem mit Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung in das Krankenhaus eingewiesen, dass der Patient vorschnell gegen ärztlichen Rat wieder verließ. Auf Anraten seines Hausarztes vereinbarte der Verstorbene schließlich einen Termin zur kardiologischen Abklärung, lehnte aber die dringend empfohlene stationäre Aufnahme ab. Noch vor der Untersuchung starb der Mann. Als Todesursache wurde Herzversagen festgestellt, es gab  allerdings keine Obduktion. 

 

Das OLG stellt in seinem Urteil tatsächlich mehrere Behandlungsfehler des Krankenhauses fest. Aufgrund der Anzahl an Fehlern war es auch irrelevant, ob jeder einzelne Fehler als grob einzustufen war, da zumindest insgesamt grobes Fehlverhalten vorlag, das zur Folge hatte, dass der Patient nicht als Risikopatient eingestuft wurde. Folge eines groben Behandlungsfehlers ist grundsätzlich eine Beweislastumkehr: das Krankenhaus hätte deshalb beweisen müssen, dass der Patient nicht an den Folgen der Behandlungsfehler gestorben ist.

 

Hier aber hakt das OLG in seinem Urteil ein: es verwirft die Beweislastumkehr. Denn im vorliegenden Fall missachtete der Patient vorwerfbar ärztliche Anordnungen und Empfehlungen und setzte dadurch eine mögliche Mitursache für seinen Tod. Der Verstorbene war ausreichend und verständlich über die Risiken seines Verhaltens aufgeklärt worden - sowohl bei der Entlassung auf eigenen Wunsch, als auch mehrfach durch den Hausarzt. Dennoch verweigerte er sich stetig dem ärztlichen Rat, indem er die stationäre Aufnahme im Krankenhaus ablehnte. Das OLG befand, jeder erwachsene Mensch müsste erkennen, wie dringlich die Behandlung eines drohenden Herzleidens ist. Der Patient konnte schlichtweg nicht von einer geringfügigen und aufschiebbaren Erkrankung ausgehen. Nun musste also die Ehefrau und nicht das Krankenhaus beweisen, dass der Patient aufgrund der Behandlungsfehler im Krankenhaus verstarb - was ihr wegen der unterlassenen Obduktion nicht möglich war.

 

Fazit: Der Behandlungsvertrag ist keine Einbahnstraße. Behandler und Patient müssen zusammenwirken. Uneinsichtige Patienten gefährden nicht nur den Behandlungserfolg, sie verschlechtern auch ihre rechtliche Situation.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Facharztstandard

Art und Umfang einer  Scharnierachsenbestimmung

 

Mit Urteil vom 16.1.2018 äußerte sich das Landgericht (LG) Wuppertal zum Zusammenhang von Facharztstandard und  Behandlungsfehlern.

 

Die Klägerin war Patientin eines Zahnarztes, der sie von 2011 bis 2015 behandelte. Die Klägerin wünschte Zahnersatz, der ihr 2011 auch in Form eines Langzeitprovisoriums eingesetzt wurde. Im weiteren Verlauf der Behandlung klagte die Patientin allerdings immer wieder über Beschwerden, denen der Arzt Abhilfe zu verschaffen suchte. Die Patientin war in Folge von Veränderungen (neuer Einschliff, neue Brücken, Aufbissschiene) stets kurzzeitig zufrieden gestellt, klagte dann allerdings doch wieder über Schmerzen. Letztendlich forderte sie neben Schmerzensgeld den Rechnungsbetrag in Höhe von ca. 8.500,00 € zurück.

 

Das LG Wuppertal ließ die Behauptungen der Klägerin durch einen Sachverständigen überprüfen. Der kam zu dem Ergebnis, dass dem Zahnarzt kein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn eine medizinische Behandlung nicht nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgt, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

 

Besonders fraglich war, ob wegen einer Okklusionsproblematik bei der Patientin eine kinematische Scharnierachsenbestimmung durch einen Spezialisten oder eine instrumentelle Funktionsanalyse hätten durchgeführt werden müssen. Die habituelle Okklusion der Patientin wich von der regelgerechten geführten Okklusion ab. Tatsächlich aber vertrat das Gericht die Ansicht, dass diese Praktiken nicht dem fachärztlichen Standard einer zahnärztlichen Behandlung entsprechen und damit bei ihrem Fehlen auch kein Behandlungsfehler vorliegt. Um dem fachärztlichen Standard zu genügen, muss ein Arzt das nach naturwissenschaftlichen Kenntnissen und heilberuflicher Erfahrung zur Erreichung des Behandlungsziels Notwendige unternehmen. Er muss also handeln, wie es von einem gewissenhaften Berufsträger in der konkreten Behandlungssituation zu erwarten ist. Dabei ist selbstverständlich auch eine Abweichung von der „Standard-Behandlung“ möglich, ohne dass der Arzt einen Behandlungsfehler begeht, solange das Vorgehen sachgerecht ist. Der Arzt hat hierbei einen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum, in dem er sein Ermessen ausüben kann.

 

Zur Behebung der Okklusionsproblematik nahm der Zahnarzt einen Bissabdruck und übertrug diesen auf den neuen Zahnersatz und führte alle von der Patientin geforderten Nacharbeiten aus. Zudem führte er eine nach dem fachärztlichen Standard nicht unbedingt notwendige arbiträre Scharnierachsenbestimmung durch. Er behandelte somit sogar mit überdurchschnittlichem Aufwand. Ein Behandlungsfehler kann aus dem Unterlassen noch speziellerer Maßnahmen nicht hergeleitet werden.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Bemessung des Erwerbsschadens bei Selbständigen

Wer den Schaden hat …

Der Bundesgerichtshof (BGH) äußerte sich am 19.9.2017 zu den Anforderungen an die Darlegung eines Erwerbsschadens bei Selbständigen.

Der Kläger ist ein selbständiger Zahnarzt, der im Jahre 2006 verunfallt war. Er erlitt eine Verletzung am Handgelenk, die ihn in seiner zahnärztlichen Tätigkeit dauerhaft beeinträchtigte. Aus diesem Grund begehrte er Ersatz seines Erwerbsschaden in Höhe von 85.500 € in den Jahren 2006 -2011.

Für den Ausfall von Arbeitskraft gilt, dass diese nur dann einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellt, wenn sich die Beeinträchtigung konkret und sichtbar ausgewirkt hat. Dabei können nicht nur Verluste bisheriger Einnahmen ersetzt werden, sondern auch Gewinne, die nicht gemacht werden können. Zur Feststellung des Schadens wird bei Selbständigen die prognostische Entwicklung ihres Unternehmens herangezogen, also die gewöhnliche Entwicklung des Unternehmens ohne das Unfallereignis.

Der BGH gesteht dabei Selbständigen zu, dass es schwierig ist, die hypothetische Entwicklung des Geschäftsbetriebs darzulegen. Es ist daher für die Schadenschätzung ausreichend, dass konkrete Anknüpfungstatsachen vorliegen. Dabei reichen die Gewinnentwicklungen der Jahre vor und nach dem Unfall aus, um einen Mindestschaden schätzen zu können.

In dem konkreten Fall hatte der Zahnarzt aufgrund seiner Handverletzung bestimmte Behandlungen nicht mehr selbst oder nicht mehr in einer Sitzung durchführen können. In den ersten zwei Jahren nach dem Unfall hatte er seine Beeinträchtigung noch mehr oder minder ausgleichen können, sodass die Gewinne nicht deutlich zurückgingen. Allerdings war ihm das ab 2009 nicht mehr möglich.

Die Berufungsinstanz hatte den Schaden in den ersten zwei Jahren mangels „Deutlichkeit des Gewinnrückgangs“ abgelehnt, der höhere Schaden ab 2009 sei hingegen wegen der zeitlichen Entfernung nicht mehr auf den Unfall zurückzuführen.

Der BGH allerdings stellte sich gegen diese Entscheidung. Damit ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, muss keine bestimmte Anforderung an die Schadensgröße erfüllt werden. Ein entstandener Schaden muss, sofern er dargelegt wird, ersetzt werden. Daneben darf die Schadensbeurteilung nicht auf die direkt auf das Unfallereignis folgenden Jahre beschränkt werden. Es ist normaler Lauf der Dinge, dass Einnahmeausfälle auch erst einige Zeit nach einem Unfall auftreten können - im vorliegenden Fall etwa mussten Patienten an Kollegen verwiesen werden, da bestimmte Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden konnten. So verkleinerte sich der Patientenstamm sukzessive. Auch chronische Schmerzen können sich im Laufe der Zeit verstärken.

Fazit: Die Darstellung der Gewinnentwicklung ist für Selbständige ein schwieriges Unterfangen. Allerdings gibt es bei Schadensersatzklagen Beweiserleichterungen, so dass nicht verzagt werden muss. Auch ist es nicht notwendig einen „großen Schaden“ zu haben, um Ersatz zu bekommen. Dennoch sind Schadensersatzklagen stets individuell zu betrachten - anwaltliche Beratung ist angezeigt.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Aufklärung und ärztliche Sorgfaltspflichten

Neuland betreten


In seinem Urteil vom 23. Januar 2018 beschäftigt sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit der ärztlichen Aufklärung bei neuen und noch nicht vollständig erforschten Operationen.


Anlass war die Schmerzensgeldklage einer Frau gegen ihren Arzt. Dieser hatte sie wegen ihrer Belastungsharninkontinenz nach einem neuen Verfahren (Netzimplantat bei Senkungsoperation) operiert. Nach der Operation berichtete die Frau von Dyspareunie (sexuelle Funktionsstörung) - ihr wurden daraufhin in mehreren Operationen Teile des Netzgewebes wieder entfernt, ihre Schmerzen blieben aber weiterhin. Die Klägerin wurde von dem Arzt über das Operationsverfahren aufgeklärt und hatte auch in die Durchführung des Verfahrens eingewilligt. Allerdings, so das OLG, reicht eine routinemäßige Aufklärung bei sogenannten „Neulandmethoden“ nicht - es müssen hier erhöhte Sorgfaltsanforderungen erfüllt werden.

 
Der Arzt muss zunächst darüber aufklären, dass die gewählte Behandlungsmethode eine Neulandmethode ist und dass daher neben der neuen Methode auch alternative (konservative) Verfahren existieren. Auch wenn die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des Arztes ist, muss der Patient dennoch in die Lage versetzt werden, sein Selbstbestimmungsrecht ausüben zu können. Das heißt, dass ihm in Frage kommende Behandlungsmethoden genannt und vor allem in Hinblick auf die durch sie entstehende Belastung und ihre Risiken und Erfolgschancen erklärt werden müssen. 


Sofern der Arzt, wie im vorliegenden Fall, eine Methode wählt, die noch keine Standardmethode ist, muss er vor allem darüber aufklären, dass die Risiken bei dieser Methode wegen des zu geringen Erfahrungsschatzes noch nicht abschließend bekannt sind. Die  Anforderungen an die Aufklärung steigen nochmals, wenn die klinische Prüfungsphase zum Zeitpunkt der Operation noch nicht abgeschlossen ist und die Langzeitwirkungen des gewählten Verfahrens noch nicht bekannt sind. Der Patient muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei einem solchen Verfahren auch bisher unbekannte Komplikationen auftreten können.


Es ist hierbei irrelevant, dass in der Medizin das Auftreten unbekannter Komplikationen nie vollständig ausgeschlossen werden kann. Ein Hinweis hierauf würde bei Standardmethoden die Patienten nur verwirren und beunruhigen. Bei einer Neulandmethode hingegen muss der Patient darüber aufgeklärt werden, damit er abwägen kann zwischen der bekannten Methode mit den bekannten Risiken und der neuen Methode mit eventuell größeren Vorteilen, aber dafür auch nicht vollständig bekannten Gefahren.


Fazit: Medizinischer Fortschritt durch die Wahl neuer Verfahren ist selbstverständlich erwünscht - der Patient darf aber nicht reines Objekt der ärztlichen Behandlung sein. Er sollte durch die Aufklärung in einen Zustand versetzt werden, in dem er die Risiken und Vorteile eines Verfahrens kennt und auf Grundlage dieser Informationen eine fundierte Entscheidung treffen kann.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Neues von Jameda

Meinungsfreiheit?!

 

Mit Urteil vom 20. Februar 2018 äußerte sich der Bundesgerichtshof (BGH) ein weiteres Mal zu der Ärzte-Bewertungsplattform jameda.de.

Eine Kölner Ärztin hatte gegen das Portal geklagt, um die Löschung ihres Profils zu erwirken. Sie war mit Namen, akademischem Grad, Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift auf jameda.de aufgeführt. Auf ihrer Profilseite konnten Nutzer Bewertungen abgeben und lesen. Daneben wurden Anzeigen anderer Ärzten derselben Fachrichtung angezeigt - inklusive der Distanz zwischen der Praxis der Klägerin und der ihrer Konkurrenten. Diese Anzeigen hätte die Klägerin entfernen können, wenn sie ein kostenpflichtiges Premium-Paket bei jameda.de gekauft hätte. Die Ärztin fühlte sich im Wettbewerb benachteiligt und forderte daher die Löschung ihres Eintrags und ihrer personenbezogenen Daten von der Website.

 

Der BGH entschied, dass die Daten der Ärztin tatsächlich unzulässig gespeichert worden waren, § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. Damit urteilte er anders als noch 2014 - damals war festgelegt worden, dass die Speicherung von Daten auf jameda.de zulässig sei, solange kein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse des Arztes bestehe. Abgewogen wurde damals zwischen dem Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung und dem Recht auf Meinungsfreiheit von jameda.de. Dabei war festgestellt worden, dass jameda.de durch die Ermöglichung des Austauschs zwischen Patienten über Ärzte eine unverzichtbare Mittelsperson für die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit sei und sich daher auch auf dieses Recht berufen könnte. In Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten stellte der BGH 2014 fest, dass Ärzte durch die Einträge auf Bewertungsportalen zwar durchaus in ihrem sozialen und beruflichen Geltungsanspruch betroffen seien - dass sich diese Einwirkung aber eben nur auf die berufliche Sphäre beschränke-. Ein Arzt müsse grundsätzlich immer damit rechnen, in seinem beruflichen Erscheinen bewertet zu werden. Da durch Arztbewertungsportale für mehr Leistungstransparenz gesorgt werde und dies dem Patienten bei der Arztwahl helfe, müsste das Recht der Ärzte auf informationelle Selbstbestimmung daher in der Regel zurücktreten.

 

Was hatte sich nun geändert? Durch Schaltung der Anzeigen der zahlungswilligen Ärzte auf den Seiten von nichtzahlenden Ärzten ist jameda.de nach Ansicht des BGH nicht länger mehr nur ein neutraler Informationsvermittler zwischen Arzt und Patient. Für Nutzer der Website ist nicht ersichtlich, dass die Anzeigen für Konkurrenten nur bei nichtzahlenden Ärzten eingeblendet werden, um so den Druck zum Abschluss eines Premium-Paketes zu erhöhen. Mit der Entscheidung für dieses Werbemodell stellte das Bewertungsportal ihr Geschäftsinteresse vor das Interesse an Informationsvermittlung - aus diesem Grund kann es sich auch nicht länger auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung berufen. Das Recht der betroffenen Ärzte auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt.

 

Fazit: Durch das Einblenden von Anzeigen ist jameda.de kein reiner Informationsvermittler mehr; daraus resultierte, dass Ärzte ihre Profile von der Seite löschen lassen können. Allerdings hat die Website bereits reagiert und nutzt das im BGH-Urteil kritisierte Werbemodell nicht mehr in dieser Form. Bei weiteren Fragen, wenden Sie sich bitte an einen Anwalt Ihres Vertrauens.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Urteil zu dem Begriff der „Praxisklinik“

Neues aus der Klinik

 

In seinem Urteil vom 8.11.2017 äußerte sich das Landgericht Essen zu der Definition des Begriffs „Praxisklinik“.

 

Ein Zahnarzt hatte für seine Praxis geworben, indem er sie als „Praxisklinik“ betitelte - und wurde verklagt, weil in dieser Bezeichnung ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften gesehen wurde: Sie sei irreführend. Die Kläger führten dabei zur Begründung aus, dass der Teilbegriff „Klinik“ wegen seiner Ähnlichkeit zu „Krankenhaus“ die Möglichkeit impliziere, Patienten für einen stationären Aufenthalt aufzunehmen. Um sich als „Praxisklinik“ zu bewerben, müsse daher neben einer ambulanten Behandlung auch stets die Möglichkeit stationärer Versorgungsleistungen geboten werden.

 

Das Landgericht Essen urteilte nun, dass die Begriffe „Zahnklinik“ und „Praxisklinik“ nicht synonym zu verstehen seien. Vielmehr ergebe sich aus der Zusammensetzung des Wortes, dass es sich hierbei um eine ambulante Einrichtung („Praxis“) mit der Möglichkeit operativer Eingriffe („Klinik“) handle. Diese operativen Eingriffe fänden in einer solchen Klinik aber eben nicht mit nachgelagertem stationären Aufenthalt, sondern im Rahmen des ambulanten Praxisbetriebs statt.

 

Eine Parallele sah das Landgericht dabei zu der „Tagesklinik“, die ebenfalls durch Voranstellung des Wortteils „Tages-“ die Erwartung an einen stationären Aufenthalt ausschließe. Dieses Begriffsverständnis sei vom Durchschnittsverbraucher zu erwarten, so dass der Zahnarzt mit seiner Werbung auch keine wettbewerbsverzerrende Irreführung betreibe.

Fazit:

Das Urteil eröffnet operativ tätigen Zahnärzten die Möglichkeit, auf ihr Leistungsspektrum durch entsprechende Kennzeichnung des Praxisbetriebes hinzuweisen. Nach wie vor steckt der Teufel aber im Detail. Wichtig ist dabei die begriffliche Abgrenzung zur „Zahnklinik“. Im Bedarfsfall sollten Sie sich fachkundig beraten lassen.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrcht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Wegeunfälle

Versicherung im Schlaf?

In seinem Urteil vom 8.1.2018 äußerte sich das Thüringer Landessozialgericht zu der Versicherung des Arbeitsweges.

Klägerin waren Mann und Tochter einer Fleischereifachverkäuferin. Diese war auf dem Rückweg von ihrer Arbeit im Regionalzug eingeschlafen und hatte ihre Station verpasst. Um den Gegenzug zu erreichen, überquerte sie an der nächsten Station die Bahngleise, wurde dabei von einer Rangierlok erwischt und verstarb im Anschluss. Ihre Angehörigen begehrten daher von der Unfallversicherung Hinterbliebenenleistungen.

