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Vom Halbgott zum Kasper - wie die Werbung das zahnärztliche Berufsbild verändert* 

"O cives, cives quaerenda pecunia primum est, virtus post nummos"

(O Bürger, Bürger, für Euch ist der Gelderwerb das Wichtigste, die Tugend kommt erst nach den Talern - Horaz).

Womit wir schon beim Thema wären. Was unterscheidet den rechtschaffenen Zahnarzt vom gewöhnlichen Bürger? Richtig! Es ist das Ansehen. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Allensbach haben immerhin 54 % der Bevölkerung eine gute Meinung von den deutschen Zahnärzten.

Das liegt sicher daran, dass das Berufsbild des Zahnarztes durch eine besondere Berufs- und Standesethik geprägt ist, die ihrerseits daraus resultiert, dass er kein Gewerbe betreibt. Anders ist als im gewöhnlichen gewerblichen Verkehr steht bei seinen Geschäften nicht eine Ware, sondern der Mensch im Mittelpunkt der Tätigkeit, was eben besondere ethische Verpflichtungen bedingt. So hat der Zahnarzt seinem Patienten - ungeachtet oder gerade wegen dessen Befindlichkeiten - Achtung und Respekt entgegenzubringen, seine menschliche Würde zu beachten und seine gesamte Tätigkeit entsprechend den Geboten der ärztlichen Sitte und der Menschlichkeit auszuüben (so § 1 Abs. 1 u. 2 der Musterberufsordnung).

Ausgehend von diesem Berufsbild ist es dem Zahnarzt untersagt, sein Handeln nach Gebräuchen auszurichten, die in der auf Gewinnerzielung ausgerichteten gewerblichen Wirtschaft üblich sind und die die Gefahr in sich bergen, dass das dem Zahnarzt entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht wird.

Diese Standards gelten für das gesamte Auftreten als Berufsträger, also in der Behandlung wie auch bei sonstigen Aktivitäten.

Natürlich ist es zwischenzeitlich anerkannt, dass auch der Zahnarzt von etwas leben muss. Auch wenn von ihm nach wie vor erwartet wird, dass er sein Handeln nicht vom Gewinnstreben (sondern von medizinischen Notwendigkeiten) leiten lässt, so wird ihm doch konzidiert, dass er im Wettbewerb mit anderen Anbietern steht und sich behaupten muss. Allein der Glanz der eigenen Leistung strahlt nicht weit genug, wenn ihm nicht die Fenster geöffnet werden. Nur folgerichtig also, wenn die neue Berufsordnung erlaubt, dass der Zahnarzt auch werbend auf seine Tätigkeit hinweisen darf. Dabei ist er nicht auf die Mitteilungen nüchterner Praxisdaten beschränkt ("Ich bin Zahnarzt. Meine Praxis liegt ganz weit draußen."). Weil das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient auch emotional geprägt ist, darf er auch "Sympathiewerbung" betreiben ("Meine Hobbies sind ..."). Und auch bei der Wahl der Werbeformen und Medien gilt grundsätzlich die freie Auswahl (Anzeigen, Flyer, Tag der offenen Tür, ...), wenn und solange die Sachlichkeit gewahrt bleibt.

Wo liegt nun die Grenze zwischen angemessener - erlaubter - Informationen und berufswidriger - unzulässiger - Werbung? Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2001 stellt die wahrheitsgemäße, sachliche Unterrichtung, die dazu dient, ein Informationsbedürfnis des Publikums zu befriedigen, keine berufswidrige Werbung dar.

Diese Formel hat nun so viel Konsistenz, wie der bekannte Pudding, den man an die Wand nageln möchte. Lügen verbreiten ist verboten. Soviel steht schon mal fest. Beim Informationsbedürfnis des potentiellen Patienten wird es aber schon schwieriger, haben doch die Gerichte u.a. auch die sogenannte Sympathiewerbung erlaubt, in der der Zahnarzt zum Teil Informationen preisgibt, die vorwiegend voyeuristischen Interessen Rechnung tragen (verheiratet, verwitwet, Kinder, ...).

Vollends unbrauchbar wird diese Regel aber dadurch, dass sie das Sachlichkeitsgebot der Werbung an die Forderung einer sachlichen Unterrichtung anknüpft - circulum vitiosus!

Einen anderen Betrachtungsansatz lieferte nun das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung, mit der es u.a. den hier abgebildeten Kussmund als legitimes Element in einer Zahnarztwerbung befand. Nach Auffassung der Westfalen bestimmt sich die Sachlichkeit durch das Berufsbild des Zahnarztes. Dem Schutz dieses Berufsbildes vor Verfälschung (zum Nachteil der Patienten) dienen die standesrechtlichen Beschränkungen des Werberechts. Verliert der Zahnarzt sein Ansehen, so leidet auch das Vertrauen, dass die Patienten in ihn setzen. Er soll deshalb auch in der werbenden Selbstdarstellung dem hohen Anspruch an sein Berufsbild entsprechen und sich nicht zum Kasper machen. Klare Worte, sollte man meinen.

Aber wann wird der Halbgott zum Kasper? Hier greift die Entscheidung nach guter deutscher Tradition auf frühere Autoritäten zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach das Recht des Zahnarztes auf ungehinderte Ausübung seines Berufes - wozu auch die Werbung gehört - betont und in der Konsequenz die standesrechtlichen Werbebeschränkungen löcherig geschossen. Hinzukäme, dass die Beurteilung von grenzwertigen Fragen zeitbedingten Veränderungen unterliege und überhaupt könne es nicht Sache der Gerichte sein, über guten Geschmack zu entscheiden, aber eben darum gehe es bei Fragen der Vereinbarkeit einer Werbung mit dem Berufsbild des Zahnarztes schließlich auch. So gewappnet gegen die Anfeindungen einer wertebasierten Entscheidung winkte das Oberlandesgericht die Kussmäuler als lege Werbemittel durch und tröstete die erstaunten Zweifler mit dem Hinweis, dass der Markt es schon richten werde. Schließlich sei selber schuld, wer seinen Zahnarzt nach dem Umfang der gespreizten Federn aussuche.

Hier ist ein Moment des Innehaltens angezeigt. Nicht das hohe Ansehen des Berufes setzt mehr die Grenzen für die Selbstdarstellung. Die Selbstinszenierung prägt ab sofort das Bild. Der Kommerz scheint zu siegen. Für die Hoffnung auf mehr Umsatz macht so mancher sich schon jetzt zum Kasper. Ab sofort sogar legal!

Auch von Horaz stammt der Satz "Quid sit futurum cras, fuge quaerere" (was morgen sein wird, frage nicht). Schade nur um all die anderen Zahnärzte, für die die Gebote der ärztlichen Sitte mehr als nur ein Deckmantel sind. Vielleicht daher doch besser Ovid: principiis obsta! (Wehre den Anfängen!).

* zugleich eine Besprechung der Entscheidung OLG Hamm - 4 U 34/05 - vom 07.06.2005

Fachanwalt für Medizinrecht RA Joachim K. Mann
veröffentlicht in Rheinisches Zahnärzteblatt

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