Praxismanagment: Treu und Glauben bei Kündigung im Kleinbetrieb

Leitsatz

Auch ein Zahnarzt muss, selbst wenn er weniger als fünf Mitarbeiter beschäftigt, bei Ausspruch einer Kündigung den Grundsatz von Treu und Glauben ( § 242 BGB ) beachten.

Tatbestand

Ein Arbeitgeber, der eine Zahnarztpraxis mit weniger als fünf Mitarbeitern führte, wollte seinen Betreib zurückfahren und die zu erledigen Aufgaben neu verteilen. Er kündigte der am Empfang und in der Verwaltung tätigen Mitarbeiterin. Diese griff die Kündigung mit dem Argument an, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, andere Mitarbeiter seien deutlich jünger, sie könne auch wieder als Stuhlassistentin arbeiten (auch wenn sie dies Jahrzehntelang nicht mehr gemacht habe); im Übrigen sei ihr Arbeitsplatz nicht weggefallen, wie die Einstellung zweier Auszubildender zeige. Sie habe Vertrauen erdient, was nicht berücksichtigt worden wäre. Die Kündigung sei treuwidrig. Das Arbeitsgericht hat sich im Rahmen seiner Prüfung mit den Voraussetzungen der Sozialauswahl i. S. des § 1 Kündigungsschutzgesetzes befasst, obwohl dies überhaupt nicht anwendbar war. Nach Auffassung des Arbeitsgerichtes müssten diese Überlegungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben berücksichtigt werden, auch bei Kleinbetrieben. Letztendlich lehnte das Arbeitsgericht die soziale Vergleichbarkeit der Klägerin mit den übrigen Mitarbeitern ab. Die gekündigte Mitarbeiterin rief das Landesarbeitsgericht an. Dieses wies die Berufung zurück. ( LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.04.2013, AZ: 10 Sa 10/13 ).

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Der Grundsatz von Treu und Glauben ist auch bei Kündigungen in Kleinbetrieben zu beachten. Er geht aber nicht soweit, dass hierdurch quasi durch die Hintertür die Sozialauswahlkriterien des Kündigungsschutzgesetzes auf Kleinbetriebe eingeführt würden. Die Prüfung, ob die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt wären, habe sich darauf zu beschränken, ob Gründe außerhalb des § 1 Kündigungsschutzgesetzes vorliegen, die die Kündigung als treuwidrig erscheinen lassen. Der Grundsatz von Treu und Glauben wird nur dann verletzt, wenn die Kündigung auf willkürlichen oder sachfremden Gründen beruht. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechtes scheidet dagegen immer aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung vorliegt. Die Entscheidung des Zahnarztes, seinen Betrieb herunterzufahren stellt einen einleuchtenden Grund dar. Dennoch ist der Inhaber eines Kleinbetriebes gehalten, bei der Auswahl, welche seiner Mitarbeiter er kündige, ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahe zu wahren. Hiergegen habe der Zahnarzt nicht verstoßen als er die Mitarbeiterin ausgewählt habe, die nicht mehr ohne weiteres auf andere Arbeitsplätze, wie die Stuhlassistenz, hätte umgesetzt werden können.

Conclusio

Als Konsequenz ergibt sich für den eigenen Betrieb:

Der Zahnarzt muss für den Ausspruch einer Kündigung zumindest einen einleuchtenden Grund haben.

Vor Ausspruch der Kündigung muss er ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Er muss daher prüfen, ob er die richtige Wahl getroffen hat. Kann er durch geeignete Maßnahmen, z. B. Umsetzung, vermeiden, dass der ältesten und am längsten beschäftigten Mitarbeiterin gekündigt wird, hat er diese vorrangig  vorzunehmen.

 

 

Rechtsanwältin Sylvia Harms

- Fachanwältin für Arbeitsrecht -

- Fachanwältin für Medizinrecht -

Kanzlei PMH, Düsseldorf

Anmeldung