Hinterbliebenenleistungen werden nach dem Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) nur dann gewährt, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eintrat, § 7 Abs. 1 SGB VII. Versichert sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn der Unfall während und aufgrund der Arbeit des Verunfallten stattgefunden hat. Dabei ist auch ein Wegeunfall, das heißt ein Unfall auf dem Arbeitsweg, noch versichert, § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, sofern der Unfall auf dem unmittelbaren Weg zu und von dem Arbeitsort stattgefunden hat.

Im vorliegenden Fall starb das Opfer infolge eines Unfalls. Die Parteien stritten allerdings darüber, ob dieser Unfall auch ein Arbeitsunfall war. Tatsächlich war die Verkäuferin nicht an der richtigen Station ausgestiegen, sondern weitergefahren. Sie befand sich somit nicht auf dem direkten Heimweg, sondern auf einem „Abweg“. Dieser Abweg, sofern er nicht ganz unerheblich ist, ist grundsätzlich unversichert - der Versicherungsschutz lebt erst wieder auf, wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Arbeitsweg befindet. Dabei ist es auch unwesentlich, dass die Verunfallte die Bahngleise nur überquerte, um nach Hause zu fahren. Sie befand sich nicht mehr auf dem direkten Arbeitsweg, daran änderte auch ihr „Heimkehrwille“ nichts.

Dennoch lässt nicht jeder Abweg auch den Versicherungsschutz erlöschen. Wenn das Abweichen vom direkten Weg etwa mit der Beschaffenheit des Wegs zusammenhängt, also verkehrsbedingte Gründe für den Umweg vorliegen, bleibt die Versicherung bestehen. In diesem Fall war das Unfallopfer allerdings eingeschlafen. Der Versicherungsschutz würde daher nur dann bestehen bleiben, wenn der Schlafmangel betriebsbedingte Gründe hätte. Die Verkäuferin hatte vortags eine Schicht bis 18.30 Uhr gehabt und an dem Unfalltag um 5.00 Uhr ihre Arbeit wieder begonnen. Der dazwischen liegende Zeitraum bietet genug Zeit für Nachtruhe - wie die Zeit allerdings tatsächlich genutzt wird, liegt in der Verantwortung des Arbeitnehmers.

Fazit: Im Ergebnis liegt hier kein Arbeitsunfall vor. Bevor Sie der Unfallversicherung einen Wegeunfall melden, sollten auch Sie prüfen, ob es sich tatsächlich um einen Versicherungsfall handelt. Bei Fragen hilft Ihr Anwalt gerne weiter.

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Zulassungsrecht

Mit der Zweiten läuft es besser?

Mit Urteil vom 7.9.2017 äußerte sich das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu den Voraussetzungen für den Betrieb einer Zweigpraxis.

Kläger war ein Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. Er beantragte die Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort als dem seines Hauptsitzes. Diese Zweigpraxis sollte Freitag nachmittags und Samstag vormittags öffnen und unter der Woche nur Notfallversorgung anbieten. Der Zulassungsausschuss der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung gab diesem Begehren allerdings nicht statt, woraufhin der Arzt klagte.

Die Genehmigung vertragsärztlicher Tätigkeiten außerhalb des Vertragssitzes richtet sich nach § 24 Abs. 3 S. 1 der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV). Die Voraussetzungen sind demnach, dass (1.) die Versorgung von Versicherten an anderen Orten als dem Hauptsitz der Praxis verbessert wird und dass (2.) die Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz nicht durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt wird. Dabei sind diese Voraussetzungen in der Gesamtschau zu beurteilen - das heißt, dass die Übererfüllung des einen Merkmals Schwächen bei dem anderen auszugleichen vermag. Ob die Voraussetzungen vorliegen, beurteilt in erster Linie der Zulassungsauschuss als zuständiges Organ, da er sachnäher ist. Das Gericht überprüft nur das Ergebnis auf grobe Fehler.

Eine Verbesserung der Versorgung ist in drei Fällen denkbar:

(1.) Liegt tatsächlich eine Unterversorgung in einem Gebiet vor, so stellt jede neu eröffnete Zweigpraxis eine Verbesserung dar. 

(2.) Eine qualitative Versorgungsverbesserung ist denkbar, wenn in der Zweigpraxis ein im Vergleich zu anderen Praxen differenzierteres Leistungsspektrum oder besondere Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden. Auch eine Verbesserung ist es, wenn der Vertragsarzt weitergehende Abrechnungsbefugnisse als andere Ärzte vor Ort hat.

(3.) Die Versorgung verbessert sich quantitativ, wenn die bestehende Versorgung ausgeweitet wird. Bei wie vorliegend angedachten zusätzlichen Behandlungszeiten nur am Wochenende können Patienten nicht vollumfänglich behandelt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Patienten, die kontinuierlich versorgt werden müssen, unter der Woche einen anderen Arzt aufsuchen - dies führt dann nicht zu einer Verbesserung der ärztlichen Versorgung in der Region, sondern vielmehr zu einer kostenintensiven Verschlechterung.

Fazit: Die Eröffnung einer Zweigpraxis ist möglich, wenn die Voraussetzungen der Ärzte-ZV vorliegen. Das Angebot einer im Kern eher notärztlichen Versorgung wird aber nicht ausreichen, um die Genehmigung zu erlangen. Daher sollte vor Beantragung das gedachte Angebot auf den Mehrwert für die Patientenversorgung innerhalb eines Gebietes überprüft werden.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Bundesverfassungsgericht

Numerus clausus für Medizin in Teilen verfassungswidrig


Mit Urteil vom 19.12.2017 hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem Vergabeverfahren für das Studium der Humanmedizin befasst und zahlreiche Änderungen gefordert.


Schon die Bewerbung für das Medizinstudium erfordert eine akademische Ausbildung. In aller Einfachheit sei vorweg erklärt: Es gibt drei Quoten für die Verteilung der Studiumsplätze: für die Abiturbesten, für Härtefälle (und Wartende) und über hochschuleigene Auswahlverfahren. Drei Quoten bieten zwar drei Möglichkeiten, versprechen aber noch lange keinen Erfolg für jeden. Im Wintersemester 2017/18 wurden nur 21,2 % der Bewerber zum Studium zugelassen. Die Abiturnote für eine Zulassung über die Abiturbestenquote liegt bei 1,0 bis 1,2. Ist die Note weit von der 1,x Grenze entfernt, kann die Wartezeitquote genutzt werden. Allerdings waren 2017/18 14 Wartesemester erforderlich - und dennoch erhielten nicht alle Wartenden einen Platz, sondern letztendlich entschied wieder die Abiturnote.


Zwei Bewerber hatten gegen ihre Nichtzulassung geklagt. Das zuständige Verwaltungsgericht ließ die rechtliche Lage vom BVerfG überprüfen. Das BVerfG übte dabei einige Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung der Bewerbungsverfahren. Die wichtigsten Punkte sind:


Kritisiert wurde die Abiturbestenquote. Denn hier werden - entgegen dem Namen - die Studienplätze nicht ausschließlich an die besten Schüler verteilt (Unterschiede zwischen den Bundesländern werden durch Länderquoten ausgeglichen), vielmehr spielt auch die Ortspräferenz eine Rolle. Der Bewerber muss (nur) sechs Wunschstudienorte priorisieren. Bei der Verteilung der Studienplätze wird dann vorrangig der Rang des Ortswunsches berücksichtigt und erst im zweiten Schritt die Abiturnote. Dies kann dazu führen, dass ein Bewerber nicht berücksichtigt wird, weil die Abiturnote für den ersten Ortswunsch nicht ausreichend ist - selbst, wenn für die folgenden Ränge Bewerber mit schlechteren Noten genommen werden. Bei der Bewerbung ist aber nicht vorherzusehen, welche Abiturnote für welche Universität erwartet wird. Aufgrund dieser Ungerechtigkeit - schließlich trifft die Aussage über den Wunschstudienort keine Aussage über die Eignung eines Bewerbers - kritisierte das BVerfG die Ortspräferenz.

  
Auch die Auswahlverfahren der Hochschulen sind zu überarbeiten. Der Gesetzgeber wünscht, dass dort auch andere Eignungskriterien als die Abiturnote geprüft werden. Solche Kriterien schlägt er aber nur katalogartig vor und überlässt weiteres den Hochschulen, die sich daher teilweise trotzdem auf Abiturnote (und Ortspräferenz) stützen. Dabei sollen im Hochschulverfahren eben auch nicht  schulnotenbasierte Eignungskriterien geprüft werden, um Bewerbern mit ausgeprägten sozial-kommunikativen und empathischen Fähigkeiten, die nur Zehntelnotenstufen unter den Abiturbesten liegen, eine Chance zu geben. Um die Auswahlverfahren gerechter zu gestalten, soll der Gesetzgeber die Zulassungskriterien nun einheitlich und verbindlich festlegen und die Standardisierung und Strukturierung von Eignungsprüfungen überwachen.


Ebenfalls Kritik übte das BVerfG an der Wartezeitquote. Zwar ist die Einrichtung der Wartezeit keine Verpflichtung, sondern lediglich ein Entgegenkommen des Gesetzgebers, um auch schlechteren Abiturienten mit ausreichender Motivation und Beharrlichkeit die Möglichkeit eines Studiums einzuräumen. Da diese Möglichkeit aber nun besteht, muss sie auch verfassungsmäßig ausgestaltet sein. Die aktuelle Länge der Wartezeit (wir erinnern uns: 14 Semester!) wirkt dysfunktional - Studenten haben nach derart langer Wartezeit geringere Studienerfolge und brechen ihr Studium öfter ab. Die Wartezeit muss demnach in ihrer Länge begrenzt werden.


Fazit: Das BVerfG kritisierte die bisherige Zulassungspraxis für das Medizinstudium hart. Diese Kritik könnte sich auch auf andere zulassungsbeschränkte Studiengänge auswirken. Es muss aber dennoch vor voreiliger Freude gewarnt werden: auch diese Rechtsprechung schafft keine neuen Studienplätze. Es kann nur gehofft werden, dass die künftige Vergabepraxis sich an
breiteren Eignungskriterien orientieren wird und damit die "fähigen" Interessenten zum Zuge kommen und nicht nur die formal Geeigneten.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Ärztliche Fortbildung

Die Untätigkeit ist der Approbation ihr Tod


Das Sozialgericht München bestätigte mit Urteil vom 24.5.2017 die Rechtmäßigkeit des Zulassungsentzugs bei fehlender Fortbildung.
Kläger war ein Frauenarzt, der gegen den Entzug seiner Zulassung klagte. Der Zulassungsausschuss hatte sich für den Entzug entschieden, da er den Arzt als ungeeignet zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sah.

Hintergrund der Entscheidung ist die gesetzlich vorgeschriebene Fortbildungspflicht in § 95d SGB V (Sozialgesetzbuch V). Ein Vertragsarzt hat sich demnach in dem Umfang fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung seiner medizinischen Kenntnisse notwendig ist. Auf diese Weise soll auch eine Behandlung nach dem neusten Stand medizinischer Kenntnisse gesichert werden. Die Fortbildung muss durch Fortbildungsnachweise belegt werden. In dem konkreten Fall hatte der Arzt trotz fünfmaliger Erinnerung und über mehrere Quartale verteilte Honorarkürzungen von 10 - 25 % keine Fortbildungsnachweise erbracht. Der Arzt legte Klage gegen den Entzug der Zulassung ein.


Die gesetzliche Grundlage für den Entzug der Zulassung findet sich in § 95 Abs. 6 SGB V und in § 27 der Ärzte-ZV  (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte). Demnach kann die Zulassung u.a. entzogen werden, wenn ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Bereits aus der ausdrücklichen Regelung des Zulassungsentzug wegen fehlender Fortbildung in § 95d SGB V kann auf den hohen Stellenwert der Fortbildungspflicht für Vertragsärzte geschlossen werden. Dennoch muss bei einer derart schwerwiegenden Maßnahme immer die Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Handelt es sich allerdings nicht nur um die Verfehlung der Nachweispflicht um ein paar Stunden, sondern um die Nicht-Fortbildung trotz mehrfacher Aufforderung über einen längeren Zeitraum, lässt die gesetzliche Regelung nicht mehr viel Spielraum für andere Maßnahmen als den Zulassungsentzug. Daran können auch nachträglich eingereichte Nachweise nichts mehr ändern. Der in § 95 Abs. 3 S. 6 SGB V genannte Zeitraum für die Einreichung von Nachweisen ist eine Ausschlussfrist!


Eine private, unkontrollierte Fortbildung „auf eigene Faust“ kann dabei die gesetzlich vorgeschriebene Fortbildung nicht adäquat ersetzen. Sie kann nicht überprüft werden und kann daher nicht den Qualitätsstandard für Vertragsärzte garantieren. Grundsätzlich ist bei einer schwerwiegenden Maßnahme wie dem Zulassungsentzug stets eine Gesamtbewertung des Arztverhaltens vorzunehmen. Ist allerdings der Pflichtverstoß derart grob, vermag auch ein vorbildliches Vorverhalten an dem geschädigten Verhältnis zwischen Vertragsarzt
und vertragsärztlichen Institutionen nichts zu ändern. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Honorarkürzungen zwar keine expliziten Disziplinarmaßnahmen darstellen - sie sind aber in ihrer Wirkung mit Geldbußen vergleichbar, so dass auch von ihnen die gleiche Warnwirkung ausgeht. Ein Arzt, gegen den Honorarkürzungen ergangen sind, ist demnach bereits „angezählt“.


Fazit: Die gesetzliche Fortbildungspflicht für Vertragsärzte ist nicht als unverbindliche Empfehlung zu verstehen. Vielmehr können bei Verstoß schwerwiegende Konsequenzen drohen. Sollten auch Sie in der Vergangenheit Ihre Fortbildungspunkte vernachlässigt haben, ist eine anwaltliche Beratung anzuraten.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Wenn der Schein trügt

 

Der Mitgesellschafter ist nicht unbedingt Mitunternehmer - und das hat steuerliche Folgen!

 

In zwei Urteilen beschäftigte sich der Bundesfinanzhof (BFH) am 3.11.2015 mit der Einordnung eines Mitgesellschafters als Mitunternehmer und den Folgen für die Besteuerung der ganzen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

 

Kläger waren die Gesellschafter einer Ärzte-GbR. Sie hatten eine weitere Gesellschafterin (N.) aufgenommen, deren Mitunternehmer-Stellung bei einer Außenprüfung verneint wurde. In Folge dessen wurden die gesamten Einkünfte der GbR als gewerbliche Einkünfte veranlagt, obwohl N. an deren Erwirtschaftung nur zu einem geringen Teil beteiligt war.

 

Hintergrund ist die „Abfärberegelung“ in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG). Diese hat zur Folge, dass Einkünfte, die vorwiegend aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt werden, insgesamt der Gewerbesteuer unterliegen, sobald nur ein Teil der Einkünfte gewerblicher Art ist.

 

Grundsätzlich gilt zwar, dass eine ärztliche GbR keine gewerblichen Einkünfte erzielt, da ihre Tätigkeit freiberuflich ist. Dies trifft allerdings nur zu, wenn alle Gesellschafter der GbR auch Mitunternehmer gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sind.

 

Die Bewertung des Mitgesellschafters als Mitunternehmer

Es muss also zunächst festgestellt werden, ob ein Mitgesellschafter auch Mitunternehmer ist. Dies ist nicht automatisch der Fall. Für die Stellung als Mitgesellschafter sind zwei Faktoren ausschlaggebend: zum einen muss der Gesellschafter ein Mitunternehmerrisiko tragen, zum anderen auch eine Mitunternehmerinitiative ausüben können.

 

Mitunternehmerrisiko bedeutet, dass der Gesellschafter an Gewinn, Verlust und den stillen Reserven der GbR teilnimmt. Dabei ist die Beteiligung am Gewinn obligatorisch, eine Beschränkung der Verlustbeteiligung dagegen unschädlich.

 

Im vorliegenden Fall sah der Gesellschaftsvertrag vor, dass N. eine „Beteiligung zu Null“ erhalten sollte. Ihre Vergütung erfolgte in prozentualer Abhängigkeit vom eigenen Honorarumsatz; ab einem Umsatz von über 200.000 € sollte, sofern entsprechender Gewinn erzielt wurde, dieser Prozentsatz erhöht werden. Daneben haftete die GbR gemeinschaftlich für ihre Verbindlichkeiten, wobei ein Ausgleich im Innenverhältnis vorgesehen war.

 

Zu fragen ist, ob aus diesen Regelungen ein Mitunternehmerrisiko geschlussfolgert werden kann. Zwar wurde die Vergütungsregelung für N. im Vertrag als Gewinnbeteiligung bezeichnet, tatsächlich aber lag nur eine vom eigenen Umsatz abhängige Vergütung vor und der Gewinn der GbR markierte nur eine Grenze für die Höhe des Vergütungsanspruchs. Eine Verlustbeteiligung erfolgte im Umkehrschluss nur sehr begrenzt durch die Abhängigkeit der Vergütungshöhe vom Gewinn. Somit verblieb nur das im Innenverhältnis beschränkte Haftungsrisiko.

 

Auch wenn nur ein geringes Mitunternehmerrisiko besteht, könnte dies durch eine starke Ausprägung der Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden. Mitunternehmerinitiative ist die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen - vor allem durch die Möglichkeit zur Ausübung der Gesellschaftsrechte. Aber auch wenn im Gesellschaftsvertrag eine gemeinschaftliche Geschäftsführung aller Gesellschafter vorgesehen war, wurden hiervon wesentliche Bereiche wie Neuinvestitionen und der Zugriff auf die Konten ausgenommen.

 

Da sowohl die Mitunternehmerinitiative als auch das Mitunternehmerrisiko somit nur sehr eingeschränkt vorhanden waren, lag eine Mitunternehmerstellung nicht vor.

 

Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit

Auch wenn N. somit nicht Mitunternehmerin ist, hätte die GbR die Gewerblichkeit vermeiden können. Denn auch Freiberuflern ist es grundsätzlich gestattet, sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte zu bedienen. Diese Mithilfe kann die ärztliche Tätigkeit jedenfalls in Teilbereichen ersetzen. Allerdings ist die freiberufliche Tätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Freiberufler eigene, höchstpersönliche Arbeitsleistungen erbringt. Er muss deshalb auch bei Delegation der Behandlung von Patienten an seine Hilfskräfte diese anleiten und die Behandlung muss stets seiner Eigenverantwortung zuzurechnen sein. N. jedoch behandelte ihre Patienten selbst, ohne Überwachung oder Mitwirkung seitens der anderen Gesellschafter. Somit lag keine steuerunschädliche Delegation vor.

 

Fazit: Wird ein Gesellschafter in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, ohne dass dieser an Gewinn und Verlust beteiligt ist oder in großem Maße an der Gestaltung der GbR teilnimmt, kann es teuer werden - schnell werden dann alle Einkünfte der GbR als gewerbliche Einkünfte herangezogen. Ein Gesellschaftsvertrag sollte daher immer in Zusammenarbeit mit einem Anwalt verfasst werden!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Arzthaftung

Wer behauptet, muss beweisen?!

- Die Beweislastumkehr bei ärztlichen Behandlungsfehlern -

In seinem Urteil vom 17.11.2015 beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob es als Befunderhebungsfehler zu bewerten ist, wenn eine diagnostische Maßnahme vom Hausarzt zwar angeraten wird, dem Patienten aber die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Maßnahme nicht verdeutlicht werden.

Kläger waren die Witwe und der Sohn eines Patienten. Sie klagten gegen den Hausarzt auf Schmerzensgeld und den Ersatz von Beerdigungskosten und des Unterhaltsschadens. Der verstorbene Patient war wegen Bluthochdrucks, Diabetes und einer Störung des Fettstoffwechsels seit 1993 bei seinem Hausarzt in Behandlung. 2007 bemerkte der Hausarzt eine Veränderung des EKG, weswegen er seinem Patienten ein Cardio-MRT und eine Koronarangiographie zur Abklärung vorschlug. Diese Maßnahmen lehnte der Patient allerdings ab, da er abwarten wollte, wie sich sein Gesundheitszustand entwickelte. Erst 2008 wurde der Patient wegen permanenten Vorhofflimmerns an eine Klinik überwiesen. Nach invasiver diagnostischer Abklärung, durch die u.a. eine operationspflichtige koronare Dreigefäßerkrankung festgestellt wurde, wurde dem Patienten ein Linksherzunterstützungssystem implantiert. Nach der Operation verstarb der Patient.

Ein Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch kann den Klägern nur zustehen, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Verhalten des Hausarztes für den Tod des Patienten ursächlich war. Grundsätzlich muss jede Partei Beweis für die Tatsachen erbringen, die sich für sie positiv auswirken. Die Kläger müssten demnach die Kausalität beweisen - es sei denn, es liegt ein Fall der Beweislastumkehr vor. In dem Fall müsste der Hausarzt sich entlasten, in dem er nachweist, dass sein Verhalten nicht ursächlich war.

Unproblematisch stellt der unterlassene Hinweis auf die Dringlichkeit der diagnostischen Abklärung einen Behandlungsfehler dar, denn nach der Diagnose des Hausarztes bestand ein nicht unerhebliches Herzinfarktrisiko. Darüber hätte der Arzt seinen Patienten aufklären müssen, um ihm die Dringlichkeit weiteren Handelns zu verdeutlichen.

Für die Beweislastumkehr ist aber ein Behandlungsfehler allein nicht ausreichend - vielmehr muss der Behandlungsfehler „grob“ sein. Für diese Grobheit muss der Arzt unter Verstoß gegen Behandlungsregeln oder medizinische Erkenntnisse einen Fehler begangen haben, der einem Arzt nicht unterlaufen darf. Hier allerdings hatte der Hausarzt insgesamt sorgfältig gehandelt, die korrekte Diagnose gestellt und nur den Hinweis auf die Dringlichkeit unterlassen. Ein solches Verhalten stellt keinen groben Behandlungsfehler dar. Der Patient hätte  aufgrund der Diagnose zwar nicht unbedingt die Dringlichkeit, aber zumindest die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung erkennen können.

Liegt kein grober Behandlungsfehler vor, so liegt die Beweislast dennoch beim Arzt, wenn er einen Befunderhebungsfehler gemacht hat. Ein solcher Fehler betrifft die unzureichende Abklärung der Symptome und den daraus resultierenden fehlerhaften Befund.

Da der Fehler des Hausarztes die Aufklärung über die Dringlichkeit des weiteren Vorgehens betrifft, ist zu fragen, ob dieser Fehler noch in der Befunderhebung anzusiedeln ist. Der BGH verneint dies. Die Aufklärung erfolgt vielmehr im Anschluss an die (hier korrekt erfolgte) Befunderhebung. Der Hinweis auf die Dringlichkeit einer weiteren Behandlung und die Gefahrwarnung für den Fall der Nicht-Behandlung sind Maßnahmen der therapeutischen Beratung. Bei ihnen liegt der Schwerpunkt nicht mehr in der Befunderhebung, denn diese ist bereits abgeschlossen, vielmehr dienen sie der Sicherstellung des Behandlungserfolgs.

Fazit: Nicht immer gilt der Grundsatz, dass nur das bewiesen werden muss, was einem selbst nützt. Vor allem im Arzthaftungsrecht spielt die Beweislastumkehr eine wichtige Rolle. Im Einzelfall kommt es auf die richtigen Argumente an.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Ganzheitliche Zahnmedizin? - Ja, aber mit erhöhter Sorgfalt! -

Die Anwendung von nicht allgemein anerkannten Therapieformen ist rechtlich grundsätzlich erlaubt. Die Entscheidung des Arztes für die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Therapieform setzt aber eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und das Wohl des Patienten voraus.

In seinem Urteil vom 30.5.2017 befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Patientin, die ihrem Zahnarzt fehlerhafte Behandlung vorwarf und daher Schadensersatz sowie Schmerzensgeld verlangte.

Die Patientin hatte den Zahnarzt nach einem Vortrag zur ganzheitlichen Behandlung aufgesucht. Auch in seinem Internetauftritt stellte der Zahnarzt die ganzheitliche Behandlung von Kieferproblemen als Lösung für allgemeine körperliche Beschwerden dar. Der Beklagte diagnostizierte bei seiner Patientin unter anderem ein "mehrfaches Zahnherdgeschehen mit Abwanderungen von Eiweißverfallsgiften in den rechten Schläfen- und Hinterkopfbereich und bis in den Unterleib“. Zur Therapie dieses Befundes entfernte er der Klägerin sämtliche Backenzähne operativ und fräste ihren Kieferknochen aus. Im Anschluss an die Behandlung traten bei der Klägerin verschiedene Beschwerden auf, die von anderen Zahnärzten kostenintensiv behandelt werden mussten.

In den Vorinstanzen wehrte sich der Zahnarzt gegen den Vorwurf der fehlerhaften Behandlung.

Der Patientin war durch seinen Vortrag und den Internetauftritt bekannt, dass er eine ganzheitliche und nicht allgemein anerkannte Methode anwendete und sie hatte sich aus diesem Grund für ihn entschieden. Eine Einwilligung in die Behandlung lag vor.

Der BGH unterstrich, dass auch die Anwendung nicht allgemein anerkannter Therapieformen erlaubt ist. Jeder Patient kann in gewissen Grenzen selbst entscheiden, wie er behandelt werden möchte. Damit ein Patient sich allerdings für eine Behandlungsmethode entscheiden und wirksam in sie einwilligen kann, ist eine umfassende Aufklärung notwendig.

Damit ein (Zahn-)Arzt seine Empfehlung für eine bestimmte Behandlungsmethode aussprechen kann, muss er eine sorgfältige Befunderhebung durchführen - vor allem bei multiplen Beschwerdebildern ist hierfür eine interdisziplinäre Arbeitsweise notwendig. Dabei dürfen nur wegen eines vorzugsweise praktizierten alternativen Ansatzes auch Behandlungsweisen der Schulmedizin nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr sind vor allem bei der Wahl einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode höhere Anforderungen an die Sorgfalt des Arztes bei der Erarbeitung seiner Therapievorschläge unter Einbeziehung des individuellen Beschwerdebildes des Patienten zu stellen. Selbstverständlich erhöhen sich dabei die Anforderungen, je schwerwiegender ein Eingriff ist.

Fazit: Die Wahl alternativer Behandlungsmethoden ist mit Einwilligung des Patienten erlaubt und kann unter Umständen den Stand der Wissenschaft sogar besser als die Schulmedizin abbilden.

Allerdings ist von Leichtfertigkeit abzuraten - das Wohl des konkreten Patienten steht stets im Vordergrund. Die Behandlungsmethode muss auf den Patienten angepasst werden und nicht der Patient auf die Behandlungsmethode. Bei Unklarheiten bezüglich der Patientenaufklärung oder der Wirksamkeit einer Einwilligung sprechen Sie bitte Ihren Anwalt an!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrcht

Arbeitszeugnis

Zu viel des Lobes!

Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit - das sind die Grundsätze bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses. Für Ironie und Überzeichnung zeigte das LAG Hamm jedoch wenig Verständnis.

Wird ein Arbeitsverhältnis beendet, sind gute Arbeitszeugnisse ein Bewerbungsvorteil im Bemühen um eine neue Anstellung. Aus diesem Grund statuiert in Deutschland § 109 Gewerbeordnung (GewO) das Recht des Arbeitnehmers auf Ausstellung eines schriftlichen Arbeitszeugnisses. In einem einfachen Zeugnis müssen mindestens die Art und Dauer der Tätigkeit aufgeführt sein. Da ein solches Zeugnis allerdings für potenzielle Arbeitgeber nur wenig Aussagekraft hat, ist auf Verlangen auch ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen, in dem Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers beurteilt werden.

Ein Arbeitszeugnis unterliegt dem Grundsatz der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit. Zeugnisklarheit verlangt eine eindeutige und verständliche Formulierung unter Vermeidung von Zweideutigkeit. Das Arbeitszeugnis wird grundsätzlich vom Arbeitgeber formuliert, er kann diese Aufgabe aber auch dem Arbeitnehmer überlassen.

Auch in dem Verfahren, das am 14.11.2016 mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm endete, hatte sich ein Arbeitnehmer mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin in einem gerichtlichen Vergleich darauf geeinigt, dass er selbst einen Entwurf für sein Arbeitszeugnis formulieren dürfe, den die Arbeitgeberin dann umsetzen müsse.

Das fertige Arbeitszeugnis aber wich tatsächlich von dem Entwurf ab - und zwar durch seine positiven Formulierungen. So ersetzte die Arbeitgeberin „sehr gut“ durch „extrem gut“, „immer“ durch „selbstverständlich immer“ und „stets kompetent“ durch „zu jeder Zeit äußerst kompetent“. Doch damit nicht genug des Lobes. Die ursprüngliche abschließende Bewertung „Wir bewerten ihn mit „sehr gut“.“ wurde kurzerhand durch ein „Wenn es eine bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.“ ersetzt. Mit dieser überguten Bewertung stimmte allerdings die Abschiedsfloskel nicht überein: statt des vorformulierten „Wir bedauern das Ausscheiden sehr.“ schrieb die Arbeitgeberin „Wir nehmen das Ausscheiden zur Kenntnis.“. 

Die Arbeitgeberin behauptete, sie habe lediglich Formulierungsalternativen verwendet, der Arbeitnehmer hingegen sah seinen Entwurf durch die Übersetzungen ins Lächerliche gezogen - und das LAG gab ihm Recht.

Die Parteien hatten dem Arbeitnehmer die Anfertigung des Arbeitszeugnisses überlassen – dem Entwurf musste die Arbeitgeberin daher folgen, wenn auch nicht in allen Punkten. Ein Arbeitgeber muss nicht inhaltlich unwahres in dem Arbeitszeugnis seines Mitarbeiters durchwinken, denn das würde gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstoßen. Bei unwahren Angaben gibt es einen „wichtigen Grund“ von dem Entwurf des Arbeitnehmers abzuweichen. In dem angesprochenen Fall aber veränderte die Arbeitgeberin nur Wertungen, indem sie sie übertrieben steigerte. Dadurch wurden keine Tatsachen richtig gestellt, sondern vielmehr, vor allem in Zusammenschau mit der Abschlussformulierung, eine Ironisierung bewirkt, die das Zeugnis insgesamt seiner Ernsthaftigkeit beraubte. Aus diese Grund bewertete das LAG die Veränderungen als ungültig.

Fazit: Wer das Arbeitszeugnis erstellt, ist oft Ergebnis einer individuellen Absprache zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gleich, wer der Verfasser ist, muss sich keine Seite mit Unwahrheiten abfinden - Tatsachen können richtig gestellt werden. Für humoristische Auslassungen aber ist ein Arbeitszeugnis der falsche Platz. Im Zweifelsfall kontaktieren Sie bitte Ihren Anwalt!

Sylvia Harms
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Medizinrecht

Wer behauptet, muss beweisen.


Das Landgericht München stärkt die Position der Ärzteschaft im Kampf gegen Negativbewertungen auf Arztbewertungsportalen.


Gerichte aller Instanzen beschäftigen sich mehr und mehr mit Arztbewertungsportalen wie jameda.de oder sanego.de. Auch an dieser Stelle wurde u.a. bereits über das BGH-Urteil berichtet, dass den Portalen erweiterte Prüfungspflichten bei Hinweisen auf fehlerhafte
Bewertungen auferlegte („Sechs, setzen?“, November 2016).


Mit Urteil vom 3.3.2017 gibt das Landgericht München Ärzten und Zahnärzten aber eine noch schärfere Waffe in der Auseinandersetzung mit den Bewertungsportalen an die Hand. Auf den Portalen kann jedermann Bewertungen seines Arztbesuchs und der erfolgten Behandlung in Textform und anhand einer Notenskala abgeben. In der Vergangenheit sahen sich Ärzte und Zahnärzte zum Teil schlechten Bewertungen gegenüber, die mit keinem ihrer behandelten Patienten in Verbindung gebracht werden konnten. Löschungsersuchen an die Portale waren aber nur selten von Erfolg gekrönt - diese pflegten in solchen Fällen, erst einen Beweis von dem betroffenen (Zahn-)Arzt zu verlangen, dass ein Behandlungskontakt nicht stattgefunden hatte.


Diese Praxis unterband das Landgericht München nun mit seinem vielbeachteten Urteil. Ein Zahnarzt sah sich mit einer schlechten Bewertung in Textform („nicht zu empfehlen“) und der entsprechenden Note „5“ in den Kategorien „Behandlung“ und  Vertrauensverhältnis“ konfrontiert, ohne die beschriebene Behandlung einem seiner Patienten zuordnen zu können. Nach dem der Zahnarzt jameda.de auf diese Unstimmigkeit hingewiesen hatte, zogen sich die mit dem Hinweis auf eine Bestätigungs-Mail des vorgeblichen Patienten aus der Verantwortung. Eine Löschung der Bewertung könne nur erfolgen, wenn der Zahnarzt ihre Unrichtigkeit beweise.


Das Landgericht München urteilte allerdings, dass nicht der (Zahn-)Arzt in der Beweispflicht sei. Dies sei auch nur schwerlich umsetzbar, weil der Betroffene meist nicht mal den Namen des Bewertenden kennt. Vielmehr sei jameda.de in der Verantwortung zu beweisen, dass der Behandlungskontakt stattgefunden habe und dass die Behauptungen wahr seien. Sei die Behauptung strittig, könne nicht einfach ihre Wahrheit unterstellt werden. Für die Beweisführung reicht außerdem nicht nur die Vorlage einer „aus Datenschutzgründen“ geschwärzten eMail. Vielmehr müssen die Kontaktdaten des Patienten zur Verfügung gestellt werden, damit dieser ggf. auch als Zeuge aussagen kann.
Wenn jameda.de der Beweis der Wahrheit der Behauptungen nicht gelingt, hat dies zur Folge, dass sowohl die schriftliche Bewertung, als auch die schlechten Noten von der Plattform gelöscht werden müssen.


Fazit: Ärzte und Zahnärzte sollten darauf achten, in regelmäßigen Abständen die gängigen Bewertungsportale zu checken. Bei Negativbewertungen, die nicht der Wahrheit entsprechen, sind sie nun nicht länger hilflos, sondern können sich auch gerichtlich wehren! Im Bedarfsfalle wenden Sie sich an einen Anwalt.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

MVZ - Ausbildung von Vorbereitungsassistenten


Mit Beschluss vom 16.5.2017 setzte sich das Sozialgericht Düsseldorf mit der Frage auseinander, wer in einem zahnärztlichen MVZ einen Vorbereitungsassistenten beschäftigen darf.


Zunächst: Was ist ein MVZ? In einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) können beliebig viele Ärzte, Zahnärzte oder Psychotherapeuten fachübergreifend zusammenarbeiten. Die Ärzte können dabei sowohl als angestellte Ärzte als auch als Vertragsärzte tätig sein. Die Behandlungsverträge werden allerdings immer mit dem MVZ und nicht mit dem behandelnden Arzt selbst geschlossen. Die medizinische Leitung in einem MVZ wird von einem (Zahn-)Ärztlichen Leiter, der selbst (Zahn-)Arzt sein muss, übernommen.


In dem Fall, über den durch das Sozialgericht Düsseldorf entschieden wurde, beantragte eine Zahnärztin die Genehmigung für die Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten in dem MVZ, in dem sie angestellt war. Dieser Antrag wurde abgelehnt, wogegen die Zahnärztin sich gerichtlich zur Wehr setzte.


Die Genehmigung wurde verweigert, da in dem MVZ bereits ein Vorbereitungsassistent beschäftigt wurde. Wie § 32 Abs. 2 der Zahnärzte-Zulassungsverordnung entnommen werden kann, darf pro Vertragszahnarzt nur ein Vorbereitungsassistent beschäftigt werden. Nur so kann der Ausbildungsverpflichtung genüge getan werden. Die antragsstellende Zahnärztin wendete gegen die Ablehnung ein, dass in einem MVZ eine unbegrenzte Zahl an Zahnärzten angestellt werden könnten. Die Genehmigung für die Anstellung würde aber nur erteilt, wenn die Zahnärzte zulassungsfähig sind, sie also auch als Vertragszahnärzte tätig werden könnten. Da also die Eignung zum Vertragszahnarzt auch bei den angestellten Zahnärzten eines MVZ bestehe, seien diese auch in der Lage einen Vorbereitungsassisten auszubilden. 

Dieser Argumentation folgte das Gericht indes nicht. Die Vorbereitungsassistenz von Zahnärzten dient der Ausbildung im vertragszahnärztlichen System. Zwar sollen in diesem Zusammenhang auch praktische Erfahrungen gesammelt werden, im Vordergrund steht aber das Erlernen der vertragszahnärztlichen Rechte und Pflichten im Hinblick auf die Zulassung. Zu diesen vertragszahnärztlichen Erfordernissen gehören vor allem die Abrechnung und Vertragskenntnisse. Angestellte Zahnärzte in einem MVZ aber rechnen ihre Leistungen nicht selbst ab, sie tragen auch kein eigenes wirtschaftliches Risiko und sind nicht persönlich für die Wahrnehmung des
Versorgungsauftrags verantwortlich. Vielmehr übernimmt sowohl die Abrechnung als auch die Haftung der Praxisinhaber bzw. der zahnärztliche Leiter eines MVZ. Da die angestellten Zahnärzte in einem MVZ sich somit in den relevanten vertragszahnärztlichen Fragen nicht auskennen, können sie in diesem Bereich auch nicht ausbilden. Diese Fähigkeit hat allein der zahnärztliche Leiter des MVZ und dieser kann nur für die Ausbildung eines Vorbereitungsassistenten in hinreichendem Maße die Verantwortung tragen.


Fazit: Zwar erfüllen die angestellten Zahnärzte eines MVZ die Zulassungsvoraussetzungen - dennoch haben sie reduzierte Rechte und Pflichten im Vergleich zu Vertragszahnärzten. Aus diesem Grund fehlt ihnen die Kenntnis in den relevanten vertragszahnärztlichen
Ausbildungsgebieten. Eine ordnungsgemäße Ausbildung kann daher nur von dem zahnärztlichen Leiter eines MVZ gewährleistet werden.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Big Brother is watching you.


Mit Urteil vom 14. Januar 2016 entschied das Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg über die Verwertung von Internetverläufen im Kündigungsschutzprozess.


In Zeiten von Social Media, Online-Shopping, -Banking und -Kommunikation ist die Verlockung groß, auch während der Arbeitszeit einen Blick auf privat genutzte Websites zu riskieren. Was aber, wenn die private Internetnutzung während der Arbeitszeit ausufert?


Ein Arbeitnehmer wehrte sich in einem Kündigungsschutzprozess gegen seine Kündigung. Die war ausgesprochen worden, da seinem Arbeitgeber bei der Überprüfung des Internet-Datenvolumens auf seinem Rechner eine exzessive Internetnutzung auffiel. Im Prozess bestritt der Arbeitnehmer, das Internet übermäßig privat genutzt zu haben - er habe es vor allem zu dienstlichen Zwecken gebraucht, während sich die private Nutzung auf die Arbeitspausen beschränkt habe. Als Gegenbeweis legte sein Arbeitgeber die Internetchronik des ausschließlich vom Kläger genutzten Dienstrechners vor. Aus der Dokumentation ging hervor, dass der Kläger innerhalb von 30 Arbeitstagen bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden knapp 16.000 Websites privat aufgerufen hatte. Dies entspricht einer Internetnutzungszeit von etwa 40 Stunden. Unter den aufgerufenen Seiten befanden sich neben Banken und Onlinehändlern auch Pornographieseiten. Aus der Auflistung geht hervor, dass eine derartige Nutzung des Internets nicht ausschließlich in den Arbeitspausen stattfinden konnte. Diese Arbeitspflichtverletzung ist ein Grund für eine außerordentliche Kündigung.


Die Frage, die sich stellt, ist allerdings: Darf die Auswertung des Internetverlaufs in einem Zivilprozess genutzt werden? 


Grundsätzlich gibt es im Zivilprozess kein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot. Stattdessen prüft der Richter im Einzelfall, ob die Beweisverwertung mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Unter das Persönlichkeitsrecht fällt auch die informationelle Selbstbestimmung, also die Herrschaft über personenbezogene Daten, wie sie in § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) definiert sind. Das Internetnutzungsverhalten, wie es aus der Browserchronik hervorgeht, ist ein solches personenbezogenes Datum. Der Arbeitnehmer hatte nicht in die Auswertung seines Nutzungsverhaltens eingewilligt. Allerdings erlaubt das BDSG die Speicherung solcher Daten, die für die Durchführung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses von Relevanz sind (§ 32 Abs. 1 BDSG). Das ist hier der Fall, denn der Internetverlauf wurde genutzt, um den Missbrauch des dienstlichen Internetzugangs im Kündigungsschutzprozess zu beweisen und so das Beschäftigungsverhältnis zu beenden. Da lediglich der Zeitpunkt des Seitenaufrufs sowie die aufgerufene Seite gespeichert wurden, war der Umfang der Datenerhebung auch nicht allzu schwerwiegend. Anders hätte das Internetnutzungsverhalten im Prozess nicht nachgewiesen werden können. Dazu kommt, dass der Arbeitnehmer darauf hingewiesen wurde, dass stichprobenartige Kontrollen der Dienstrechner möglich seien - Vertraulichkeit der Daten durfte er demnach nicht erwarten. Die Dokumentation des Browserverlaufs wurde als Beweismittel im Prozess zugelassen und die außerordentliche Kündigung hatte Erfolg.

Das Urteil wurde zur Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen. Dieses Verfahren endete allerdings mit einem Vergleich und daher ohne Urteil.


Fazit: Der Umfang der Internetnutzung in dem beschriebenen Fall ist außergewöhnlich. Dennoch sollte sich jeder Arbeitgeber Gedanken über die Leitlinien zur privaten Internetnutzung in seinem Unternehmen machen. Schließlich kann auch das nur gelegentliche „Checken“ privater Seiten zusammengenommen einen spürbaren Arbeitszeitverlust ergeben. Grundsätzlich gilt: bei fehlender ausdrücklicher Gestattung oder zumindest Duldung, wobei Duldung die Kenntnis des Arbeitgebers voraussetzt, darf das Internet während der Arbeitszeit nicht privat genutzt werden. Bei ausufernder Internetnutzung kann eine außergewöhnliche Kündigung gerechtfertigt sein - zu Beweiszwecken dient dann ggf. der Internetverlauf.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin fü Medizinrecht

Partnerschaft beendet!

Mit Urteil vom 30.05.2017 erklärte das Landgericht Hamburg in erster Instanz das Partner-Factoring bei Zahnarztabrechnungen für rechtswidrig.

Beklagt war ein Anbieter von Factoring-Dienstleistungen für Zahnärzte. Die Factoring-Leistung besteht im Ankauf von Forderungen der Zahnärzte gegen ihre Patienten, um sie selbst einzuziehen. Dafür erhebt das Unternehmen eine Factoring-Gebühr beim Zahnarzt. Im Gegenzug übernimmt es das Forderungsausfallrisiko und der Zahnarzt erhält ohne Umstände sein Honorar.


Die Rechnungen eines Zahnarztes an seine Patienten können neben der Abrechnung der eigenen zahnärztlichen Leistung auch die Kosten für zahntechnische Leistungen eines Fremdlabors enthalten, sofern diese nicht bereits mit den Gebühren für die Zahnarztleistung abgegolten sind, § 9 Abs. 1 GOZ. Da der Zahnarzt also oftmals sein eigenes Honorar und die Kosten für das Labor zusammen vom Patienten fordert, bot das beklagte Factoring-Unternehmen das sog. Partner-Factoring an. Bei diesem Partner-Factoring übernimmt das Fremdlabor die zwischen Zahnarzt und Abrechnungsunternehmen vereinbarte Factoring-Gebühr für den Anteil der Laborkosten an der Gesamtrechnung und entlastet damit den Zahnarzt um diesen Betrag.


Der Kläger wandte sich gegen dieses Geschäftsmodell, da er in ihm einen Verstoß gegen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) sieht. So darf der Zahnarzt seinem Patienten gem. § 9 Abs. 1 GOZ nur seine tatsächlich entstandenen Kosten für zahntechnische Leistungen in Rechnung stellen. Jegliche Rabatte, Rückvergütungen etc. sind daher an den Patienten weiterzuleiten. Hinter diesem Grundsatz steht die Überlegung, dass ein Zahnarzt sich nur von medizinischen Überlegungen bei der Auswahl des Labors leiten lassen soll. Es kann durchaus eingewendet werden, dass durch das Factoring auch eine Dienstleistung für das Labor erbracht wird, da dieses das gleiche Interesse wie der Zahnarzt an prompter und problemloser Zahlung hat.

 

Das LG Hamburg wies diesen Einwand im Urteil allerdings ab. Zwar gäbe es auch Factoring-Verträge zwischen Laboren und Abrechnungsunternehmen, allerdings unterschieden sich diese von Factoring-Verträgen mit Zahnärzten, in die Labore  lediglich einbezogen werden. So knüpfen erstere an den Abrechnungszeitpunkt des Labors gegenüber dem Arzt an, nicht an der Rechnungsstellung des Arztes an den Patienten. Dementsprechend orientiert sich die Factoring-Gebühr auch an der Bonität des Arztes, statt an der des Patienten. Zudem reduziere ein von einem Labor geschlossener Factoring-Vertrag nicht die Factoring-Gebühr des Zahnarztes - an dieser Stelle machte das LG Hamburg fest, dass es beim Partner-Factoring nicht um einen Vorteil für das Labor, sondern um eine Kostenreduktion für den Zahnarzt gehe.


Letztendlich befand das Gericht, dass in dieser Kostenreduktion ein Vorteil des Zahnarztes läge, der an den Patienten weitergegeben werden müsse. In der Literatur wird dieser Kostenvorteil teilweise mit dem Skonto iHv 3 % verglichen. Die Vergleichbarkeit zum Skonto sah das LG Hamburg allerdings nicht. Denn die Factoring-Gebühren liegen nicht nur oftmals über 3 % - vor allem sei auch der Zweck des Skontos ein anderer: der pünktlich Zahlende soll für seine Zahlungsmoral belohnt werden. Somit ist Skonto im Prinzip die Erstattung der Zinsen für einen nicht benötigten Kredit. Da das Factoring aber nicht an die Rechnungsstellung des Labors, sondern an die des Zahnarztes anknüpft, würde nicht sichergestellt, dass die Zahlung innerhalb einer kurzen Zeit nach Rechnungsstellung des Labors erfolgt. Sinn und Zweck des Skontos sah das Gericht hier also nicht gewahrt. Das Gericht beurteilte das Partner-Factoring mithin als Druckmittel - das Labor habe keine andere Wahl als den Abschluss des Vertrags, um weiterhin vom Zahnarzt beauftragt zu werden.

 

Die sich aufdrängende, umstrittene und bisher von der Rechtsprechung nicht konturierte Problematik des neuen Antikorruptionsgesetzes, namentlich der §§ 299a und b StGB (Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) ließ allerdings auch das LG Hamburg bei dieser Frage außen vor.

Im Endergebnis sah das Gericht das Abrechnungsunternehmen als Anbieter von Partner-Factoring als Anstifter zu Verstößen gegen das UWG und damit gegen Wettbewerbsregeln. Für die Bewertung dieses Verhaltens befand es das LG Hamburg als unerheblich, dass Partner-Factoring-Verträge bisher noch übliche Geschäftspraxis waren.

 

Fazit: Das LG Hamburg sieht Partner-Factoring wegen des Verstoßes gegen das UWG als rechtswidrige Praxis. Noch ist das Urteil aber nicht rechtskräftig. Ein Verstoß gegen das neue Antikorruptionsgesetz wurde im Urteil weder ausgeschlossen noch impliziert. Die Vereinbarkeit des Partner-Factoring mit geltenden Gesetzen ist demnach weiterhin unsicher. Besprechen Sie mit Ihrem Anwalt das weitere Vorgehen!

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Medizinrecht

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Weiße Zähne zu festem Preis?


Mit Urteil vom 21.7.2016 gibt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main einer Unterlassungsklage gegen das Angebot von Zahnreinigungs- und Bleachingleistungen zum Pauschalpreis statt.


Geklagt hatte die berufsständische Vertretung der Zahnärzte in Hessen gegen eine Zahnärztin. Diese hatte kosmetische Zahnreinigungen und kosmetisches Bleaching zu Festpreisen auf einem Internetportal angeboten. Auf dem Portal konnten Gutscheine für diese Leistungen erworben werden. Die berufsständische Vertretung sah in diesem Verhalten sowohl einen Verstoß gegen die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) als auch gegen Wettbewerbsvorschriften.


Das OLG gab der Unterlassungsklage statt. Eine Zahnärztin darf weder bei medizinisch notwendigen noch bei Leistungen, die über die medizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung hinausgehen, ohne vorherige Untersuchung einen Preis für die Behandlung festlegen.
Der Grund hierfür ist die Bedeutung der GOZ. Sie legt für alle Zahnärzte geltende Gebühren fest, was zum einen für Transparenz bei der Abrechnung im Patienteninteresse als auch für eine angemessene und leistungsgerechte Vergütung im Arztinteresse sorgt. Da die GOZ somit auch eine sog. Marktverhaltensregel darstellt, ist durch ihre Verletzung zudem ein wettbewerbswidriges Verhalten im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gegeben.


In Frage steht aber, wieso die GOZ mit dem Gewähren von rabattierten Festpreisen verletzt wird. Ein Zahnarzt kann Vergütungen grds. nur für Leistungen verlangen, die zahnmedizinisch notwendig sind, § 1 Abs. 2 S. 1 GOZ. Sollte der Patient weitere Leistungen verlangen, ist ein schriftlicher Heil- und Kostenplan (HKP) vor Leistungserbringung zu erstellen, § 1 Abs. 2 S. 2 GOZ. Dabei bestimmt sich die Höhe der Gebühr nach dem 1 - 3,5 fachen Gebührensatz und muss je nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umständen der Ausführung nach dem sog. billigen Ermessen des Arztes festgelegt werden, § 5 GOZ. Billiges Ermessen bedeutet dabei, dass die Interessen beider Parteien und das vergleichbare Übliche berücksichtigt werden. 


Aber kann ein Pauschalpreis nicht dem billigen Ermessen des Arztes entsprechen? So würden schließlich sowohl dem Interesse des Arztes an Einnahmen als auch dem des Patienten an preiswerter Behandlung Rechnung getragen. Zudem gesteht auch § 2 Abs. 1 GOZ zu, dass einvon der GOZ abweichendes Honorar verlangt werden kann. Das reicht allerdings nicht! DieAusübung des billigen Ermessens muss zudem verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit den berufsrechtlichen Verpflichtungen ausgeführt werden. Dies ist ohne vorherige Untersuchung unmöglich, da die individuelle Konstitution des Patienten nicht bekannt ist. Durch die Gewährung von Festpreisen wird vielmehr ein Durchschnittswert zugrunde gelegt, was im Endeffekt dazu führt, dass „einfache“ Patienten die aufwändigeren quersubventionieren. Auch könnte der Preisdruck dazu führen, dass bei auftretenden Problemen die Behandlung unvertretbar abgekürzt wird. Ähnliches gilt auch für das Bleaching zum Festpreis. Allerdings ist in der GOZ kein Gebührentatbestand für das Bleaching zu finden, weswegen es eine sog. „Verlangensleistung“ darstellt, für die ein HKP erstellt werden muss - dies kann aber erst nach Untersuchung des
Patienten erfolgen.


Fazit: Das Urteil bezieht sich nicht auf die Werbung mit Preisen im Allgemeinen. Das Angebot von Festpreisen verstößt allerdings gegen das Erfordernis der GOZ die Gebühren je nachSchwierigkeitsgrad, Zeitaufwand und allgemeinen Umständen anzupassen - dem kann bei
Preisfestlegung ohne vorherige Untersuchung nicht Genüge getan werden. Sollten Sie Werbungmit Preisen machen wollen, kontaktieren Sie zu Ihrer Sicherheit vorher einen Anwalt!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Bis dass das Arbeitsverhältnis endet … ?

Werbeaufnahmen oder - videos, die Arbeitnehmer zeigen, müssen nicht unbedingt nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses gelöscht bzw. entfernt werden.


Mit Urteil vom 19.5.2015 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht die Unterlassung der weiteren Verwendung eines Werbevideos, in dem er zu sehen ist, verlangen kann.

Der Kläger willigte durch Unterschrift in die „Verwendung und Ausstrahlung von Filmaufnahmen seiner Person“ für die Öffentlichkeitsarbeit seines Unternehmens ein. In dem Werbefilm, der auf der Homepage des Unternehmens zu sehen war, wurde der Kläger in zwei kurzen Sequenzen bei Arbeitsabläufen gezeigt. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrief der Kläger seine Einwilligung und forderte das Unternehmen zur Entfernung des Videos auf.


Das BAG entschied, dass ein Widerruf nur aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in diesem Fall unbegründet sei und das Werbevideo somit auf der Homepage verbleiben dürfe. In Frage steht zunächst, ob für Videos oder Fotos von Arbeitnehmern auf einer Firmenhomepage eine Einwilligung der Arbeitnehmer überhaupt erforderlich ist. Die Bewertung diese Frage richtet sich nach §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz: Zustimmungsfreie Bilder sind solche, bei denen die Örtlichkeit im Vordergrund steht und die Personendarstellung so untergeordnet ist, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass sich der Gegenstand und der Charakter des Bildes veränderten.Sobald allerdings die abgebildete Person erkennbar und individualisierbar ist, liegt ein Bildnis vor und die Einwilligung des Abgebildeten zur Veröffentlichung ist notwendig. Dabei können auch Videoaufnahmen Bildnisse sein. Die Einwilligung muss vor der Verwertung erfolgen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Arbeitnehmer auch im Arbeitsverhältnis ein Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ haben.
Das bedeutet, dass die Einwilligung in schriftlicher Form erteilt werden muss - und losgelöst vom Arbeitsverhältnis zu betrachten ist. Ein Verweigerung der Einwilligung darf keine nachteiligen Folgen haben - andernfalls kann sogar Schadensersatz vom Arbeitgeber verlangt werden!


Sofern die Einwilligung in die Verwendung der Aufnahmen, seien es Fotos oder Videos, aber wirksam erteilt wurde, ist diese grundsätzlich zeitlich unbefristet und damit auch nicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses begrenzt. Da das Arbeitsverhältnis nicht zur Einwilligung zwingt, darf es auch nicht die Zustimmung automatisch auflösen. Allerdings bedeutet die unbefristete Einwilligung nicht, dass sie auch unwiderruflich ist. Der Widerruf richtet sich aber nicht allein nach Gusto des Arbeitnehmers, sondern muss unter Rücksichtnahme auf die gegenseitigen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und unter Nennung eines Widerrufgrundes erfolgen. Der Arbeitgeber hat schließlich ein Interesse an der Veröffentlichung und die Werbekosten sollten sich amortisieren.

Widerrufsgrund kann sein, wenn sich der Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den Werbeaussagen nicht mehr identifizieren könnte - das wäre der Fall, wenn konkret mit der Person bzw. Funktion des Arbeitnehmers für das Unternehmen geworben wird und keine Vergütung für diese Werbung erfolgt war. Anders sieht es aber aus, wenn die Aufnahmen des Arbeitnehmers nur der Darstellung der Arbeitsabläufe im Betrieb dienen. Diese reine Illustration liegt vor allem dann vor, wenn der Arbeitnehmer ohne Hervorhebung seiner Person z.B. ohne Nennung seines Namens oder Herausstellung seiner Identität erscheint. Auch darf nicht der zwingende Eindruck erweckt werden, dass die abgebildeten Personen die aktuelle Belegschaft darstellen. Wird also nicht mit der konkreten Person des Arbeitnehmers geworben, sondern gliedern sich dessen Aufnahmen in einen allgemeinen Kontext ein, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein kein ausreichender Grund für den Widerruf der Zustimmung in die Veröffentlichung. Es sind
konkretere Gründe erforderlich, die dann im Einzelfall bewertet werden.


Fazit: Foto - oder Videoaufnahmen der Arbeitnehmer machen ein Unternehmen nahbar und sind positiv für die Kundenbindung. Zu beachten sind dabei allerdings die Anforderungen an die Einwilligung. Auch sollte vor allem bei schnell wechselnder Belegschaft auf individuelle Vorstellungen verzichtet werden. Damit sich Ihre Werbeausgaben auch lohnen, sollten Sie vor der Erstellung die Beratung eines Anwalts einholen!

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

„Antikorruptionsgesetz“

Viel Lärm um nichts?


Am 4.6.2016 ist das „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ (sogenanntes „Antikorruptionsgesetz“) in Kraft getreten. Seitdem sind die Gemüter von Ärzten und Zahnärzten erregt und die Unsicherheit ist groß. Aber was ist das Antikorruptionsgesetz überhaupt?

Was so pompös klingt, ist kein komplettes neues Gesetz, sondern im Wesentlichen nur eine Erweiterung des Strafgesetzbuches (StGB) um die §§ 299a ff. Mit diesen neuen Paragraphen wird sowohl die Bestechlichkeit (§ 299a StGB) als auch das tatbestandliche Spiegelbild der Bestechung (§ 299 b StGB) im Gesundheitswesen normiert. Der besonders schwere Fall der Bestechlichkeit und Bestechung ist in § 300 StGB geregelt. Zweck der Neuregelung ist neben dem Schutz des Gesundheitswesens und des Wettbewerbs als Ganzem auch der Schutz des Patienten durch die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen. 

Doch was bringen die neuen Tatbestände an Veränderung im Gesundheitswesen? Vorneweg sei gesagt: es ändert sich eigentlich nicht viel. Nichts, was vorher uneingeschränkt erlaubt war, ist jetzt verboten. Allerdings waren bestimmte Verhaltensweisen bisher „nur“ berufsrechtlich verboten. Die Einfügung der Vorschriften in das StGB kann dagegen zur Strafverfolgung führen - mit Folgen wie Geld - und Freiheitsstrafen. Deswegen lohnt es sich, bisher tolerierte Verhaltensmuster zu überdenken und zu überprüfen.

Und was besagen die neuen Tatbestände? Täter kann der sein, der Angehöriger eines Heilberufs mit staatlich geregelter Ausbildung ist.
Vorrangig betrifft das Ärzte und Zahnärzte. Dem potentiellen Täter muss ein Vorteil entstanden sein. Dabei ist „Vorteil“ weit zu verstehen - es wird jede Zuwendung, die zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen oder finanziellen persönlichen Lage führte, erfasst. Der Vorteil muss nicht unbedingt beim Arzt selbst entstanden sein. Auch zB Angehörige können von dem Vorteil profitieren - solange die Nähe zum Arzt gegeben ist. Wie eben beschrieben ist der Begriff des „Vorteil“ natürlich viel zu weit. Schließlich erlangt der Arzt auch etwa aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten Vorteile. Daher muss der Vorteil auf einer sogenannten „Unrechtsvereinbarung“ beruhen. Eine solche Vereinbarung betrifft immer einander gegenüberstehende Leistungen. Dabei muss die Vereinbarung nicht schriftlich getroffen werden! Auch mündliche oder sogar stillschweigende Übereinkünfte sind ausreichend. Das Unrecht der Vereinbarung resultiert daraus, dass durch die Vereinbarung ein Leistungserbringer „unlauter bevorzugt“ wird. An diesem Punkt werden die bereits bestehenden gesetzlichen und berufsrechtlichen Vorschriften in den neuen Straftatbestand eingespeist. Denn unlauter ist die Bevorzugung dann, wenn sie gegen diese Vorschriften verstößt. Dabei sind berufsrechtliche und gesetzliche Vorschriften vor allem in den Berufsordnungen, den Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte (GOÄ und GOZ) sowie dem Sozialgesetzbuch (SGB) V zu finden.


So weit, so gut. Es gibt also keine Neuerungen, sondern bisher nur Verpöntes wurde jetzt strafbewehrt. Allerdings liefen die Graubereiche der ärztlichen Tätigkeit bei vielen nebenbei immer mit - jetzt droht dafür richtig Ärger. Zeit also, die Graubereiche etwas auszuleuchten!
Vorab gesagt: es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Nachfolgend werden aber die Kernkonfliktpunkte (zahn)ärztlicher Tätigkeit mit den §§ 299a ff. StGB etwas erläutert.


Problem 1: (Natural-)Rabatte und Geschenke
Sie arbeiten schon lange mit einem Labor zusammen. Aus Dank für die Zusammenarbeit kriegen sie einen Nachlass auf ihre Rechnung. Oder Ihr Händler gibt Ihnen einen Beutel Abformmasse umsonst dazu. Kein Problem, das können Sie annehmen. Aber nur, wenn Sie den Rabatt oder den geldwerten Vorteil auch so an Ihren Patienten weitergeben. Wenn allerdings der Normalpreis in Rechnung gestellt wird, ist der strafrechtliche Bereich eröffnet. Sie haben Geburtstag und bekommen von Ihrem Händler einen Blumenstrauß? Grundsätzlich gibt
es keine Bagatellgrenze für die „Vorteile“. Allerdings sind sozialadäquate Zuwendungen aus der Strafbarkeit auszunehmen. Blumen zum Geburtstag fallen sicher darunter. Wenn es dazu allerdings noch eine Uhr gibt, sieht die Sache wieder anders aus.

Problem 2: Skonto
Laut Rechnung des Dentallabors werden 3 % Rabatt gewährt, wenn der Betrag innerhalb von 14 Tagen beglichen wird. Das Dentallabor gibt die Prozente an jedermann und die Rechnung wird abzüglich der 3 % innerhalb von 14 Tagen beglichen? Das ist in Ordnung. Der Skonto dient als Anreiz für pünktliche Zahlung und stellt quasi einen Kredit dar. Anders sieht es aber aus, wenn in der Rechnung kein Skonto ausgewiesen ist oder die Zahlung nicht innerhalb der 14-tägigen Frist erfolgt. Wird dann dennoch der Rechnungsbetrag
heruntergesetzt, so hat das nichts mehr mit dem Sinn und Zweck eines Skontos zu tun. Hier bewegt sich der Handelnde wieder im Feld der Korruption.


Problem 3: Partner - Factoring
Factoring ist ein gutes Mittel, um unkompliziert an seine Vergütung zu kommen. Dabei werden das eigene Honorar und die Auslagen für die Laborleistung an ein Abrechnungsunternehmen verkauft. Um die eigene Factoring-Gebühr, die prozentual berechnet wird, zu minimieren, nutzen einige Zahnärzte das Partner-Factoring mit ihrem Dentallabor. Ziel ist, die Factoring-Gebühr um die vom
Labor zu tragende Gebühr zu reduzieren. Dabei wird allerdings verkannt, dass nicht das Labor der Vertragspartner des Patienten ist. Der
Patient kontrahiert allein mit dem behandelnden Arzt - und zwar sowohl über zahnärztliche als auch zahntechnische Leistungen. Insofern hat auch der Arzt die Risiken für die Begleichung der Rechnung durch den Patienten zu tragen - wälzt er dieses Risiko mittels Factoring-Gebühr auf das Labor ab, so verschafft er sich einen Vorteil ohne einen Anspruch auf diesen zu haben. Das könnte korruptives Verhalten sein. Vom Partner-Factoring ist daher dringend abzuraten.


Problem 4: Beteiligung an einem gewerblichen Labor
Die Labor-Beteiligung von Zahnärzten ist seit dem Inkrafttreten der §§ 299 a ff. StGB ein Trigger für Angst und Diskussionen. Noch fehlt es an dieser Stelle an Rechtsprechung, so dass nur ein Überblick über die aktuelle Lage gegeben werden kann.
Eine kleine gute Nachricht kann an dieser Stelle verkündet werden: ein praxiseigenes Labor ist auch nach berufsrechtlichen Vorschriften unbedenklich und somit außen vor.
Problematisch ist allerdings die Beteiligung an einem gewerblichen Labor mittels gesellschaftsrechtlicher Konstruktion. Zwar kann angebracht werden, dass es eigentlich keinen Unterschied machen kann, ob Leistungen im praxiseigenen oder Fremdlabor erbracht werden - allerdings liegt genau da der Unterschied. Trotz der Beteiligung ist eine GmbH eine eigenständige juristische Person und damit ein „Dritter“, der bestechen kann. Der Knackpunkt liegt hier in dem umsatzbezogenen Gewinn, der eine Rückvergütung und damit
einen Vorteil durch unlautere Bevorzugung eines Labors darstellt. Die unlautere Bevorzugung ist dabei schon deswegen anzunehmen, weil die ausschlaggebenden Gründe für die Herstellung von Zahnersatz in einem Labor mit eigener Beteiligung wohl nicht ausschließlich medizinische Erwägungen, sondern auch der eigene finanzielle Vorteil sind.
Die Lage ist schwierig und bislang weitgehend ungeklärt. Was Sie allerdings auf keinen Fall tun sollten: Gewinnbeteiligungen anzunehmen, die sich nach dem beim Labor beauftragten Umsatz richten.


Fazit: Viel Lärm um nichts? Ganz und gar nicht. Durch das neue Antikorruptionsgesetz sind viele Unsicherheiten entstanden, die gerichtlich geklärt werden müssen. Bis dahin regiert die Angst vor der Verwirklichung der neuen Straftatbestände. Auch Anwälte können letztlich keine klaren Aussagen treffen - aber helfen, das Risiko zu minimieren und sich bestmöglich rechtlich abzusichern!

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Medizinrecht

Bei Technik-Fragen …


Verwendet ein Zahnarzt veraltete Praxis-Software muss er bei der Erstellung von Heil- und Kostenplänen besondere Sorgfalt walten lassen.


Mit Urteil vom 29.6.2016 präzisierte das Amtsgericht Hamburg - Blankenese die Anforderungen an die Praxis-Software eines Zahnarztes, sowie die Dokumentation von Heil- und Kostenplänen.


Ein Zahnarzt klagte gegen seine Patientin auf Zahlung seines Honorars. Zwar wurde die auf einem ersten HKP beruhende Rechnung von der Patientin beglichen. Allerdings erstellte der Zahnarzt eine weitere Rechnung für dieselbe Behandlung, basierend auf einem zweiten HKP. Die beklagte Patientin verweigerte deren Zahlung mit Hinweis darauf, dass sie den zweiten HKP nie zugeschickt bekommen und erst recht nicht unterschrieben habe. Da keine von der Beklagten unterschriebene Ausführung des zweiten strittigen HKPs vorlag, war der Zahnarzt beweispflichtig für dessen Zugang. Dieser verwies auf die Dokumentation in der Patientenkartei „HKP an Pat Kb“. Bereits das Bestehen zweier HKP für eine Behandlung ist problematisch. In Anbetracht dessen ist diese Art der Dokumentation zur Beweisführung nicht ausreichend: es fehlt an der Nummer des HKP oder einer anderweitigen Individualisierung; auch ist nicht zu erkennen, wie viele HKP insgesamt übermittelt wurden. Dabei kann sich der Zahnarzt nicht damit entschuldigen, dass seine Praxis-Software nicht in der Lage sei, einheitliche HKP über sämtliche Leistungen zu erstellen. In anderen Praxen verwendete, modernere Software ist dazu durchaus in der Lage. Ist der Zahnarzt nicht fähig oder willens, sich moderne Technik anzuschaffen, darf er nicht auf Rücksicht der Rechtsprechung hoffen. Vielmehr wäre es in diesem Fall notwendig gewesen, dass er das Vorhandensein zweier HKP gesondert dokumentiert und in den ersten HKP einen Zusatz einfügt, dass mit weiteren Kosten zu rechnen sei - einschließlich eines Verweises auf den zweiten HKP. Nach dem gesamten Verhalten des Zahnarztes musste die Klägerin davon ausgehen, dass der erste HKP die alleinige Vertragsgrundlage sei.


Glaubt der Zahnarzt, dass sowieso, unabhängig vom Bestehen eines HKP, für sämtliche erbrachte Gebührentatbestände Honorar verlangt werden könne, so irrt er. Maßgeblich ist immer der Vertrag zwischen Arzt und Patient. Zwar könnte jede einzelne Leistung nach der GOZ abgerechnet werden, allerdings muss beachtet werden, dass die Patientin sich in Kenntnis der erheblichen Mehrkosten nicht (in dieser Form) hätte behandeln lassen. Dies ergibt sich auch aus § 9 Abs. 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Demnach können maximal 115 % des im HKP veranschlagten Betrags verlangt werden. Sollten eine größere Überschreitung der Kosten als  15 % abzusehen sein, muss der Patient darüber unverzüglich schriftlich informiert werden. Andernfalls können zusätzlich erbrachte Leistungen nicht mehr in Rechnung gestellt werden.


Fazit: Kann wegen veralteter Praxis-Software kein einheitlicher Heil- und Kostenplan erstellt werden, so sollte sorgfältig gearbeitet werden, um alle erbrachten Leistungen abrechnen zu können. Bei Unsicherheiten wenden Sie sich an einen Anwalt.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Wer schön sein will …

Mit Urteil vom 19.3.2015 stellte der Bundesfinanzhof (BFH) fest, dass auch kosmetische Behandlungen umsatzsteuerfrei sind, sofern sie mit einer medizinisch notwendigen Behandlung in Sachzusammenhang stehen.

Klägerin war eine Praxisgemeinschaft, die sich gegen geänderte Steuerbescheide zur Wehr setzte. Die Praxisgemeinschaft hatte nach medizinisch indizierten Behandlungen (z.B. Wurzelkanalbehandlungen) ein Bleaching an den behandelten Zähnen durchgeführt, um die optischen Veränderungen rückgängig zu machen. Dieses Bleaching hatte die Praxis ohne Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Dabei berief sie sich auf § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Das Finanzamt sah das Bleaching allerdings als rein kosmetische Behandlung - für solche Leistung ist § 4 Nr. 14 UStG nicht einschlägig. Somit wäre das Bleaching doch umsatzsteuerpflichtig gewesen.

Der Bundesfinanzhof gab der Klägerin recht. § 4 Nr. 14 UStG besagt, dass Umsätze u.a. zahnärztlicher Tätigkeit steuerfrei sind, sofern sie eine Heilbehandlung darstellen. Heilbehandlungen sind dabei solche, die der Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen dienen. Dabei können auch ästhetische Behandlungen Heilbehandlungen sein, sofern sie nicht rein um der Ästhetik willen erfolgen, sondern ebenfalls der Gesundheit dienen sollen.

Im vorliegenden Fall erfolgte das Bleaching zwar aus ästhetischen Gründen, nämlich um die Verdunkelungen an den entsprechenden Zähnen zu entfernen. Allerdings waren die Verdunkelungen erst in Folge der medizinisch indizierten Vorbehandlung entstanden. Aus diesem Grund schlägt die Umsatzsteuerfreiheit der Vorbehandlung auch auf die Nachbehandlung durch. Im Ergebnis ist somit auch das Bleaching eine umsatzsteuerbefreite Behandlung.

Fazit: Auch rein ästhetische Behandlungen können umsatzsteuerbefreit sein, sofern sie in Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehen. Sollten Sie sich unsicher sein, ob der Sachzusammenhang gegeben ist, wenden Sie sich an einen Anwalt.

 

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Medizinrecht

Keine ausreichende Begründung? Kein Geld!

Die Begründung eines erhöhten Steigerungssatzes muss für den medizinischen Laien verständlich sein. In der Rechnung müssen sowohl der durchschnittliche Aufwand als auch die Gründe für die Erhöhung dargestellt werden.


Mit Urteil vom 13.12.2016 stellt das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Anforderungen an die
ordnungsgemäße Begründung eines erhöhten Steigerungssatzes dar.


Klägerin war eine Ruhestandsbeamtin, die vom Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV NRW) die Beihilfe für eine zahnärztliche Behandlung begehrte. Die Behandlung wurde mit einem Steigerungssatz von 3,5 abgerechnet. Das LBV NRW bewilligte allerdings nur die Beihilfe für den normalen Steigerungssatz von 2,3. Die Klage der Beamtin wurde abgewiesen, da die Forderung des Zahnarztes für den erhöhten Steigerungssatz mangels ordnungsgemäßer Begründung nicht durchsetzbar war.

Die zahnärztliche Vergütung wird erst mit Erteilung einer der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) entsprechenden Rechnung fällig. Eine solche Rechnung muss u.a. den Steigerungssatz enthalten. Für eine durchschnittliche zahnärztliche Behandlung wird mit dem Schwellenwert in Höhe des 2,3-fachen Gebührensatzes abgerechnet. Soll ein erhöhter Steigerungssatz abgerechnet werden, so ergeben sich die Anforderungen aus § 5 GOZ. Erforderlich ist eine überdurchschnittlich schwierige Behandlung oder ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand. Damit der Patient den erhöhten Aufwand nachvollziehen kann, muss der Zahnarzt eine verständliche schriftliche Begründung in der Rechnung aufnehmen, so wie auf Verlangen die Anforderungen näher erläutern (§ 10 Abs. 3 S. 1 GOZ).


Zweck der Begründungsanforderung ist, dass der medizinische Laie die Rechnung überprüfen können soll. Aus diesem Grund müssen an die Verständlichkeit erhöhte Anforderungen gestellt werden. Ausreichend ist daher nicht, den Aufwand durch unsubstantiierte Floskeln wie „ungünstige Anatomie“ oder „aufwendige Planung“ zu begründen, wie sie die in Frage stehende Rechnung enthielt. Vielmehr muss dem Laien die Überdurchschnittlichkeit des Aufwands durch Gegenüberstellung mit dem durchschnittlichen Aufwand verdeutlicht werden. Konkret heißt das, dass der jeweilige Fall in Verhältnis zu einem „Normalfall“ gesetzt werden muss. Ein solcher Vergleich erfolgt durch Nutzung konkreter Zeitwerte. Das Verwaltungsgericht gab beispielhaft die Formulierung „Zeitlicher Rahmen für die erbrachte Leistung 30 min bis 120 min, durchschnittlicher Zeitaufwand 50 min, konkreter Zeitaufwand 90 min“ vor. Nicht verkannt werden sollte zudem, dass nicht nur eine Begründung für eine Erhöhung des Steigerungssatzes gegeben werden muss, sondern zudem auch eine Begründung für die Wahl des konkreten Steigerungssatzes, der sich in der Skala von 2,4 - 3,5 bewegen kann.


Fazit: Im Einzelfall kann Unsicherheit über die Anforderungen an Inhalt und Verständlichkeit der Begründung der zahnärztlichen Rechnung bestehen. Wenden Sie sich daher bei Zweifeln an einen Anwalt.

 

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht 

Arbeitsteilung schützt vor Verantwortung nicht.

Unabhängig davon, wie ein Arzt seine Abrechnungen erstellt, ist er für ihre Richtigkeit verantwortlich.

Mit Beschluss vom 28.9.2016 unterstrich das Bundessozialgericht (BSG) die ständige Rechtsprechung zur Verantwortlichkeit eines Arztes für die Richtigkeit seiner Abrechnungen.

Klägerin war eine Ärztin, die in Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann praktiziert hatte, bis diesem wegen Abrechnungsbetrugs die Zulassung entzogen wurde. Ermittlungen gegen die Klägerin wurden mangels Beweisen eingestellt. Allerdings verhängte die Kassenärztliche Vereinigung eine Geldbuße in Höhe von 3.000 € gegen die Klägerin, wogegen diese sich gerichtlich zur Wehr setzte.

Die Ärztin brachte vor, sie träfe keine Schuld an den falschen Abrechnungen, da die Abrechnung in der Gemeinschaftspraxis intern ihrem Ehemann überlassen wurde. Ein solches Vorgehen in Gemeinschaftspraxen ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. So ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) gerade durch die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gekennzeichnet und dient auch der Entlastung der einzelnen Mitglieder durch Arbeitsteilung.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die gewissenhafte, peinlich genaue Leistungsabrechnung eine der Grundpflichten eines jeden Vertragsarztes darstellt. Da das Abrechnungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf dem Vertrauen auf richtige Angaben aufbaut, kommt der korrekten Abrechnung eine besonders hohe Bedeutung zu. Zwar kann sich ein Arzt personeller oder technischer Hilfen bei der Abrechnung bedienen - er ist aber weiterhin für die Abrechnung seiner Leistungen selbst verantwortlich, um diesem Vertrauen gerecht zu werden.

Wird also einem Mitglied der BAG die Übernahme der Abrechnung überlassen, so bewahrt das nicht die anderen Mitglieder vor Kontroll- und Überwachungspflichten. Dabei ist es nicht ausreichend, lediglich oberflächlich auf Rechenfehler zu überprüfen. Vielmehr müssen stichprobenartige Überprüfungen bezüglich Art und Umfang der abgerechneten Leistungen durchgeführt werden. Im konkreten Fall wog das Versäumnis der Klägerin umso schwerer, da es konkrete Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten - etwa eine merkliche Diskrepanz zwischen abgerechneten und tatsächlichen Patienten - gab.

Fazit: Arbeitsteilung zur Arbeitserleichterung ist verständlich und legitim. Allerdings entbindet die interne Überlassung der Abrechnung nicht von der Verantwortlichkeit. Jedem Arzt fällt die Pflicht zu, die Richtigkeit seiner Abrechnungen zu überprüfen. Sollten Sie sich über den Umfang ihrer Kontrollpflichten im Unklaren sein, wenden Sie sich an einen Anwalt!

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeits- und Medizinrecht

Wer sich mit fremden Federn schmücken lässt …

(Zahn-)Ärzte müssen auch für die Täuschung Dritter über ihren akademischen Grad einstehen. Mit Urteil vom 26.7.2016 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg, dass eine Zahnärztin, der auf Internetseiten unabhängig von ihrem Zutun ein Doktortitel zugesprochen wurde, nach Kenntniserlangung für die Richtigstellung verantwortlich gemacht werden kann.

Der Kläger ist ein Verband zur Förderung der beruflichen Interessen seiner Mitglieder (u.a. Zahnärztekammern), die Beklagte eine Zahnärztin mit eigener Praxis, die den Doktortitel nie erworben hatte. In ihrer eigenen Praxis trat sie dementsprechend auch ohne den Zusatz von „Dr. med. dent.“ oder „Dr. dent.“ auf.

Allerdings wurde die Zahnärztin auf diversen Internetseiten, z.B. der Arztempfehlungsseite „jameda“ und dem Stadtbranchenbuch Hamburg, mit einem Doktortitel geführt. Diese Einträge hatte die Zahnärztin nicht selbst erstellt. Der Verband machte die Zahnärztin auf die Existenz dieser Einträge aufmerksam und forderte sie unter Hinweis auf ihr wettbewerbswidriges Verhalten zur Berichtigung auf. Die Beklagte profitiere von der ihr zu unrecht zugeschriebenen Qualifikation und müsse daher auch die Verantwortung dafür tragen, dass Patienten nicht getäuscht werden - auch nicht durch Dritte.

Die Zahnärztin reagierte auf diese Aufforderungen nicht und sah sich auch in keinem Zusammenhang mit den Seiten. Sie sehe nicht ein, „Netzpolizistin“ zu spielen und den Aufwand vorzunehmen, den eine Berichtigung der Einträge erfordere.

Das OLG Hamburg entschied zu Gunsten des Verbands. Unstreitig ist, dass das Führen eines falschen Doktortitels wettbewerbswidriges Verhalten ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UWG). Die Frage war nur, inwiefern die Zahnärztin für die Inhalte auf Dritt-Seiten zur Verantwortung gezogen werden kann. Mit Aufnahme ihrer Tätigkeit hatte die Beklagte die Gefahr geschaffen, dass Dritte sie mit einem Doktortitel benennen könnten, den sie nicht erworben hatte. Dabei erstellten die Seiten, auf denen sie genannt wurde, ihre Einträge unabhängig von ihrem Zutun. Dennoch profitierte die Zahnärztin von dem Werbeeffekt der falschen Informationen.

Zwar kann es (Zahn-)Ärzten nicht zugemutet werden, das Internet regelmäßig auf falsche Einträge abzusuchen, allerdings wurde die Beklagte vorliegend von dem Kläger über die Existenz der Seiten in Kenntnis gesetzt. Sobald die Zahnärztin also selbst oder von Dritten von dem falschen Doktortitel erfahren hatte, hätte sie aktiv werden müssen, um die Informationen nicht bewusst auszunutzen. Dabei ist besonders zu beachten, dass Webseiten oftmals die Daten austauschen oder fremde Daten wiedergeben (Google), so dass ein Multiplikationseffekt falscher Informationen zu befürchten steht.

Welche Maßnahmen genau ergriffen werden müssen, ist in jedem Fall einzeln u.a. anhand der drohenden Täuschungsgefahr und dem Aufwand für die Beseitigung zu entscheiden. Vorliegend aber hätte die Beklagte zumindest in irgendeiner Form aktiv werden müssen - und sei es nur durch einen Telefonanruf bei den Seitenbetreibern.

Fazit: Verantwortung wird nicht nur für eigenes Verhalten getragen. Auch wer hinnimmt, dass Dritte ihm falsche Qualifikationen zuschreiben, muss für die Folgen einstehen. Sollten Sie im Einzelfall unsicher sein, welche Schritte von Ihnen verlangt werden, wenden Sie sich vorsorglich an einen Anwalt.

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Kind oder Lohn?

Der Kinderwunsch fällt unter die individuelle Lebensgestaltung. Bei durch die Fertilisation hervorgerufener Arbeitsunfähigkeit hat eine Arbeitnehmerin daher keinen Lohnfortzahlungsanspruch gegen ihren Arbeitgeber.

Mit Urteil vom 26.10.2016 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) dass der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitnehmerin durch eine In-Vitro-Fertilisation nicht zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet ist.

Die Klägerin hatte sich wegen der eingeschränkten Zeugungsfähigkeit ihres Partners einer In- Vitro-Fertilisation unterzogen, ohne ihren Arbeitgeber davon in Kenntnis zu setzen. Nachdem sie mehrfach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte und vom Arbeitgeber für die Fehlzeiten ihren Lohn ausgezahlt bekam, erfuhr der Arbeitgeber den Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit und verlangte den Lohn zurück. Gegen diesen Rückerstattungsanspruch wandte sich die Klägerin.

Arbeitnehmer haben gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wenn dieser ohne eigenes Verschulden eintrat. Eine Krankheit ist gegeben, wenn ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand vorliegt. Arbeitsunfähigkeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wegen Krankheit nicht ausüben kann oder sie nicht ausüben sollte, um die Heilung nicht zu verhindern oder zu verzögern. Der Arbeitnehmer muss im Gegenzug seine Gesundheit erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen vermeiden (§ 3 I 1 Hs. 2 EFZG).

Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin nicht krank. Nicht sie, sondern ihr Ehemann war zeugungsunfähig, so dass die In-Vitro-Fertilisation nicht als Heilbehandlung für die Klägerin angesehen werden konnte. Ein unerfüllter Kinderwunsch wegen Zeugungsunfähigkeit des Partners kann nur als Krankheit angesehen werden, wenn durch ihn körperliche oder seelische Beeinträchtigungen auftreten. Das lag in diesem Fall nicht vor.

Das Gericht hatte somit zu klären, ob die Klägerin durch die Fertilisation ihre Fehlzeiten selbst schuldhaft herbeigeführt hatte. Zwar könnte argumentiert werden, es sei allgemein anerkanntes Verhalten, seinen Kinderwunsch zu erfüllen. Dabei muss allerdings beachtet werden, welchem Zweck das EFZG dient. Der Arbeitnehmer soll bei unverschuldeter Krankheit abgesichert werden. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Arbeitgebers für die Verwirklichung des Kinderwunschs seines Arbeitnehmers zu zahlen.

Aus diesem Grund muss bei künstlicher Befruchtung unterschieden werden: tritt die Arbeitsunfähigkeit wegen der Fertilisation selbst auf, ist nach der Rechtsprechung des BAG keine Lohnfortzahlung nötig. Anders sieht es aus, wenn die Fertilisation zu unvorhersehbaren Krankheiten führt. Und sobald der Embryonentransfer erfolgt ist, gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Schwangerschaft und das Mutterschutzrecht ist anwendbar.

Fazit: Für den Kinderwunsch seiner Arbeitnehmerin muss der Arbeitgeber grundsätzlich nicht zahlen. Die Feinheiten können aber knifflig sein. Aus diesem Grund ist es stets angeraten, sich anwaltliche Unterstützung zu suchen.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Drum prüfe, wie er sich binde …

Kostenvoranschläge im Heil- und Kostenplan unterscheiden sich in ihrer Bindung abhängig davon, ob eigenes Honorar oder Fremdlaborkosten betroffen sind.

Mit Urteil vom 20.12.2016 stellt das Landgericht Arnsberg die unterschiedlichen Anforderungen an die Genauigkeit der Kostenangaben im Heil- und Kostenplan (HKP) bei eigenem Honorar und Fremdlaborkosten heraus.

Klägerin war ein Abrechnungunternehmen, das die Rechnung eines Zahnarztes einklagte, Beklagter war ein Patient. Das Abrechnungsunternehmen wollte eine offene Summe aus zahnärztlicher Behandlung einklagen.

Wunsch des Patient war die Anfertigung von Zahnersatz. Der behandelnde Zahnarzt erstellte einen HKP für die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz. Die veranschlagten Gesamtkosten betrugen hierbei etwa 21.500 €. Nach erfolgter Behandlung kam mit der Rechnung für den Patienten die Überraschung in Form eines Gesamtbetrags von ca. 29.000 €. Dabei berechnete der Zahnarzt sowohl ein höheres Honorar als auch deutlich erhöhte Fremdlaborkosten.

Da der Patient die Zahlung des erhöhten Betrags verweigerte, legte das Abrechnungsunternehmen Klage auf Zahlung ein. Grund für die Erhöhung sei eine vor Erstellung des HKP nicht erkennbare Dysgnathie des Patienten, durch die mehrere Ästhetikanproben erforderlich wurden. Diese Schwierigkeiten wurden in der Rechnung statt durch den im HKP veranschlagten 2,3-fachen Gebührensatz als Regelsatz, durch den höheren Steigerungsfaktor von 3,5 abgegolten. Auch die Erhöhung Material- und Laborkosten habe sich erst im Laufe der Behandlung aufgrund der Schwierigkeiten des Falles ergeben.

Das Landgericht Arnsberg beurteilte die höheren Kosten für das Zahnarzthonorar getrennt von den erhöhten Fremdlaborkosten.

Der Zahnarzt kann seine eigenen Kosten vor Aufstellung des HKP überblicken, sodass ein berechtigtes Vertrauen des Patienten auf die Richtigkeit der Angaben vorliegt. Damit ist der aus dem HKP zu entnehmende Betrag verbindlich. Anderes gilt nur, wenn Umstände eintreten, die zu einer Erhöhung des Steigerungssatzes führen - der Zahnarzt muss aber darauf hinweisen, dass ggf. mit einer Kostensteigerung zu rechnen ist, sodass der Patient sich darauf einstellen kann. Verletzt der Zahnarzt diese Hinweispflicht, gibt er stillschweigend zu verstehen, dass er auf eine Erhöhung des Steigerungssatzes verzichtet. Das gilt natürlich nicht, wenn bei Behandlungsbeginn nicht absehbar war, dass Probleme auftreten könnten. Im vorliegenden Fall war die Dysgnathie laut des Sachverständigen schon vor Erstellung des HKP erkennbar, so dass mögliche Kostenerhöhungen hätten mitgeteilt werden müssen.

Daher wäre zwar wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten die Erhöhung vom Regelsatz auf den 3,5-fachen Gebührensatz grds. gerechtfertigt. Weil der Zahnarzt aber den Hinweis darauf pflichtwidrig unterlassen hatte, wird er behandelt, als hätte er auf die Erhöhung verzichtet. Das gleiche wie für den Steigerungsfaktor gilt auch für die Gebührenanzahl.

Anders verhält es sich bei den Material- und Laborkosten. Da diese Kosten nicht direkt beim Zahnarzt entstehen, sondern von fremder Arbeit abhängen, ist klar erkennbar, dass es sich nur um Schätzwerte handeln kann. Die genauen Kosten können erst nach Fertigstellung der fremden Arbeit beziffert werden. Der Patient muss sich daher auf höhere Kosten einstellen. Eventuelle Schadensersatzforderungen des Patienten hängen dann immer von der Darlegung eines tatsächlichen Schadens ab. Der Zahnarzt steht also bei den Fremdkosten besser dar, als bei eigenen Kosten.

Fazit: Auch wenn die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich von den im HKP veranschlagten abweichen, ist das kein Grund den Mut zu verlieren. Zwar sollte von Anfang an auf die Möglichkeit einer erschwerten Behandlung hingewiesen werden, damit man sich nicht die Möglichkeit nimmt, ggf. einen erhöhten Steigerungsfaktor und eine höhere Anzahl der Gebührenziffern abzurechnen. Bei Fremdkosten, also Kosten, die nicht vom Zahnarzt selbst abhängen, sind die Anforderungen aber geringer - vom Zahnarzt wird nicht verlangt fremde Kosten genau einzuschätzen. Bei Unsicherheiten bezüglich der Abrechnung oder Hinweis- und Aufklärungspflichten, ist anwaltliche Unterstützung ratsam, um vermeidbare finanzielle Verluste auszuschließen.

Pia Stoffels

Rechtsanwältin

Wer trödelt, zahlt (mehr)!

Erhält der Arbeitnehmer seinen Lohn verspätet oder unvollständig, muss der Arbeitgeber einen Pauschal-Schadensersatz in Höhe von 40,00 € zahlen.

Mit Urteil vom 22.11.2016 entschied das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln), dass der in § 288 V BGB vorgesehene Pauschal-Schadensersatz bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung auf Geldforderungen auch auf Arbeitsentgeltforderungen anwendbar ist.

Der Kläger war ein Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber seinen Lohn nicht in der vereinbarten Höhe erhalten hatte und aus diesem Grund einen Schadensersatz von 40,00 € verlangte.

Sobald ein Unternehmer mit seiner Zahlung auf eine Geldforderung eines Verbrauchers in Verzug gerät, muss er unabhängig von einem konkreten Schaden eine Verzugspauschale in Höhe von 40 € zahlen. Hinzu kommen Verzugszinsen, die bei 5 % über dem Basiszinssatz liegen, und der Ersatz eines ggf. vorliegenden konkreten Schadens. Wegen seiner Unabhängigkeit von einem Schaden hat der Pauschalbetrag einen Strafcharakter.

Das LAG Köln hat nun erstmals die Anwendbarkeit des § 288 V BGB und damit der Verzugspauschale auf Arbeitsentgeltforderungen bejaht. Schließlich sei das Arbeitsrecht ein Paradebeispiel für den Fall, dass ein Unternehmer (der Arbeitgeber) einem Verbraucher (dem Arbeitnehmer) eine Geldsumme schulde. Die Pauschale dient vor allem angesichts der sinkenden Zahlungsmoral im Arbeitsrecht dazu, den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen, pünktlich und vollständig zu zahlen. Denn gerade das Arbeitsentgelt sei für Arbeitnehmer immens wichtig, um ihre Verbindlichkeiten pünktlich bedienen zu können. Die abschreckende Wirkung des erhöhten Verzugszinses ist dabei vor allem bei geringen Beträgen oder geringen Zeiträumen der Verspätung nicht ausreichend gegeben.

Zu beachten ist, dass der Zeitpunkt für die Zahlung des Lohns bzw. Gehalts in der Regel arbeitsvertraglich festgelegt ist, so dass der Arbeitgeber mit dem Verstreichenlassen dieses Datums automatisch in Verzug kommt, ohne dass es einer Mahnung des Arbeitnehmers bedarf (§ 286 II Nr. 1 BGB). Jedoch hat der Arbeitnehmer nur einen begrenzten Zeitraum zur Geltendmachung seines Anspruches zur Verfügung.

Fazit: Das Urteil des LAG Köln hat somit eine bedeutende Änderung für Arbeitgeber zur Folge. Allerdings wird es wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung in der Revision erneut überprüft. Sollten sich Ärzte oder Zahnärzte mit einer Forderung nach einem Pauschal-Schadensersatz durch einen Ihrer Arbeitnehmer auseinandersetzen müssen, ist daher die Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung angeraten.

Sylvia Harms

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Medizinrecht

Zahnärztliches Honorar bei formnichtigem Heil- und Kostenplan

Der Bundesgerichtshof (BGH) schränkt den Schutzbereich des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ bei treuwidrigem Patientenverhalten ein

Mit Entscheidung vom 03.11.2016 gibt der BGH (Zahn-)Ärzten die Möglichkeit trotz formnichtigen Heil- und Kostenplans ihr Behandlungshonorar einzuklagen.

Die Klägerin, eine Zahnärztin, hatte im September 2012 für die beklagte Patientin zwei Heil- und Kostenpläne erstellt. Dabei beinhaltete ein Plan auch zahnmedizinisch nicht notwendige Arbeiten, die durch die Patientin als Eigenanteil gezahlt werden müssten. Nach Genehmigung durch die Krankenkasse reichte die Patientin die Heil- und Kostenpläne wieder bei der Zahnärztin ein - ohne jedoch unterschrieben zu haben. Die fehlende Patientenunterschrift wurde in Folge eines Büroversehens übersehen.

Nachdem die Zahnärztin nach erfolgter Behandlung den Eigenanteil in Rechnung gestellt hatte, berief sich die Patientin darauf, dass der Heil- und Kostenplan wegen der fehlenden Unterschrift formnichtig und somit ein Eigenanteil nicht zu tragen sei.

Für die Vereinbarung zahnmedizinisch nicht notwendiger Leistungen ist in § 2 Abs. 3 S. 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) die Schriftform vorgesehen. Schriftform bedeutet dabei nicht nur die Verschriftlichung in Form eines Heil- und Kostenplans, sondern auch die Unterschriften beider Vertragsparteien. Sinn und Zweck dieses Schriftformerfordernisses ist der Schutz der Patienten vor übereilter Einwilligung in Behandlungen, die die Erbringung eines Eigenanteils erfordern. Fehlt ein solcher unterschriebener Heil- und Kostenplan, ist die Honorarforderung des behandelnden Arztes grundsätzlich nicht durchsetzbar.

Anders entschied der BGH im obigen Fall: Zwar wurde anerkannt, dass der Heil- und Kostenplan mangels Unterschrift formnichtig ist; allerdings wurde der Patientin die Berufung auf diese Nichtigkeit verwehrt. Der BGH begründete dies damit, dass die Patientin sich in schwerwiegender Weise treuwidrig verhalten habe. So wurde die Patientin umfassend aufgeklärt, entschied sich bewusst für eine Behandlung mit Eigenanteil und ließ sich auch über längere Zeit entsprechend behandeln. Die Unterschrift wurde nur wegen eines Entgegenkommens der Zahnärztin nicht umgehend geleistet - die Patientin wollte sich den Heil- und Kostenplan noch einmal übersetzen lassen. Nachdem die Patientin somit sehenden Auges die Vorteile der Behandlung genossen hatte, sei es rechtsmissbräuchlich, sich auf die ihr bekannte Formnichtigkeit zu berufen.

Zwar könnte der Zahnärztin vorgeworfen werden, dass sie die fehlende Unterschrift fahrlässig übersehen habe. Da dies aber auf einem reinen Büroversehen beruhte und keine Anhaltspunkte für einen besonders schweren und vorwerfbaren Sorgfaltsverstoß der Zahnärztin vorgebracht wurden, wog das treuwidrige Verhalten der Patientin schwerer.

Berücksichtigt wurde bei der Urteilsfindung auch, dass die Zahnärztin bei unwirksamer Honorarvereinbarung ohne jegliches Honorar stünde. Dies würde, in Gesamtbetrachtung mit dem widersprüchlichen Verhalten der Klägerin, zu einem schier untragbaren Ergebnis führen.

Fazit: Versehen können im Praxisalltag passieren. Verweigert ein Patient nach erfolgter Behandlung die Zahlung seines Eigenanteils und beruft sich dabei auf die Formnichtigkeit des Heil- und Kostenplans, ist das Honorar nicht unbedingt verloren. Die Einleitung rechtlicher Schritte mit anwaltlicher Unterstützung kann erfolgversprechend sein.

Joachim K. Mann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Sechs, setzen?

Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt die Rechte von Ärzten auf Bewertungsportalen.

Ärzte-Bewertungsportale im Internet können Fluch und Segen zugleich sein. Bisher standen Betroffene schlechten Bewertungen hilflos gegenüber. Mit Urteil vom 01.03.2016 (VI ZR 34/15) gibt der BGH Ärzten ein Mittel an die Hand, sich gegen schlechte Bewertungen zur Wehr zu setzen.  

Der Kläger, ein Zahnarzt mit zehn angestellten Ärzten, hatte auf dem Bewertungsportal jameda.de eine anonyme Bewertung erhalten. In drei Kategorien erhielt er die Schulnote „6“; unterstützt wurde diese Bewertung durch einen Freitext. In der Folge versuchte der betroffene Arzt einen Unterlassungsanspruch gegen jameda.de zu erwirken. Diese beließen es allerdings bei einer standardisierten Anfrage beim Bewertenden und behielten die Bewertung auf der Plattform.

Der BGH entschied nun, dass die Störung jameda.de nicht unmittelbar zuzurechnen sei, da die Veröffentlichung der Nutzerbeiträge ohne inhaltlich-redaktionelle Überprüfung erfolgte. Lediglich eine automatische Kontrolle auf Unregelmäßigkeiten fand statt. Allerdings treffe jameda.de eine mittelbare Verantwortung, wenn im Einzelfall Prüfpflichten vernachlässigt würden, aus denen auch eine Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Störungen resultieren könnte.

Konkret bedeutet dies, dass Betreiber von Internetdiensten nicht zur vorgeschalteten rechtlichen Überprüfung von Nutzerbeiträgen verpflichtet sind; allerdings muss bei Kenntnis einer Rechtsverletzung der gesamte Sachverhalt umfassend ermittelt und bewertet werden - auch unter Zugrundelegung einer durch Beweise (Terminvereinbarungen, Rechnungen etc.) untermauerten Stellungnahme des Bewertenden. Eine rein formale, standardisierte Prüfung wird in Zukunft nicht mehr ausreichen.

Dabei wird zwar die Prämisse, dass Bewertungsportale eine gesellschaftlich wichtige Rolle spielen und der freien Meinungsäußerung (Art. 5 I GG) dienen, zugrundegelegt. Der Betrieb darf daher nicht unverhältnismäßig erschwert oder wirtschaftlich unmöglich gemacht werden. Jedoch muss bei einer Interessenabwägung der Grundrechte aller Beteiligten berücksichtigt werden, dass gerade der Betrieb von Ärzte-Bewertungsseiten höchst persönlichkeitsrelevant ist und die anonymisierte Bewertungsmöglichkeit Tür und Tor für Missbrauch öffnet. Dem Arzt ist es mangels Auskunftsanspruch gegen den Provider schier unmöglich direkt gegen den Nutzer vorzugehen (vgl. Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13, Rn. 34). Auf diese Risiken müssen sich die Portalbetreiber einstellen. Dabei fließen auf der Seite der betroffenen Ärzte Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit und die Auswirkung auf das öffentliche Ansehen in die Abwägung ein.

Fazit: Zwar ist gerade bei persönlichkeitsrechtsrelevanten Vorbringen das Vorliegen einer Rechtsverletzung nicht ohne Weiteres festzustellen. Jedoch muss der Betreiber spätestens dann handeln, wenn die der Behandlung als Werturteil zugrundeliegenden Tatsachen als falsch bemängelt werden - etwa, wenn kein Behandlungskontakt stattgefunden hat. In so einem Fall kann ein Interesse an einer Bewertung als grundrechtlich geschützter Meinungsäußerung niemals bestehen.

Für Ärzte und Zahnärzte bedeutet dieses Urteil, dass sie in regelmäßigen Abständen auf den gängigen Bewertungsportalen überprüfen sollten, ob sie und ihre Arbeit bewertet wurden. Bei unrichtigen Bewertungen sind dann entsprechende Schritte, notfalls mit anwaltlicher Unterstützung, einzuleiten.

Pia Stoffels

Rechtsanwältin

Vergütungsformen als Motivationsanreiz für angestellte Zahnärzte

Die Vergütung für geleistete Arbeiten kann ein Hemmnis, aber auch ein Motivationsanreiz für angestellte Zahnärzte sein. Neben dem Bestreben, den angestellten Kollegen oder die angestellte Kollegin in den Praxiserfolg einzubinden, möchte der Praxisinhaber als Arbeitgeber ein Instrumentarium in der Hand haben, mit dem er nicht nur im positiven Sinne Anreize geben, sondern auch Korrekturen vornehmen kann, wenn die Motivation nachlässt. Gleichzeitig möchte sich jeder Arbeitgeber, der solche Motivationsanreize bietet, nicht unwiderruflich hieran binden lassen. Bekanntlich wird eine mehr als dreimalige Zahlung für die Zukunft verpflichtend.

Je nach Tätigkeit kommen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht. Die einfachste Variante ist die Vereinbarung eines Festgehaltes. Der Nachteil ist, dass dieser Betrag einseitig durch den Arbeitgeber nicht mehr verändert werden kann, auch nicht, wenn die wirtschaftliche Situation die Zahlungen letztendlich nicht mehr rechtfertigt oder die Leistung des Mitarbeiters unter den Erwartungen bleibt. Hier besteht nur noch die Möglichkeit einer Änderungskündigung, die je nach Betriebsgröße auf Umsetzungsschwierigkeiten stoßen kann, wenn der Mitarbeiter kein Verständnis für diese Änderung seiner Vergütung aufbringt. In einem Kleinbetrieb kann eine solche Vertragsänderung leichter durchgesetzt werden als bei Betrieben, auf denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Hier kann eine gerichtliche Überprüfung dazu führen, dass der Arbeitgeber später doch den ursprünglich vereinbarten Betrag, zahlen muss und dies auch noch rückwirkend. Die finanziellen Risiken sind nicht zu unterschätzen.

Mehr Gestaltungsspielraum bietet eine Vereinbarung eines Grundgehaltes mit zusätzlicher Umsatzbeteiligung. Hierdurch erhält der angestellte Kollege die größtmögliche Einflussnahme auf die Maximierung seiner Vergütung. Das Grundgehalt darf aber nicht unter € 1.500,00 bei Vollzeitbeschäftigung liegen (ansonsten verstößt es gegen das Mindestlohngesetz). Die Parameter der Umsatzbeteiligung sind klar zu definieren. Hierzu zählt auch, ob eine Anrechnung des Grundgehaltes auf die Umsatzbeteiligung erfolgt. Eine weitere Motivation könnte in einer gestaffelten Umsatzbeteiligung liegen.  Widerrufsmöglichkeiten oder Freiwilligkeitsvorbehalte sind wegen des Entgeltcharakters für die Arbeitsleistung nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber muss sich bei dieser Art der Vergütung aber im Klaren sein, dass der angestellte Kollege im Krankheitsfall nicht nur sein Grundgehalt als Lohnfortzahlung erhält, sondern die durchschnittlich vor der Erkrankung erwirtschaftete Umsatzbeteiligung.

Als zusätzliche Motivation kann eine Bonizahlung bei Erreichen eines im Vorfeld klar definierten Jahresziels versprochen werden. Derartige Regelungen können auch von Jahr zu Jahr angepasst oder gar abgeschafft werden. Voraussetzung ist, dass auf den Freiwilligkeitscharakter dieses Versprechens hingewiesen wird.

Ein weiteres Instrumentarium der Vergütungsgestaltung ist die Gewährung freiwilliger Gratifikationen, wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Sie werden unabhängig vom Arbeitsverhalten gezahlt. Aber auch hier muss der fehlende Bindungswille für die Zukunft deutlich hervorgehoben werden. Der Arbeitgeber muss sich hierbei nicht im Vorhinein festlegen, wie hoch die jeweilige Zahlung sein wird.

Sowohl Bonizahlung als auch freiwillige Gratifikationen können mit Rückzahlungsverpflichtungen verknüpft oder mit Auszahlungshindernissen versehen werden.

 

Nachstehend werden Formulierungsvorschläge für die einzelnen Vergütungsformen wiedergegeben.

 

Festgehalt: „Der Angestellte erhält ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von € 4.500,--.“

Umsatzbeteiligung: „Der Angestellte erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von € 2.500,-- brutto. Darüber hinaus wird er umsatzbezogen vergütet. Ab einem Jahresumsatz von € 120.000,-- erhält er 25 % der von ihm selbst erwirtschafteten Honorare (ohne Mat-/Labkosten). Die Grundvergütung wird hierauf angerechnet. Die umsatzbezogene Vergütung versteht sich als Bruttovergütung und wird fällig zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres. Der Arbeitgeber behält sich vor, unterjährig angemessene Abschläge zu zahlen.“

 

Gestaffelte Umsatz-

beteiligung: „Der Angestellte erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von € 4.100,-- brutto. Er wird darüber hinaus bezogen auf den von ihm erwirtschafteten Honorarumsatz (ohne Mat-/Laborkosten) prozentual vergütet. Bis zu einem Honorarumsatz  von € 246.000,-- je Jahr ist die Umsatzbeteiligung mit dem monatlichen Festgehalt abgegolten. Von einem darüber hinausgehenden Honorarumsatz bis zu € 340.000,-- erhält er 20 % als Vergütung. Ab einem Umsatz von über 340.000,-- erhöht sich der Prozentsatz auf 22 %. Die umsatzbezogene Vergütung versteht sich als Bruttovergütung und wird fällig zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres. Der Arbeitgeber behält sich vor, unterjährig angemessene Abschläge zu zahlen.“

 

Bonizahlung: „Der Angestellte soll am Gewinn des Arbeitgebers angemessen beteiligt werden. Steigt der Gesamtumsatz des Arbeitgebers im Vergleich zum Vorjahr um 10 %, so erhält der Angestellte eine einmalige Bonizahlung in Höhe von 0,5 %. Die Bonizahlung wird fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses des Arbeitgebers im Folgejahr. Sofern das Anstellungsverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt durch eine Eigenkündigung des Angestellten oder durch eine Kündigung des Arbeitgebers aus anderen als betriebsbedingten Gründen gekündigt ist, besteht kein Anspruch auf die Prämie.“

 

Freiwillige Gratifikation: „Der Arbeitgeber gewährt folgende Zuwendungen: Weihnachtsgeld im Dezember i.H.v. € 2.000,00. Die Zahlung erfolgt freiwillig und ohne Einräumung eines Rechtsanspruchs. Ein Anspruch für die Zukunft wird hierdurch, auch durch mehrmalige Zahlungen, nicht begründet, sondern es bleibt im freien, unbeschränkten Ermessen des Arbeitgebers eine ähnliche Leistung zukünftig zu erbringen. Die Höhe der Gratifikation ist variabel. Höhe und Bezug der Gratifikation wird der Arbeitgeber, sofern er sie gewähren will, zwei Monate vor dem Auszahlungszeitpunkt schriftlich mitteilen.

Der Arbeitgeber gewährt, wenn er sie zahlt, die freiwillige Gratifikation als Belohnung für die Betriebstreue für die im Kalenderjahr tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung.

Der Angestellte ist verpflichtet, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn er bis zum 31.05. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund verhaltensbedingter Kündigung aus einem von ihm zu vertretenen Grund ausscheidet!"

 

Aufgrund der Vielzahl der Regelungsmöglichkeiten und der Feinheiten bei Ausarbeitung, sollte der Arbeitgeber sich vor Umsetzung gewissenhaft über die genauen Kautelen informieren und ggfls. anwaltlichen Rat einholen. Diese Kosten sind angesichts der Konsequenzen bei falscher Umsetzung sicherlich vertretbar.

 

 

Autorin: Rechtsanwältin Sylvia Harms, PMH Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft, Düsseldorf

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Seit Inkrafttreten der GOZ 2012 vertritt die Zahnärztekammer Nordrhein die Auffassung, dass die Gebührenziffer 2197 GOZ (adhäsive Befestigung) zusammen mit den Gebührennummern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ (Kompositrestaurationen in Adhäsivtechnik) abgerechnet werden kann. Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 21.01.2016 - 27 C 3179/14 - bezogen auf dreiflächige Restaurationen (2100 GOZ) jetzt klar und deutlich festgestellt: Ja, das geht!

Des einen Freud, des anderen Leid. Als ich jüngst nach einem Besuch bei meiner zahnärztlichen Freundin grob die Rechnung überflog stellte ich fest, dass sie für die adhäsive Befestigung einer Kompositrestauration auch die Zuschlagsgebühr nach 2197 GOZ in Ansatz gebracht hatte, verbunden allerdings mit dem Angebot, mir gerne bei Erstattungsproblemen behilflich zu sein und dem vorsorglichen Hinweis auf Urteile des Amtsgerichts Bonn vom 28.07.2014 sowie - brandaktuell - des Amtsgerichts Düsseldorf zum oben genannten Aktenzeichen.

Die Berechnung der Zuschlagsposition erfüllte mich mit einem gewissen Stolz, habe ich doch die beiden Urteile selbst erstritten. Und dennoch werde ich auf die Hilfe meiner Behandlerin wahrscheinlich zurückgreifen müssen, weil das Fingerhakeln mit den Erstattungsstellen zum Thema 2197 GOZ gerade durch das zweitgenannte Urteil zum Teil neue Ziehkräfte entfalten wird.

Bislang konnte man den Auslegungsstreit über die Leistungstatbestände der Kompositrestaurationen grob auf zwei Feldern verorten: Zum einen auf juristischem und zum anderen auf zahnwissenschaftlichen Gebiet.

So hat im Rahmen eines von der Zahnärztekammer Nordrhein bereits 2014 veranstalten Experten-Hearings der Direktor der Abteilung für Zahnerhaltungskunde der Universität Marburg, Prof. Dr. Roland Frankenberger, den wissenschaftlichen Nonsens einer gebührenrechtlichen Gleichsetzung von Adhäsivtechnik und adhäsiver Befestigung in Deutlichkeit herausgearbeitet. Während eine Konditionierung einer Substratoberfläche erreicht wird durch Ätzung (am Zahn in der Regel mit Phosphatsäure) bzw. Sandstrahlen eines Werkstücks, gehören nachfolgende Schritte wie Silan, Primer, Bond etc. dazu gerade nicht. Hieran wird aus Sicht der Zahnheilkunde unmissverständlich deutlich, dass zwei voneinander abgegrenzte Arbeitsschritte als jeweils selbständige Leistung erbracht werden, weil die adhäsive Befestigung technisch erst nach erfolgter Konditionierung anfängt.

Dem halten die Juristen der Erstattungsstellen entgegen, dass der in den Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ befindliche Passus „in Adhäsivtechnik“ sich  auf die Versorgung an sich beziehe und nicht allein auf bestimmte Teilschritte oder gar das Material. Nicht ohne Ironie wird in diesem Zusammenhang auch regelmäßig hervorgehoben, dass „selbst“ die Bundeszahnärztekammer die Abrechenbarkeit von 2197 GOZ neben den genannten Ziffern bei Befestigung einer Füllung in sogenannter Adhäsivtechnik ebenfalls ablehne.

Im Übrigen, so die Erstattungsgegner, berücksichtige die Auffassung der Abrechnungsbefürworter nicht hinreichend die grundlegende Unterscheidung zwischen selbständigen und nicht selbständigen Leistungen und lasse daher außer Betracht, dass die Bewertung der Leistungen im Gebührenverzeichnis nicht in der Art eines Baukastensystems strukturiert sei. Die Berechnung der Zuschlagsposition 2197 neben den Tatbeständen für Kompositrestaurationen in adhäsiver Technik würde daher zu einer „Übervergütung“ führen!

Zu jedem Topf gibt es bekanntlich einen Deckel, der mal mehr, mal weniger passt. Aber gerade bei dem heuchlerischen Hinweis auf eine angebliche „Übervergütung“ wird grob unterschlagen, dass z.B. die neue Ziffer 2100 GOZ (dreiflächige dentinadhäsive Kompositrestauration) zum Durchschnittssatz (€ 83,05) seit Novellierung der GOZ fast nur noch halb so hoch vergütet wird, wie die zuvor von der Rechtsprechung anerkannte und betriebswirtschaftlich benötigte (38 Minuten) Analogberechnung nach Ziffer 217 GOZ (Inlayvergleich) zum 2,3-fachen Satz (€ 155,22). Dass die so entstandene Honorarlücke bei tatsächlicher Erbringung der Leistung nur durch die neue Mehraufwandsvergütung nach 2197 GOZ kompensiert werden kann, wird schlichtweg ignoriert. Obwohl auch dadurch letztendlich die vormalige Analogbewertung selbst beim 3,5-fachen Satz bei Weitem nicht erreicht wird.

Dem interessierten Beobachter dürfte die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Streitfragen im Wesentlichen bekannt sein. Die originäre Zuständigkeit für eine verbindliche Auslegung der GOZ liegt bei den Zivilgerichten. Entgegen einer Urteilszusammenstellung, wie sie sich zum Beispiel auf der Internetseite der BZÄK zu diesen Urteilen verhält, gibt es tatsächlich aber nur zwei Gerichtsentscheidungen, die sich konkret mit der Fragestellung nach Maßgabe umfangreicher Beweisaufnahmen befasst haben. Dies sind die Urteile der Amtsgerichte Bonn und Düsseldorf! Einzig das Verwaltungsgericht Stuttgart hat sich im Rahmen eines Beilhilfestreits anders entschieden. In diesem Verfahren, in dem ein wackerer Bediensteter des Öffentlichen Dienstes sich mit Hilfe seines DGB-Rechtsschutzes gegen die Versagung einer Erstattung für die 2197 GOZ zur Wehr gesetzt hatte, war es nicht gelungen, die Scheuklappen der Erkenntnis zu lichten und die Auslegung der Gebührenziffern auch und vor allem an dem auszurichten, was tatsächlich gemacht worden ist. Eine japanische Weisheit besagt: „Der Frosch im Brunnen hat keine Ahnung von der Weite des Meeres“.

Umso erfreulicher ist die erneute Bestätigung der Abrechenbarkeit von 2197 GOZ für adhäsive Befestigungen als Zuschlagsleistung bei Kompositfüllungen, wie sie das Amtsgericht Düsseldorf mit zitierfähiger Begründung vorgenommen hat.

Neue „Ziehkräfte“ wird dieser Prozess aber möglicherweise deswegen entwickeln, weil sich den Sachvorträgen der involvierten Erstattungsstelle eine neue Argumentationstendenz entnehmen lässt. Zwar wird weiterhin die Auffassung vertreten, dass die adhäsive Befestigung Leistungsbestandteil der Kompositrestaurationen sei. Dagegen wird nicht mehr grundsätzlich in Abrede gestellt, dass dies wissenschaftlich anders gesehen werden muss. Neu dagegen ist, dass jetzt intensiver gefragt wird, welches Füllmaterial definitiv zur Anwendung gekommen ist und ob es sich überhaupt um Komposit-Material gehandelt habe, welches dentin-adhäsiv verankert wurde. So hat sich im Verfahren vor dem AG Düsseldorf die Krankenversicherung auf Zahlen des Bundesministeriums für Gesundheit berufen, nach denen zu belegen sein soll, dass in Deutschland überwiegend aktuelle Füllmaterialien verwendet werden, welche keine aufwendige Vorbehandlung des Schmelzes bzw. des Dentins erforderlich machen. Bestritten wird jetzt auch, weil oft nicht ausreichend dokumentiert, welche Maßnahmen im Rahmen der adhäsiven Befestigung im Einzelnen durchgeführt wurden. Schließlich wollen die Erstatter wegen der bestehenden Auslegungsdifferenzen zu Ziffer 2197 GOZ dem Behandler eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht über mögliche Erstattungsprobleme unterschieben.

Im Verfahren vor dem AG Düsseldorf konnten diese konstruierten Einwände erfolgreich abgewiesen werden. Abzuwarten bleibt, ob die Erstattungsstellen künftig auf dieser Ebene weiter argumentieren wollen. Das Urteil war bei Drucklegung dieser Ausgabe noch nicht rechtskräftig.

Ein Erfolg für die Zahnärzteschaft ist die Düsseldorfer Entscheidung  allemal. Und dass nicht abgerechnet werden darf, was nicht erbracht wurde, bedarf an sich keiner besonderen Erwähnung. Einer solchen Auseinandersetzung könnte gelassen entgegengesehen werden.

RA Joachim K. Mann
PMH Rechtsanwälte
Düsseldorf

Dentists go Twitter

Berufsrecht und Impressumspflichten beachten! 

Zahnärzte nutzen die Möglichkeiten des Internets in steigendem Maße zu Werbezwecken durch eigene Websites oder soziale Medien. Die Präsentation der Zahnarztpraxis in sozialen Netzwerken, Weblogs und Newsgruppen wie Facebook, Xing oder Twitter ist grundsätzlich statthaft. Wie bei jeder beruflichen Außendarstellung des Zahnarztes ist auch hier zunächst die Grenze zwischen angemessenen Informationen und berufswidriger Werbung zu beachten. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung (§ 21 Abs. 1 MBO).

Über die berufsrechtlichen Vorgaben hinaus sind bei einem Internetauftritt in Social-Media-Netzwerken zudem die ärztliche Schweigepflicht, dass Kollegialitätsgebot, das Fernbehandlungsverbot und der Datenschutz zu beachten, worauf die Bundesärztekammer ihre Mitglieder zuletzt 2012 ausdrücklich hingewiesen hat (empfehlungen_aerzte_in_sozialen_medien.pdf). Nichts anderes gilt auch für Zahnärzte!

Besonderes Augenmerk ist aber auch auf die Verpflichtungen nach § 5 Telemediengesetz (TMD) zu richten. Nach herrschender Rechtsprechung ist der Zahnarzt „impressumspflichtiger Dienstanbieter“, wenn er seine Praxis im Rahmen von Internetportalen präsentiert. Er ist deshalb verpflichtet, sämtliche Informationen zur Anbieterkennung auch am Ort dieser Veröffentlichungen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar bereitzustellen. Nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.04.2014 wird die Verlinkung zum Impressum der eigenen Praxishomepage dieser Voraussetzung nicht mehr gerecht. Bei Verstößen gegen diese Impressumspflicht liegt eine „unerlaubte Handlung“ vor, die zur Abmahnung und damit zu unnötigem Kostenaufwand führen kann.

Joachim K. Mann
Fachanwalt für Rechtsanwalt 
Justiziar der ZA Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft eG

Entzug der Approbation unabhängig vom Alter

Selbst wenn der Approbationsentzug im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter eines Arztes einem Berufsverbot gleicht, ist er nicht per se unverhältnismäßig. Dies hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) jüngst bestätigt (Beschluss vom 7.2.2014 - 8 LA 84/13). Danach ist die die Entscheidung über den Entzug der ärztlichen Approbation unabhängig von persönlichen Faktoren, wozu auch das Alter zu zählen ist, zu treffen.

Vorliegend war eine seit 1987 tätige Fachärztin für Allgemeinmedizin zu mehreren Geldstrafen verurteilt worden, da sie Privatrechnungen für von ihr veranlasste Behandlungen ihres Sohnes nicht beglichen hatte. Darüber hinaus hatte sie im Rahmen mangelhafter Drogenersatzbehandlungen mehrfach gegen das Betäubungsmittelgesetz und die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung verstoßen. Im Rahmen von zwei Verfahren wurde sie zu einer Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Daraufhin wurde ihre Approbation Der Beklagte nahm unter Bezugnahme auf die Feststellungen in den strafgerichtlichen Entscheidungen wegen Unwürdigkeit der Klägerin zur Ausübung des ärztlichen Berufs widerrufen. Die nachgewiesenen Straftaten beträfen das Arzt-Patienten-Verhältnis und stünden im direkten Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung. Das den Straftaten zugrunde liegende Verhalten der Klägerin stelle einen groben Verstoß gegen wesentliche Berufspflichten dar. Eine dagegen gerichtete Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen.

Das OVG lehnte den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gesehen wurden. Insbesondere konnten die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen aus den strafgerichtlichen Entscheidungen berücksichtigt werden, da weder gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgelegen hätten noch die Approbationsbehörde oder das Verwaltungsgericht den Sachverhalt besser als das Strafgericht hätten aufklären können.

Aufgrund der festgestellten Tatsachen sei die Klägerin zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig. Das in den strafgerichtlichen Entscheidungen dokumentierte Fehlverhalten der Klägerin sei geeignet, das Ansehen des Berufsstandes der Ärzte und das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig zu erschüttern. Daran ändere auch das fortgeschrittene Alter der Klägerin nichts, selbst wenn eine Abmilderung der Folgen des Eingriffs in ihre Berufsfreiheit durch eine spätere Wiedererteilung der Approbation faktisch nicht mehr in Betracht komme. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Entzug der Approbation vor, ist die Approbation als Arzt zu widerrufen. Individuelle Gesichtspunkte sind nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen könne bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes für die weitere Berufsausübung bei älteren Ärzten kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren.

Conclusio: Die Verurteilung eines Arztes zu Haft- oder hohen Geldstrafen bringt regelmäßig einen Approbationsentzug mit sich. Anders als im Strafrecht erfolgt keine individuelle „Strafzumessung".

Weitere Informationen durch RA Mann

Schmerzensgeld bei fehlerhafter Befunderhebung

Grob fehlerhaft handelt ein Zahnarzt, der einen Patienten mit Zahnbeschwerden im Oberkieferfrontbereich zur Befunderhebung nur röntgt, eine Vitalitäts- und Perkussionsprüfung der schmerzenden Zähne hingegen unterlässt (Oberlandesgericht Hamm, Urt. vom 8. November 2013 – AZ 26 U 51/13).

Eine langjährige Patientin hat ihren Zahnarzt im Dezember 2008 mit Zahnbeschwerden im Oberkieferfrontbereich aufgesucht. Der beklagte Zahnarzt veranlasste eine Röntgenaufnahme, weitere Untersuchungen sind nicht in den Krankenunterlagen dokumentiert. Erst im Februar 2009 wurde eine bei den Zähnen gegebene Zahnmarkentzündung festgestellt und zahnärztlich versorgt. Zwei Zähne konnten nicht erhalten werden, sie erhielten Wurzelfüllungen.

Eine Dokumentation über die Vitalitätsprüfung der Zähne lag nicht vor, nach Auffassung des Sachverständigen war aber eine Perkussionsprüfung möglich und auch erforderlich, um dem Verdacht auf eine periapikale Entzündung nachzugehen. Dies war schon deswegen notwendig, weil ein Röntgenbild gerade nicht immer ausreichend ist, um sich ein zutreffendes Bild über den Zustand der Zähne zu verschaffen. Insoweit glaubt der Senat auch nicht, dass der Beklagte zumindest die erforderliche Perkussionsprüfung vorgenommen hat, weil er eingeräumt hat, dass er nicht immer ein positives Ergebnis dokumentiert und stattdessen das Ergebnis manchmal durch ein entsprechendes Röntgenbild ersetzt. Dies reicht aber nicht aus, wenn nach Darstellung des Sachverständigen allein aus einem Röntgenbild keine ausreichenden Schlüsse gezogen werden können. Ein solches stellt dann Auffälligkeiten dar, wenn die Entzündung bereits den Knochen angegriffen hat.

Vor diesem Hintergrund verbleibt es dabei, dass den Beklagten die Beweislast dafür trifft, dass der weitere Verlauf sich auch bei entsprechender Befunderhebung und sodann erfolgter Behandlung nicht geändert hätte. Diesen Nachweis konnte der Beklagte nicht erbringen. Daher haftet er für die längere Leidenszeit der Klägerin und den Verlust von Zähnen, die eine Neuversorgung im Oberkiefer erforderlich machten.

Weitere Informationen durch Herrn Rechtsanwalt Mann

Werbung mit Vorher-Nachher Bildern

Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG) war die Werbung mehrerer Zahnärzte in einer Werbebroschüre „Schöne Zähne - so schön lacht der Norden“ mit einem Vorher-Nachher-Bild (Urteil vom 30.05.2013 - 13 U 160/12).

In einer Werbebroschüre wird der Fall einer Patientin geschildert, die aus Angst jahreslang keinen Zahnarzt aufsuchte. Nach den Werbeinformationen wurden der Patientin zahlreiche Implantate gesetzt und Zähne abgeschliffen. Die oberen vier Frontzähne der Patientin waren bereits zerstört und abgebrochen. Zwischenzeitlich eingesetzte Stiftzähne hatte die Patientin verloren und musste sich über einen längeren Zeitraum mit einem Provisorium zufrieden geben. Die fehlende Behandlung hatte dazu geführt, dass sich der Zustand der Zähne, die ohnehin sehr anfällig für Karies und Bakterien waren, weiterhin verschlechterte. Der Artikel zeigte eine Fotographie der Patientin vor der Behandlung mit geöffneter Mundpartie mit dem Untertitel "Jahrelange Vernachlässigung zerstört Zähne und Zahnfleisch". Die Oberkieferlippen wurden mittels eines zahnärztlichen Geräts nach innen gezogen, um das Gebiss freizulegen. Die Darstellung zeigte den geöffneten Mundes bei eingesetzter Frontzahnprothese. Auf einem weiteren Bild sieht man einen Ausschnitt aus dem Gesicht der Patientin mit der Unterschrift "Nach der Behandlung: Starke Zähne und eine strahlende Patientin".

Nach Erkenntnis des OLG lasse sich dem Fließtext deutlich entnehmen, dass für die umfassende Gebisssanierung eine medizinische Indikation bestand. Demnach seien kariöse Zähne zu behandeln und ausgefallene Zähne wegen der Gefahr der Knochenresorption zu ersetzen. Ein funktionsfähiges Gebiss sei für eine ausgewogene Ernährung erforderlich.

Grundsätzlich ist jeder instrumentelle Eingriff am oder im Körper, mit dem Form- und Gestaltveränderung an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden, ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff. Sowohl bei der Setzung von Implantaten als auch bei der Überkronung von Zähnen wird die körperliche Unversehrtheit verletzt. Soweit sich eine Werbung auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeitbezieht, dürfe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustands oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden.

Zwar sei es auch hier darum gegangen, die Attraktivität der Patientin wieder herzustellen, aber eine verbotene Werbung liege deshalb nicht vor, weil sich die Werbeaussage nicht auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG) beziehe. Damit seien reine „Schönheitsoperationen“ gemeint.

Auch nach der Änderung des Heilmittelwerbegesetzes im Oktober 2012 ist es weiterhin nicht gestattet, bildliche Darstellungen von missbräuchlichen, abstoßenden oder irreführenden Abbildungen über Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen zu zeigen. Bei der Freilegung des Gebisses, in dem die Oberkieferlippen unter Zuhilfenahme eines zahnärztlichen Geräts nach innen gezogen wurden, handele es sich nach Auffassung des Gerichts um eine übliche, mit jeder zahnärztlichen Untersuchung einhergehende Maßnahme. Ein dadurch entstellt wirkendes Gesicht ist in dem Bildausschnitt gerade nicht erkennbar. Von einer Dramatisierung oder Übertreibung - auch mit Blick auf den erläuternden Text – könne daher keine Rede sein. Der gut sichtbare Frontzahnbereich scheint nach Auffassung des Gerichts auf den ersten Blick in einem optisch akzeptablen Zustand zu sein. Damit halte sich die bildliche Darstellung im Bereich des Erträglichen und sei nicht abstoßend.

Rechtsanwälte Mann Harms Düsseldorf, Partnerschaftsgesellschaft, Fachanwalt für Medizinrecht

Arbeitszeugnis und der Dank (I/2013)

Mit Urteil vom 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Dank und gute Wünsche in seinem Arbeitszeugnis besteht (Pressemitteilung Nr. 86/12).

Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) hat ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen (Grundsatz der Zeugnisklarheit). Versteckte negative Aussagen sind unzulässig. Das einfache Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten.

Der Arbeitnehmer kann darüber hinaus verlangen, dass sich die Angaben auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Das BAG betont, dass der Arbeitgeber gesetzlich nicht verpflichtet sei, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt. Auch müsse er weder sein Ausscheiden bedauern oder ihm für die Zukunft alles Gute wünschen.

Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, könne er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Gemäß der Pressemitteilung des BAG leitete der Kläger einen Baumarkt der Beklagten. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte ihm die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Das Zeugnis endet mit den Sätzen: „Herr K scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Schlusssatz sei unzureichend und entwerte sein gutes Zeugnis. Er habe Anspruch auf die Formulierung: „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“ Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Schlusssätze in Zeugnissen, mit denen Arbeitgeber in der Praxis oft persönliche Empfindungen wie Dank oder gute Wünsche zum Ausdruck bringen, seien nicht „beurteilungsneutral“, sondern geeignet, die objektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmers zu bestätigen oder zu relativieren. Wenn ein Arbeitgeber solche Schlusssätze formuliere und diese nach Auffassung des Arbeitnehmers mit dem übrigen Zeugnisinhalt nicht in Einklang stehen, sei der Arbeitgeber nur verpflichtet, ein Zeugnis ohne Schlussformel zu erteilen.

Auch wenn in der Praxis, insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, häufig dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt werde, könne daraus mangels einer gesetzlichen Grundlage kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel abgeleitet werden.

Weitere Informationen durch Frau Rechtsanwältin Harms

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